Der Druck der Strasse: Warum globale Strassenprojekte die Klimaziele bedrohen

Der Druck der Strasse: Warum globale Strassenprojekte die Klimaziele bedrohen

Kernpunkte.

  • Der Strassenverkehr ist ein bedeutender Abgasemittent: 2024 war er für 12% der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich. Pläne für den Ausbau von Strassen könnten diesen Anteil noch steigern
  • Es geht um Billionen: Global sollen USD 2,7 Bio. für neue Strassenprojekte bereitgestellt werden. Dies könnte zu einer Zementierung der kohlenstoffintensiven Infrastruktur führen
  • Netto-Null rückt in weitere Ferne: Das UN-Umweltprogramm UNEP warnt, dass die aktuellen Verpflichtungen nicht ausreichen. Ohne striktere Richtlinien und Umsetzungsmassnahmen steuert die Welt auf eine Erwärmung von bis zu 3,1°C zu
  • Das Verkehrswesen ist ein wichtiger Hebel: Eine Elektrifizierung im grossen Stil, die Umstellung auf neue Brennstoffe und die Steigerung der Energieeffizienz zählen nach wie vor zu den wirkungsvollsten Klimastrategien
  • Elektrofahrzeuge sind notwendig, aber nicht ausreichend: 2035 werden immer noch mehr als 40% der Neuwagen weltweit mit fossilen Brennstoffen fahren. Dies zeigt, dass ein umfassender Systemwandel erforderlich ist
  • Erste Verschiebungen finden statt: Einige Regierungen streichen oder überdenken Schnellstrassenprojekte und lenken Investitionen in kohlenstoffarme Transportsysteme um
  • Innovation ist entscheidend: Recycelter Kunststoff in Asphalt, umweltfreundlichere Maschinen und klimabezogene Finanzinstrumente erweisen sich als skalierbare Lösungen
  • Ausgewogenheit ist möglich: Die Vereinbarkeit von Mobilität und Klimaschutz erfordert die Einbeziehung von Nachhaltigkeitskriterien in die Strassenplanung. Dabei gilt es, öffentliche Verkehrsmittel zu bevorzugen und zügig Finanzmittel zu mobilisieren 

Der Strassenverkehr zählt zu den grössten Klimasündern weltweit. 2024 verursachte er rund 12% der globalen Treibhausgasemissionen.1 Dies unterstreicht, dass beim Ausbau der Verkehrsinfrastruktur nachhaltigere Ansätze erforderlich sind. Dennoch treiben Regierungen weltweit den Strassenbau in beispiellosem Ausmass voran. Aktuell sind weltweit über USD 2,7 Bio. für neue Strassenbauprojekte vorgesehen. Dieser Ausbau wird das Verkehrsaufkommen und insbesondere die Nutzung von Privatfahrzeugen mit hoher Wahrscheinlichkeit weiter ankurbeln2 – mit schwerwiegenden Folgen für die Umwelt. Angesichts des erheblichen Anteils des Verkehrssektors an energiebedingten Emissionen droht dieses starke Wachstum, mühsam erkämpfte CO2-Reduktionen zunichtezumachen. Die Situation ist paradox: Auf der einen Seite befeuert die Infrastruktur das Wirtschaftswachstum, aber sie kann auch hohe Emissionen auf Jahre festschreiben – obwohl die Länder sich verpflichten, Netto-Null-Ziele zu erreichen.

Sehen Sie sich das untenstehende Video an (mit englischen Untertiteln):

UN-Bericht: Verkehrswesen zählt zu den entscheidenden Hebeln

Ein Bericht der Vereinten Nationen aus dem Jahr 2024 zeigt die ungeschminkte Wahrheit. Obwohl die Netto-Null-Verpflichtungen immer zahlreicher werden, sind die globalen Massnahmen nach wie vor meist unzureichend. Der jährliche Emissions Gap Report des UNEP3 warnt, dass die Welt auf eine Erwärmung von 3,1°C zusteuert, wenn die Regierungen nicht zu entschiedeneren Massnahmen greifen. Die Emissionen stiegen 2023 auf einen Rekordwert von 57,1 Gigatonnen CO2-Äquivalenten – ein Anstieg von 1,3% gegenüber 2022. Kritische Sektoren wie Energie, Verkehr und Landwirtschaft tragen am stärksten zu den Treibhausgasemissionen bei.

Dem Bericht zufolge befinden wir uns jetzt in der entscheidenden Phase: „Die Länder müssen jetzt das Tempo erhöhen, sich deutlich ehrgeizigere Ziele setzen und diese dann durch konkrete Richtlinien und Massnahmen zügig umsetzen. Ansonsten ist das Ziel des Pariser Abkommens, die globale Erwärmung auf 1,5°C zu begrenzen, innerhalb weniger Jahre Makulatur. Auch die 2°C-Marke hängt dann am seidenen Faden.“4

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Der Bericht weist darauf hin, dass das Verkehrswesen – ebenso wie Wälder, erneuerbare Energien und Massnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz – erhebliches ungenutztes Potenzial bietet, die Lücke zur Netto-Null zu schliessen. Aktionspläne für die Wälder könnten dem Bericht zufolge rund 20% zu den erforderlichen Emissionsreduktionen beitragen. Verkehrsmassnahmen wie eine Elektrifizierung im grossen Stil, die Umstellung auf neue Brennstoffe und die Steigerung der Energieeffizienz zählen jedoch zu den wirkungsvollsten und praktikabelsten Lösungsansätzen. Die Umsetzung dieser Strategien im Rahmen ressortübergreifender gesamtstaatlicher Ansätze könnte erheblichen sozioökonomischen und ökologischen Nutzen mit minimalen Kompromissen erzielen.5

Die Länder müssen jetzt das Tempo erhöhen, sich deutlich ehrgeizigere Ziele setzen und diese dann durch konkrete Richtlinien und Massnahmen zügig umsetzen. Ansonsten ist das Ziel des Pariser Abkommens, die globale Erwärmung auf 1,5°C zu begrenzen, in wenigen Jahren Makulatur

In der ökologischen Zwickmühle

In vielen Teilen der Welt ist noch keine öffentliche Verkehrsinfrastruktur vorhanden, die als tragfähige Alternative zu Privatfahrzeugen dienen könnte. In Entwicklungsländern, insbesondere in Afrika und Asien, gilt der Ausbau des Strassennetzes als entscheidend für eine verbesserte Anbindung und die Steigerung des Wirtschaftswachstums. Doch es sind die reicheren Länder, die weiter Strassen bauen. So wuchs in Europa die Streckenlänge des Autobahn- und Schnellstrassennetzes zwischen 1995 und 2020 um 60%, während das Eisenbahnnetz um 6,5% schrumpfte. Befürworter des Schnellstrassenausbaus argumentieren, dass kürzere Fahrzeiten die Emissionen senken. Studien zeigen jedoch, dass dieser Effekt nur kurzfristig anhält. Zusätzliche Kapazitäten schaffen häufig zusätzliche Nachfrage und führen letztlich zu mehr Verkehr auf den Strassen.

Die globale Umstellung auf Elektrofahrzeuge dürfte in Zukunft eine Schlüsselrolle bei der Reduzierung der Verkehrsemissionen spielen. Dennoch zeigen Untersuchungen von BloombergNEF, dass 2035 immer noch 40% aller verkauften Neuwagen mit fossilen Brennstoffen fahren werden. Das zeigt das Ausmass der bestehenden Herausforderung.6 Bei der COP28 haben die wohlhabenden Länder mit der ZEV Transition Roadmap ein Programm zur verstärkten Förderung von Elektrofahrzeugen in Schwellenländern festgelegt. Dabei haben sie sich dazu verpflichtet, Elektrofahrzeuge bis 2030 überall auf der Welt zur „erschwinglichsten, zugänglichsten und attraktivsten Option“ zu machen. Die COP29 bot jedoch nur eine begrenzte Unterstützung des Übergangs zu Elektrofahrzeugen. Den Prognosen der Analysten zufolge sind bis 2050 USD 2,7 Bio. an Investitionen in umweltfreundliche Verkehrsmittel erforderlich. Dies entspricht in etwa dem Siebenfachen des aktuellen Finanzierungsniveaus.7

In Entwicklungsländern, insbesondere in Afrika und Asien, gilt der Ausbau des Strassennetzes als entscheidend für eine verbesserte Anbindung und die Steigerung des Wirtschaftswachstums. Doch es sind die reicheren Länder, die weiter Strassen bauen

Alle Augen sind nun auf die COP308 in Brasilien Ende dieses Jahres gerichtet. Die Dekarbonisierung des Verkehrssektors dürfte dort ein wichtiges Thema sein: Das International Transport Forum wird die neuesten Daten des Sektors bekannt geben, und die Schwellenländer drängen auf ehrgeizigere Verpflichtungen im Bereich Elektrofahrzeuge und saubere Mobilität.

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Erste Signale von Vorreitern

Der Schnellstrassenausbau wird jedoch nicht überall vorangetrieben, denn die Sorge um das Klima führt zum Umdenken. Einige Regierungen lenken Investitionen zunehmend in Richtungen, die nicht nur die Mobilität verbessern, sondern auch einen ökologischen und sozialen Mehrwert schaffen.

  • Die walisische Regierung hat zahlreiche Strassenbauprojekte mit Verweis auf Nachhaltigkeitsziele gestrichen.
  • Das Verkehrsministerium von Colorado hat zwei grosse Highway-Ausbauprojekte gestrichen und die Mittel in umweltfreundliche Verkehrsalternativen umgeleitet – darunter schnellere Busverbindungen und ausgebaute Radwege.
  • Mehrere Länder erproben nachhaltigere Innovationen und reduzieren den Einsatz schwerer Maschinen, um den Energieverbrauch zu senken und Lebensräume zu schonen.
  • Los Angeles testet Strassen aus Asphalt, dem recycelter PET-Kunststoff beigemischt wird. Ähnliche Kunststoff-Asphalt-Technologien sind auch in den Niederlanden und Schottland im Einsatz. Sie sorgen für stabilere und langlebigere Strassen mit messbaren ökologischen Vorteilen.
     

Doch selbst mit solchen innovativen Strategien bleibt der Konflikt zwischen Strassenausbau und Umweltzielen eine schwierige Gratwanderung. Um Strassenbau und Netto-Null-Ziele im Verkehrswesen sinnvoll miteinander zu vereinbaren, müssen verschiedene Ansätze ineinandergreifen:

1. Priorisierung multimodularer Systeme

Investitionen in öffentliche Verkehrsmittel können dort, wo sie sinnvoll einsetzbar sind, dazu beitragen, die Abhängigkeit vom Auto zu verringern. Studien zufolge stossen Busse und Züge bis zu zwei Drittel weniger Treibhausgase pro Passagierkilometer aus als Privatfahrzeuge.9

2. Nachhaltige Strassenplanung

Nachhaltige Strassen setzen auf umweltfreundliche Materialien und Bauverfahren. Bei ihrer Planung stehen niedrige Emissionen und der Schutz von Lebensräumen im Fokus.

3. Einsatz grüner Finanzmittel

Nachhaltige Anleihen und klimabezogene Finanzinstrumente können die Wirtschaft in Richtung eines kohlenstoffarmen Verkehrssystems lenken.

Von Zielen zu konkreten Massnahmen

Infrastrukturausbau und der Weg zu Netto-Null schliessen sich nicht gegenseitig aus. Die richtige Balance erfordert jedoch ein durchdachtes und koordiniertes Vorgehen. Verkehrsbehörden stehen vor einem Zielkonflikt: Auf der einen Seite werden mehr Strassen für eine bessere wirtschaftliche und soziale Anbindung gebraucht, auf der anderen Seite müssen die Netto-Null-Ziele unbedingt erreicht werden. Weltweit sind Projekte im Wert von Billionen US-Dollar in der Planung. Sowohl der Umfang dieser Projekte als auch ihre möglichen Auswirkungen auf das Klima sind beispiellos. Wie lässt sich diese komplexe Herausforderung meistern und mit den Netto-Null-Zielen vereinbaren? Entscheidend sind drei Faktoren: Nachhaltigkeit in jeder Phase der Strassenplanung mitdenken, klimafreundliche Verkehrsmittel bevorzugen und auf innovative, emissionsarme Bauverfahren setzen. Mit der Strassenplanung allein lässt sich der notwendige Wandel nicht erreichen. Nur durch die Kombination dieser Ansätze kann die Verkehrsinfrastruktur zur Grundlage für CO2-neutrales Wachstum werden – neben dem beschleunigten Umstieg auf Elektrofahrzeuge, dem Ausbau des öffentlichen Verkehrs und der Steuerung der Bedarfs an privater Fahrzeugnutzung.

Diese Ziele können nur durch eine globale Mobilisierung in bisher nie erlebtem Ausmass und Tempo erreicht werden. Politik, Wirtschaft sowie Anlegerinnen und Anleger müssen sich gemeinsam verpflichten, die jährlichen Treibhausgasemissionen in den klimaschädlichsten Sektoren zu reduzieren. Verpflichtungen alleine reichen jedoch nicht aus. Sie müssen mit schnellen, entschiedenen Massnahmen und einem Systemwandel einhergehen, um die Kluft zwischen Zielen und Realität zu schliessen. Wir bei Lombard Odier bezeichnen das als Investieren in globale Systemveränderungen – einen Rahmen, der das Fundament unserer Wirtschaft so verändert, dass Wachstum und Nachhaltigkeit vereinbar werden und langfristiger Wohlstand möglich ist.

Wichtige Hinweise.

Die vorliegende Marketingmitteilung wurde von der Bank Lombard Odier & Co AG (nachstehend “Lombard Odier”) herausgegeben. Sie ist weder für die Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung in Rechtsordnungen bestimmt, in denen eine solche Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung rechtswidrig ist, noch richtet sie sich an Personen oder Rechtsstrukturen, an die eine entsprechende.

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