Von Paris über London bis Washington sorgt die Fiskalpolitik wieder für Nervosität

Samy Chaar - Chefökonom und CIO Schweiz
Samy Chaar
Chefökonom und CIO Schweiz
Dr. Luca Bindelli - Head of Investment Strategy
Dr. Luca Bindelli
Head of Investment Strategy
Bill Papadakis - Senior Macro Strategist
Bill Papadakis
Senior Macro Strategist
Von Paris über London bis Washington sorgt die Fiskalpolitik wieder für Nervosität

Kernpunkte.

  • Haushaltssorgen und politische Fragmentierung könnten die Renditen von Staatsanleihen in Industrieländern in die Höhe treiben. Besondere Aufmerksamkeit gilt der politischen Blockade und den ineffizienten Ausgaben in Frankreich
  • Frankreichs Herausforderungen betreffen vielmehr die Beschaffenheit der öffentlichen Ausgaben als die Tragfähigkeit der Staatsverschuldung. Der Privatsektor ist weiterhin solide. Das Vereinigte Königreich verfügt über Flexibilität, doch schrittweise politische Anpassungen und Verpflichtungen sorgen für anhaltende wirtschaftliche Unsicherheit
  • Der sich verschlechternde Haushaltsausblick der USA sowie der Druck auf die Unabhängigkeit der Fed bergen das Risiko einer starken Versteilung der Renditekurve, höherer Laufzeitprämien und einer weiteren Dollar-Schwäche
  • Wir erwarten anhaltend weite und volatile Spreads französischer Staatsanleihen gegenüber deutschen Bundesanleihen. Britische Staatsanleihen bieten relativen Wert, vor allem im Segment von fünf bis sieben Jahren. Wir bleiben in britischen Aktien untergewichtet. Die allgemeine Dollar-Schwäche hält an.

Weltweit wirken sich fiskalpolitische Belastungen allmählich auf die Kapitalmärkte aus. In Frankreich treiben die politische Blockade und ineffiziente Ausgaben die Renditeaufschläge von Staatsanleihen in die Höhe. Das Vereinigte Königreich hat die Möglichkeit, einen ausgewogeneren Haushalt zu erreichen, und könnte diesen Spielraum in begrenztem Umfang nutzen. Doch in Industrieländern, darunter den USA, könnten steigende Fremdkapitalkosten und politische Unsicherheit dazu führen, dass für langfristige Anleihen höhere Risikoaufschläge verlangt werden. Die Renditekurve könnte steiler werden und die Marktvolatilität zunehmen.

Die Vertrauensabstimmung in der französischen Regierung am 8. September dürfte unmittelbar keine finanzielle Instabilität auslösen. Sie verdeutlicht aber, wie politisches Scheitern die langfristigen Kapitalkosten in Europa beeinflusst. Die Problematik in Frankreich betrifft weniger die Tragfähigkeit der Schulden als vielmehr die Beschaffenheit der öffentlichen Ausgaben und die unzureichende Nutzung der Haushaltskapazität. Das französische Steuersystem ist ineffizient, und das soziale Sicherheitsnetz liefert nur begrenzte wirtschaftliche Erträge. Anlegerinnen und Anleger würden ein investitionsorientiertes Fiskalpaket nach deutschem Vorbild begrüssen – es wäre produktiver.

Wir sehen für die kommenden Wochen drei mögliche Szenarien: Die Regierung wird durch eine neue Administration mit demselben fragmentierten Parlament ersetzt; es kommt zu Neuwahlen, die ebenfalls zu einer Fragmentierung führen dürften; oder – am wenigsten wahrscheinlich – es bleibt beim Status quo. Keine dieser Optionen behebt die zugrunde liegenden Ineffizienzen. Frankreich verfügt über strukturelle Stärken, etwa in den Bereichen Energie und Lebensmittel, hinkt jedoch bei Haushaltsreformen hinterher. Realistisch betrachtet wird die politische Lähmung in Bezug auf die öffentlichen Finanzen ungeachtet anderer politischer Veränderungen weiterbestehen und Frankreichs Defizit hoch bleiben.

Internationale Anleihenanleger haben das politische Risiko Frankreichs grösstenteils schon eingepreist. Doch die Renditeaufschläge (Spreads) französischer Staatsanleihen haben sich ausgeweitet. Frankreichs Renditen sind nun höher als jene Spaniens, Portugals und Griechenlands, die niedrigere Kreditratings aufweisen. Der Spread zwischen französischen Staatsanleihen und deutschen Bundesanleihen kletterte letzte Woche auf über 80 Basispunkte, den höchsten Stand seit Dezember 2024. Wir erwarten anhaltend weite und volatile Spreads. Bei weiterer Unsicherheit könnten sie auf 100 Basispunkte steigen.

Wir halten es für wenig wahrscheinlich, dass die politische Krise und die haushaltspolitische Unsicherheit in Frankreich in eine Finanzkrise münden

Die Instabilität trägt zum allgemeinen Trend steigender Kapitalkosten in den Industrieländern bei. Wie bereits vor neun Monaten halten wir es aber für wenig wahrscheinlich, dass die politische Krise und die haushaltspolitische Unsicherheit in Frankreich in eine Finanzkrise münden.

Auf den ersten Blick ist das fiskalpolitische Umfeld Frankreichs schlechter als jenes der USA oder des Vereinigten Königreichs. Die Budgets sind umfangreich, und ein politischer Kompromiss – und folglich Spielraum für Steuererhöhungen – ist nicht zu erwarten. Zugleich bleibt der französische Privatsektor – sowohl Haushalte als auch Unternehmen – relativ solide und verfügt über Sparüberschüsse. Die USA dagegen weisen sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor ein Defizit auf.

Festhalten an Regeln

Ähnlich wie Frankreich und die meisten Industrieländer steht auch das Vereinigte Königreich vor schwierigen Haushaltsentscheidungen aufgrund des Ausgabenbedarfs und einer alternden Bevölkerung. Im Gegensatz zu Frankreich verfügt die britische Regierung über eine parlamentarische Mehrheit, um Haushaltspläne umzusetzen. Doch die Regierung hat sich wiederholt verpflichtet, fiskalpolitische Grenzen einzuhalten, während sie die wichtigsten Instrumente zur Haushaltsdisziplin ausschliesst. Stattdessen könnte sie Änderungen bei Erbschafts-, Vermögens- oder Immobiliensteuern in Betracht ziehen. Dies führt dazu, dass im Halbjahresrhythmus alles andere als ideale politische Entscheidungen getroffen werden: Die Massnahmen beschränken sich auf ein Minimum, was für anhaltende wirtschaftliche Unsicherheit sorgt.

Die Geldpolitik bietet Unterstützung. Die Zinsen bleiben hoch, und eine fiskalpolitische Straffung und schliesslich eine niedrigere Inflation würden es der Bank of England (BoE) ermöglichen, die Zinsen zu senken. Wir erwarten, dass die BoE ihre Wachstums- und Inflationsprognosen nach der „Herbst-Erklärung“ verringert. Dies könnte zu stärkeren Zinssenkungen führen, als die Märkte derzeit vorwegnehmen. Auch eine Verlangsamung des „Programms der quantitativen Straffung“ der BoE hätte niedrigere Renditen langfristiger britischer Staatsanleihen zur Folge. Ohne Verlangsamung besteht das Risiko, dass die quantitative Straffung die Wirkung niedrigerer Zinsen neutralisiert.

Britische Staatsanleihen bieten mehr Wert als europäische Anleihen

Unter diesen Umständen bieten unserer Meinung nach britische Staatsanleihen mehr Wert als europäische Anleihen, und wir bevorzugen Laufzeiten von fünf bis sieben Jahren. Im Zuge einer Normalisierung der Laufzeitprämien erwarten wir, dass längerfristige Papiere besser abschneiden als andere wichtige Staatsanleihen. Bei den Währungen rechnen wir weiterhin mit einer allgemeinen Schwäche des US-Dollar. Dies gilt auch gegenüber dem britischen Pfund, wobei wir das Aufwärtspotenzial des GBPUSD-Währungspaars für begrenzt halten. Gegenüber dem Euro beurteilen wir das Pfund negativer. Im Zuge der fiskalpolitischen Straffung dürfte das Binnenwachstum britische Aktien belasten – trotz einer Lockerung durch die BoE und einer schwächeren Währung, die das Wachstum der Gewinne je Aktie (EPS) neutralisiert. Die jüngste Dynamik der EPS-Korrekturen hat nachgelassen, und wir bleiben in britischen Aktien untergewichtet. Eine mögliche Zusatzabgabe auf Bankgewinne könnte weitere Risiken für den regionalen Aktienausblick bergen.

Herausforderung für die US-Notenbank Fed

In den USA stellt auch das im Juli verabschiedete Gesetz One Big Beautiful Bill die Haushaltsdisziplin infrage. Angesichts eines sich abschwächenden Arbeitsmarkts und möglicher zollbedingter Inflation will die Regierung Trump die US-Geldpolitik kontrollieren. Der Angriff auf den Sitz der Fed-Gouverneurin Lisa Cook ist Teil dieser Bemühungen. Zwar konzentriert sich der US-Präsident in seiner Rhetorik auf bezahlbaren Wohnraum, doch der Tagesgeldsatz der Fed wirkt sich nicht direkt auf die langfristigen Hypothekenzinsen aus. Es besteht das Risiko, dass die durch die Anleihenanleger bestimmten Zinsen steigen.

Bislang hält sich die Marktreaktion in Grenzen. Die Entlassung von Lisa Cook könnte einen langwierigen Rechtsstreit nach sich ziehen. Die Anleger könnten davon ausgehen, dass Donald Trump zurückrudert, sollte der Anleihenmarkt Anzeichen von Stress zeigen – wie im April.

Wenn die Unabhängigkeit der Fed untergraben wird, könnte die Zinskurve einen steileren Verlauf nehmen als derzeit erwartet, und die Laufzeitprämie könnte steigen

Unsere derzeit vorsichtige Positionierung in US-Staatsanleihen als Teil des globalen Anleihenengagements spiegelt die Erwartung einer anhaltend hohen Laufzeitprämie wider. Dabei handelt es sich um die zusätzliche Rendite, die Anleger für das Halten von Anleihen mit längerer Laufzeit verlangen. Ein weiterer Grund für die vorsichtige Positionierung ist eine steilere Zinskurve. Niedrigere kurzfristige Zinsen aufgrund von Zinssenkungen der Fed würden für tiefere kurzfristige Renditen sorgen. Eine unbeständige Inflation und die fiskalpolitische Dynamik würden Rückgänge bei längerfristigen Renditen begrenzen. Wir erwarten, dass die Rendite zweijähriger US-Staatsanleihen in zwölf Monaten bei 3,10% liegt und die Rendite zehnjähriger US-Staatsanleihen bei 3,9%. Wir bevorzugen durchschnittliche Laufzeiten von fünf Jahren. Wenn aber die Unabhängigkeit der Fed untergraben wird, könnte die Zinskurve einen steileren Verlauf nehmen als derzeit angenommen, und die Laufzeitprämie könnte steigen. Dies würde den US-Dollar weiter unter Druck bringen und US-Staatsanleihen belasten sowie zu Volatilität an den Aktienmärkten führen.

Steigende Kapitalkosten

Die politische Unsicherheit in Frankreich, die US-Verschuldung und Sorgen über die Unabhängigkeit der Fed sowie eine straffere Fiskalpolitik im Vereinigten Königreich: Dies sind auf den ersten Blick voneinander unabhängige Entwicklungen. Sie alle deuten jedoch auf das Risiko weltweit steigender Kapitalkosten hin. Am Anleihenmarkt werden diese Entwicklungen aufmerksam beobachtet, aber eine dramatische Reaktion ist bislang ausgeblieben. In Frankreich dürfte der politische Status quo die fiskalpolitischen Ineffizienzen kaum beheben. Die französischen Aktienmärkte haben sich besser gehalten als im Sommer 2024. In den USA wird die Unabhängigkeit der Fed auf der Tagesordnung bleiben – bis der Präsident eine Mehrheit im Gouverneursrat erlangt, das Rechtssystem interveniert oder die Anleihenmärkte reagieren.

Im Vereinigten Königreich dürfte man durch wenig ambitionierte Schritte allmählich eine ausgewogenere Haushaltssituation erreichen. Im Zuge der fiskalpolitischen Straffung dürfte das Binnenwachstum britische Aktien belasten – trotz Lockerungspolitik der BoE und GBP-Schwäche. Wir bleiben daher in britischen Aktien untergewichtet. Wir rechnen weiterhin mit einer allgemeinen Schwäche des US-Dollar, auch gegenüber dem britischen Pfund. Allerdings dürfte das Aufwärtspotenzial des GBPUSD-Währungspaars begrenzt bleiben. Dagegen beurteilen wir das britische Pfund gegenüber dem Euro weniger optimistisch und erwarten, dass sich der EURGBP-Kurs auf Jahresfrist in Richtung 0,89 bewegt. Sollte die Unsicherheit in Frankreich anhalten, könnte die Nachfrage nach Zufluchtswährungen, vor allem nach dem japanischen Yen, zunehmen.

CIO Office Viewpoint

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Die vorliegende Marketingmitteilung wurde von der Bank Lombard Odier & Co AG (nachstehend “Lombard Odier”) herausgegeben. Sie ist weder für die Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung in Rechtsordnungen bestimmt, in denen eine solche Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung rechtswidrig ist, noch richtet sie sich an Personen oder Rechtsstrukturen, an die eine entsprechende.

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