Das Paradoxon nachhaltiger Schwellenländeranlagen

Sophie Chardon - Head of Sustainable Investments, Private Bank
Sophie Chardon
Head of Sustainable Investments, Private Bank
Das Paradoxon nachhaltiger Schwellenländeranlagen

Kernpunkte.

  • Die Schwellenländer spielen für die Nachhaltigkeitswende eine immer wichtigere Rolle. Trotz komplexer und manchmal widersprüchlicher politischer Prioritäten werden sie unabhängiger und einflussreicher
  • Regionale Klimafinanzierung und Anreize für Unternehmen beschleunigen die Dekarbonisierung, verringern die Abhängigkeit von traditionellen Geldgebern und unterstützen lokal angepasste Lösungen
  • Zwischen den Umweltambitionen und dem verfügbaren Kapital klafft weiterhin eine grosse Lücke. Jedes Jahr werden Billionen benötigt. Massnahmen zur Anpassung an den Klimawandel sind nach wie vor unterfinanziert
  • Innovative Anlageinstrumente und die Dynamik im Privatsektor bieten vielfältige Chancen für Anleger, die Finanzrenditen erzielen und zugleich in die ökologische und soziale Wende investieren wollen. 

Während die Umweltambitionen der Regierungen divergieren, übernehmen die Schwellenländer eine neue Rolle: Sie sind nicht nur Nutzniesser der globalen Kapitalströme, sondern auch Architekten der nächsten Phase des Übergangs zu nachhaltigen Volkswirtschaften.

Die Schwellenländer spielen in der globalen Klimawende keine Nebenrolle mehr, sondern gestalten nun deren Zukunft. Ihre politischen Prioritäten bleiben jedoch komplex und manchmal widersprüchlich. Darin kommt die zunehmende Unabhängigkeit der Schwellenländer zum Ausdruck, die an ihrem eigenen Übergang arbeiten.

Solche regionalen Divergenzen widerspiegeln sich auch in neuen Klimaverpflichtungen und veränderten Prioritäten. Im ersten Halbjahr 2025 entwickelten sich die Klimaambitionen der Regierungen in unterschiedliche Richtungen. Die US-Regierung zeigte sich skeptisch, andere erneuerten ihre Zusagen. Dies unterstreicht die Bedeutung einer gezielten Steuerung der Kapitalallokationen unter Berücksichtigung der sich verändernden regionalen Dynamik.

Die Schwellenländer spielen in der globalen Klimawende keine Nebenrolle mehr, sondern gestalten nun deren Zukunft

Zielkonflikte

Für Anlegerinnen und Anleger ist es wichtig, das Spannungsverhältnis zwischen den Ambitionen und Kapazitäten der Schwellenländerregierungen zu verstehen, um die Chancen in diesem Anlageumfeld zu erkennen. Immer ehrgeizigeren Klimazielen stehen strukturelle Begrenzungen gegenüber. Dazu zählen Energiesicherheit, industrielle Wettbewerbsfähigkeit und fiskalpolitische Einschränkungen. Sie alle können die Umsetzung verzögern.

Das gilt insbesondere für die grössten Länder, China und Indien. Sie befinden sich in einem Zielkonflikt zwischen einer umfassenden Klimawende und komplexen wirtschaftlichen Prioritäten wie erschwinglicher Energie und industriellem Wachstum. Die Energielandschaft Chinas veranschaulicht dieses Paradoxon. Das Land ist nach wie vor der grösste Kohleverbraucher der Welt und baut seine Kapazitäten auf Kohlebasis weiter aus, um die Stromnachfrage der Industrie zu decken. Zugleich machte im Juli 2025 Solar- und Windenergie 46% der gesamten Stromerzeugungskapazität Chinas aus. Allgemein ist China weltweit führend bei erneuerbaren Energien, in der Batterieherstellung und im Export von Elektrofahrzeugen.

Am 24. September gab Präsident Xi Jinping für 2035 ein Emissionsreduktionsziel von 7% bis 10% bekannt. Das liegt unter der Emissionsverringerung von 20% bis 30%, die China nach Ansicht mancher Analysten erreichen muss, um seinen im Rahmen des Pariser Abkommens erklärten Zielen zu entsprechen. Dieser gemächliche statt beschleunigte Dekarbonisierungsplan gibt China die Chance, seine Ziele zu übertreffen – wie es auch bei früheren Zielen der Fall war. Da das Land zur Energieerzeugung auf Kohle angewiesen ist – China ist immer noch für rund 30% der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich –, kann die Wirkung der Zusage für 2035 bedeutend sein. Der im März 2026 erwartete nächste Fünfjahresplan wird zeigen, ob die Investitionen Chinas in saubere Energie in den nächsten Jahren die strukturelle Abnahme des Kohleverbrauchs sicherstellen werden.

Zugleich entfallen fast 60% der weltweit installierten Solaranlagen auf China. Dank der Entwicklung in anderen Schwellenländern dürfte sich dieser Anteil in den nächsten zehn Jahren halbieren. Andere Volkswirtschaften bieten bezüglich Nachhaltigkeit ein uneinheitliches, aber zunehmend dynamisches Bild. Südostasien verstärkt seine Produktion von Solaranlagen, während Brasilien seine Windkorridore und Solarparks ausbaut und führend bei Entwicklungen in der nachhaltigen Landwirtschaft ist. Chile und Argentinien spielen eine Schlüsselrolle im Bereich der globalen Lithiumreserven und erhöhen die Produktion. Indien elektrifiziert sein Transportwesen durch regionale Zentren für Elektrofahrzeuge. Der Nahe Osten schliesslich leitet staatliches Kapital in grünen Wasserstoff und Initiativen rund um das Thema Kreislaufwirtschaft.

Weiterhin grosse Lücken

Die Klimafinanzierung zwischen Schwellenländern nimmt ebenfalls Fahrt auf, wie die Finanzierung weiterer nachhaltiger Projekte durch China und die Vereinigten Arabischen Emirate zeigt. Im Rahmen dieser Projekte wird unter anderem Infrastruktur aufgebaut, die für eine langfristige Dekarbonisierung entscheidend ist, wie Solaranlagen in Afrika und Infrastruktur für Elektrofahrzeuge in Südostasien. Durch die Mobilisierung regionaler Ressourcen und Fachkenntnisse verringern diese Veränderungen der globalen Kapitalströme die Abhängigkeit von traditionellen Geberländern und fördern robustere, an die lokalen Verhältnisse angepasste Lösungen.

Die Klimafinanzierung zwischen Schwellenländern nimmt Fahrt auf, wie die Finanzierung weiterer nachhaltiger Projekte durch China und die Vereinigten Arabischen Emirate zeigt

Multinationale Unternehmen sorgen in Schwellenländern für mehr Nachhaltigkeit, indem sie ihre Lieferketten nachhaltiger gestalten, CO2-arme Grundstoffe beschaffen und strengere Standards durchsetzen. Dies gilt insbesondere für Elektronik, Automobile und Konsumgüter. Ihre Bemühungen unterstützen die Erreichung nationaler Klimaziele durch Emissionsberichterstattung, kreislauforientierte Produktion und Infrastrukturinvestitionen, zum Beispiel im Recycling.

Doch viele Länder, sowohl Industrie- als auch Schwellenländer, stehen immer noch vor Herausforderungen: begrenzter Zugang zu nachhaltigem Kapital, ungenügende Tiefe der Finanzmärkte und fragmentierte Regulierung.

Die Lücke bei Klimainvestitionen ist immer noch erheblich. Diese Länder benötigen etwa USD 2 Bio. pro Jahr für den Klimaschutz und USD 400 Mrd. für die Anpassung ihrer Volkswirtschaften. Doch Zahlen des Umweltprogramms der Vereinten Nationen aus dem Jahr 2024 zufolge beliefen sich die Investitionen in Anpassungsprogramme noch im Jahr 2022 auf nur USD 72 Mrd.

Finanzierung von Innovationen

Das Anlageumfeld in den Schwellenländern entwickelt sich rasch weiter. Unsere aktuelle Portfoliopositionierung – Übergewichtung von Schwellenländeraktien und Hartwährungsanleihen aus Schwellenländern – widerspiegelt die in taktischer Hinsicht attraktive Bewertung über die Anlageklassen hinweg. Die breitere strukturelle Dynamik bietet Chancen für Anleger, die neben finanziellen Renditen ein Engagement in Unternehmen anstreben, welche zur ökologischen und sozialen Wende beitragen.

Viele Industrie- und Schwellenländer stehen vor Herausforderungen: begrenzter Zugang zu nachhaltigem Kapital, ungenügende Tiefe der Finanzmärkte und fragmentierte Regulierung

Bei der Beurteilung des Potenzials nachhaltiger Schwellenländeraktien suchen wir nach resilienten Unternehmen und Sektoren mit skalierbaren Innovationen. Diese Akteure reagieren auf den globalen Nachhaltigkeitsdruck und gestalten lokale Transformationen aktiv durch Technologie und Ressourceneffizienz. Investitionen in diesen Sektoren litten in der Vergangenheit unter hoher Volatilität. Angesichts des sehr harten Wettbewerbs in vielen Sektoren müssen sich Anleger vergewissern, dass die Unternehmen hohe Margen aufrechterhalten und ihre Marktanteile verteidigen können. Auf dem Elektrofahrzeugmarkt bleiben wir beispielsweise sehr selektiv.

Im Bereich nachhaltiger festverzinslicher Anlagen wenden sich die Anleger zunehmend als grün, sozial und nachhaltig „zertifizierten“ Anleihen – Labelled Bonds genannt – zu. Bei Labelled Bonds sind die Erlöse Projekten oder Aktivitäten mit positiver ökologischer oder sozialer Wirkung vorbehalten. Auf zunehmendes Anlegerinteresse stossen auch gemischte Finanzstrukturen, die öffentliches oder philanthropisches Kapital mit kommerziellem Kapital kombinieren. Diese innovativen Instrumente sind Impulsgeber für reale Veränderungen. Denn sie dienen der Finanzierung von Projekten wie Solarparks in Nordafrika sowie Initiativen für nachhaltige Forstwirtschaft und Naturschutz in Brasilien. Sie unterstreichen auch die zunehmende Reife der Schwellenländer-Anleihenmärkte in Bezug auf die globalen Umwelt- und Sozialziele. Laut der Weltbank hat sich der Anteil von Emittenten aus Schwellenländern am Markt für Labelled Bonds zwischen 2020 und 2024 mehr als verdoppelt. Lösungen im Bereich Mikrofinanzierung sind gewöhnlich weniger liquide als Labelled Bonds. Sie werden indessen zunehmend so strukturiert, dass sie solide finanzielle Standards erfüllen und zur Portfoliodiversifizierung beitragen.

Mehr als Diversifizierung

Anlegern, die zweckorientiert investieren wollen, bieten die Schwellenländer mehr als Portfoliodiversifizierung und finanzielle Chancen. Schwellenländer können Zugang zur nächsten globalen Transformationswelle bieten, in der Klimaambitionen mit Innovation, Resilienz und integrativem Wachstum zusammenfliessen.

Die nächste UN-Klimakonferenz (COP), die Mitte November in Brasilien stattfindet, erinnert an die wachsende Führungsrolle Lateinamerikas. Brasilien spielt aufgrund seiner Biodiversität und sauberen Energie sowie seines entstehenden nachhaltigen Finanzökosystems eine wichtige Rolle bei naturbasierten Anlagestrategien. CO2-Märkte, Finanzierungen zur Erhaltung der Wälder und Initiativen für Kreislaufwirtschaft nehmen Fahrt auf. Sie bieten Anlegern regionenspezifische Gelegenheiten zur Ausrichtung ihrer Portfolios auf ökologische und soziale Wirkung.

Brasilien spielt aufgrund seiner Biodiversität und sauberen Energie sowie seines entstehenden nachhaltigen Finanzökosystems eine wichtige Rolle bei naturbasierten Anlagestrategien

Zwar variiert der Fortschritt von Sektor zu Sektor, und die Ziele müssen der wirtschaftlichen Realität Rechnung tragen. Doch die wachsende Rolle des Privatsektors bei nachhaltigen Finanzlösungen – durch Innovation, Partnerschaften und Risikoteilungsmechanismen – kann Anlegern ein diversifiziertes Engagement in der ökologischen und sozialen Wende ermöglichen. Dies ergänzt die Zusagen der Regierungen und deutet auf eine breitere Weiterentwicklung nachhaltiger Finanzlösungen weltweit hin.

CIO Office Viewpoint

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Wichtige Hinweise.

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