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    Millennials als Garanten für Nachhaltigkeit?

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    Jonny Mulholland

    Britischer Autor, thedeliberative.com

    Eine nachhaltige Zukunft lässt sich nicht von heute auf morgen verwirklichen. Dieses Projekt wird die Menschheit wohl noch über die nächsten hundert Jahre beschäftigen. Was in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts geschehen wird, bleibt vorerst reine Spekulation. Was indes die nächsten Jahrzehnte betrifft, da haben wir ein klareres Bild. Nur, wenn wir mehr über die Entwicklung des Nachhaltigkeitsprojekts und den Beitrag der Anleger zu dessen Erfolg erfahren wollen, sollten wir uns stärker für die Menschen interessieren, die heute leben und dieses Projekt vorantreiben müssen. Wer sind sie? Welche Ziele haben sie? Wie können Anleger sie unterstützen?

    Ob die Zukunft nachhaltig wird, hängt von den Millennials ab. Sie sind die jüngste Generation auf dem Arbeitsmarkt und werden dereinst die wichtigsten Positionen in Wirtschaft und Gesellschaft besetzen. Unsere Hoffnungen lasten auf ihren Schultern. Trotzdem dürfen wir uns fragen, ob sie unsere Erwartungen auch erfüllen werden.

    Die Generation der Millennials soll verwöhnt und wählerisch sein; eher geneigt, Ideologien anzuhängen, statt sich auf harte Fakten zu stützen. Besonders im Silicon Valley entzünden sich Kontroversen an den Millennials mit ihren nahezu explosiv wachsenden Unternehmen. Manch einer fragt sich, ob die vielen jungen CEOs, die seit der Jahrhundertwende vermehrt das Zepter übernehmen und kaum reif für den Führerschein, geschweige für die Leitung eines Unternehmens scheinen, dem Projekt Nachhaltigkeit möglicherweise mehr schaden als nützen.

    Falls diese Einschätzung der Generation Y richtig ist, dann steht es schlecht um die Nachhaltigkeitsbestrebungen der Menschheit. Denn wir müssen nicht nur rasch, konsequent und leidenschaftlich, sondern gleichsam gezielt, fundiert und überlegt handeln.

    Wie steht es nun wirklich um die Millennials?

    Ob die Zukunft nachhaltig wird, hängt von den Millennials ab. Sie sind die jüngste Generation auf dem Arbeitsmarkt und werden dereinst die wichtigsten Positionen in Wirtschaft und Gesellschaft besetzen.

    Wie ticken die Millennials?

    Umfragen deuten darauf hin, dass das Nachhaltigkeitsprojekt vielleicht doch in sicheren Händen ist.

    Die Verfasser des Brookings Millennial Report1 berichten, dass 91% der Millennials mehr Vertrauen zu Unternehmen haben, die bestimmte soziale Belange unterstützen, 89% der Millennials solchen Unternehmen eher treu bleiben und derselbe Prozentsatz eher von diesen Unternehmen etwas kaufen würde. Beinahe drei Viertel wären auch bereit, mehr für nachhaltige Produkte und Dienstleistungen zu bezahlen, während es bei den Baby Boomern nur die Hälfte ist.

    Auch ihre Einstellung zu Geld erscheint recht vernünftig. In einer Umfrage2 waren 87,5% der Millennials nicht damit einverstanden, dass Geld der alleinige Massstab für den Erfolg sei. Aber andererseits sind sie auch keine Fantasten. Sie wissen, dass ein erfolgreiches Unternehmen auch finanziell etwas leisten muss. Trotzdem zählen für sie neben der Profitabilität auch weitere Aspekte. Dem 2018 Deloitte Millennial Survey3 zufolge glauben 83% der Millennials an eine ganzheitlichere Leistungsbilanz, die auch den positiven Auswirkungen auf Gesellschaft und Umwelt, der Innovation, der Beschäftigungslage, der Karriereentwicklung, dem Lebensstandard sowie der Vielfalt und Inklusion Rechnung trägt.

    Diese Zahlen gelten jedoch nur für diejenigen Millennials, deren Einstellung die grösste Bedeutung für Anleger haben: die Unternehmer. Mit der digitalen Demokratisierung des Unternehmertums können wir indes davon ausgehen, dass die Millennials wohl eher als die vorangehenden Generationen versuchen dürften, die Nachhaltigkeitsprobleme mit ökonomischen Ansätzen zu lösen. So gaben 25% der befragten Unternehmer zwischen 20 und 30 Jahren an, dass sie unternehmerisch tätig wurden, weil sie eine positive Auswirkung auf die Gemeinschaft haben wollten, was bei den Unternehmern in der Altersgruppe 50 bis 60 nur für 13% der Fall war4.

    64% [der Millenials] würden lieber 40’000 Dollar pro Jahr in einem Job verdienen, den sie lieben, als 100’000 Dollar pro Jahr in einem Job, den sie hassen.

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    Nachhaltige Unternehmen, nachhaltige Lösungen

    Im Vergleich zu Staaten und Grosskonzernen haben Start-ups die Fähigkeit, spezifische Nachhaltigkeitsaspekte gezielt anzugehen. Zusammen haben diese Aktionen dann eine umfassende Wirkung. Deshalb ist es wichtig, dass Anleger einen Teil ihres Kapitals zur Finanzierung innovativer, nachhaltiger Start-ups auf der ganzen Welt einsetzen.

    Nehmen wir zum Beispiel die Londoner Marketingagentur LVK. Es gibt bereits eine Reihe kleiner nachhaltiger Nahrungsmittel- und Getränkemarken. Wenn sie aber wirklich einen Unterschied machen wollen, müssen sie wachsen. Hier tritt LVK auf den Plan. Die Firma wurde von den beiden Millennials Simon Lock und Sunna van Kampen gegründet. Sie wollen „achtsame“ Marken fördern, die gesunde, nachhaltige Zutaten und Verpackungsmaterialien verwenden und dank höherer Umsätze und eines erfolgreichen Wettbewerbs mit den etablierten Marken die positive Wirkung noch verstärken.

    Einige Millennial-Unternehmer schlagen innovative Verbesserungen für bestehende Lösungen vor. Etwa Arun George, der im Begriff ist, die Windenergie mit seinem indischen Start-up Avant Garde Innovations zu demokratisieren. Das junge Unternehmen ist Herstellerin der kleinen Windturbine AVATAR, die gerade mal so viel wie ein Smartphone kostet und Indern direkten Zugang zu erneuerbarer Energie bietet, sodass sie nicht mehr vom Stromnetz abhängig sind.

    Andere wie Jackie Yap aus den Philippinen sind so innovativ, dass sie gleich zwei Probleme auf einem Schlag lösen. Sein erstes Ziel war die Eindämmung der Wasserhyazinthe. Diese invasive Pflanze wächst täglich um rund 7,28 Tonnen pro Hektar. Das zweite Ziel betrifft die Feuerholz- und Holzkohleproblematik. Denn in den Philippinen kochen 65 Millionen Menschen jeden Tag mit Holz und treiben so die Entwaldung unerbittlich voran. Das Start-up von Jackie Yap, HiGi Energy, will beiden Übeln mit einem Schlag ein Ende setzen, indem es die Wasserhyazinthen in Holzkohle verwandelt. Damit würde sowohl der Verbreitung der Pflanze als auch der Abholzung der Wälder entgegengewirkt werden.


    Ein vollständiges Bild

    Da wir es mit einzelnen Menschen zu tun haben, und nicht mit ganzen Generationen, dürfen wir nicht vergessen, dass die Millennials mit ihren Wertvorstellungen das Nachhaltigkeitsproblem nicht auf Knopfdruck lösen werden.

    Sie stehen aber für einen Trend, wonach sich die Anzahl der nachhaltigen Anlagechancen in den kommenden Jahren erhöhen dürfte, ungeachtet der Generation, der ein Unternehmer angehört.

    Genauso wichtig sind aber Fakten. Und die Anleger tun gut daran, diese nicht aus den Augen zu verlieren. Vielen Millennials ist die nachhaltige Entwicklung ein wichtiges Anliegen. Aber wenn sich ihr Verhalten auf falsche Informationen stützt, dann nützen auch die besten Absichten nichts.

    Im Rahmen einer Umfrage5 gaben 40% der Millennials an, sie würden Bio-Produkte kaufen, um „grün“ zu leben. Bei der Generation X waren es lediglich 32% und bei den Baby Boomern gar nur 28%. Obwohl viele Bio-Produkte tatsächlich nachhaltig sind, wäre es falsch zu glauben, dass Bio-Produkte per se unbedingt nachhaltig sind. So sind einige Bio-Pflanzenschutzmittel umweltschädlicher als herkömmliche Pestizide6. Manche Bio-Produkte, etwa Milch, Zerealien und Schweinefleisch, erzeugen mehr Treibhausgase als ihre herkömmlichen Pendants. Zudem nimmt die Bio-Landwirtschaft mehr Ackerflächen in Anspruch, um dieselben Erträge zu erzielen7.

    Zudem nimmt die Bio-Landwirtschaft mehr Ackerflächen in Anspruch, um dieselben Erträge zu erzielen.

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    Dieses Pendel kann nach beiden Seiten ausschlagen. Während nahezu die gesamte Wissenschaft von der Sicherheit und der grossen Bedeutung genetisch modifizierter Organismen (GMOs) für die weltweite Bekämpfung des Hungers überzeugt ist, stehen Millennials diesen – auch aufgrund fehlenden Wissens – negativ gegenüber8. Oder nehmen wir Kernenergie. Sie ist sicherer und nachhaltiger als fossile Brennstoffe und leichter in grossem Umfang zu nutzen als erneuerbare Energie9. Eigentlich sollten sich Millennials also dafür stark machen. Doch Unfälle wie die Super-GAUs in Tschernobyl und Fukushima – von Hiroshima und Nagasaki ganz zu schweigen – haben die Wahrnehmung getrübt. Die Mythen der Kernenergie verschmelzen hier, wie es zu erwarten ist, auf tragikomische Weise mit den Werten der Millennials. Eine Studie ergab, dass 41% der Befragten unter 55 Jahren den Anteil der Kernenergie zurückdrängen wollen. Bei den über 55-jährigen waren es lediglich 34%10.

    Dieselbe Umfrage ergab zudem, dass besser ausgebildete Menschen eher meinen, Kernenergie sei sicher und deshalb den Bau neue Kernkraftwerke befürworten. Dieses Ergebnis unterstreicht, wie wichtig Bildung ist, um die Werte der Millennials am derzeitigen Stand der Wissenschaft auszurichten.

    Verantwortungsbewusste Anleger haben heute aber ausreichend Einfluss, um nicht nur erklärte Nachhaltigkeit, sondern auch nachweisbare Nachhaltigkeit zu fordern.

    Verantwortungsbewusste Anleger haben heute aber ausreichend Einfluss, um nicht nur erklärte Nachhaltigkeit, sondern auch nachweisbare Nachhaltigkeit zu fordern. Zu diesem Zweck müssen Unternehmen Produkte und Leistungen schaffen, die nicht nur dem Namen nach nachhaltig sind, sondern deren Nachhaltigkeit auch wissenschaftlich belegt ist.

    Millennials sind für den Erfolg gerüstet, aber sie benötigen Hilfe. Es braucht Anleger, die ihre Ideen finanzieren und sie an ihren eigenen Massstäben der Nachhaltigkeit messen.

    Millennials sind für den Erfolg gerüstet, aber sie benötigen Hilfe. Es braucht Anleger, die ihre Ideen finanzieren und sie an ihren eigenen Massstäben der Nachhaltigkeit messen. Deshalb versprechen Anlagen in nachhaltige Start-ups mehr als nur eine hohe Rendite. Denn sie bieten auch die Chance, die begabtesten Mitglieder der nächsten Generation zu fördern und einen Beitrag zur nachhaltigen Zukunft der Menschheit zu leisten.

    Biografie

    Jonathon Mulholland ist ein britischer Autor mit einem akademischen Hintergrund in Philosophie und Psychologie. Zu seinen Interessen zählen Wissenschaft, Technologie, Geschichte, Religion, säkulare Spiritualität und bewusstes Leben. Seinen Blog finden Sie unter thedeliberative.com.

    Bitte beachten Sie, dass diese Einschätzungen die Ansicht von Jonathon Mulholland und nicht zwangsläufig jene der Lombard Odier Gruppe widerspiegeln.
    1 Brookings 
    2 Brookings 
    3 Deloitte 
    4 HSBC 
    5 Organic Trade Association 
    6 Science Daily 
    7 The Guardian
    8  Linnhoff et al., 2017
    9 CNN
    10 Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

     

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