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    „Der Übergang ist eine industrielle Revolution” – Hubert Keller, Senior Managing Partner

    „Der Übergang ist eine industrielle Revolution” – Hubert Keller, Senior Managing Partner

    Veröffentlicht in Le Temps, 1. Mai 2023

    Seit mehreren Jahren konzentriert sich Lombard Odier in ihrer Kommunikation auf eine nachhaltige Finanzwirtschaft. Diese noch junge Anlageform wird von den einen als unverzichtbar für die Rettung des Planeten angesehen, während andere darin nur ein Marketingthema sehen. Für die Genfer Privatbank ist sie eine Quelle zusätzlicher Performance für Investitionen – vorausgesetzt, sie setzt auf die Gewinner des ökologischen Wandels, erklärt Hubert Keller, Senior Managing Partner seit Anfang 2023; bereits seit 2020 teilt er diese Position mit Patrick Odier. Der Bankier beschreibt auch die wesentliche Rolle von Erdölgesellschaften beim Übergang und betont, dass eine Bank keine vorschreibende oder moralisierende Rolle haben sollte, wenn es um die nachhaltige Finanzwirtschaft geht.

     

    Was versteht Lombard Odier unter nachhaltiger Finanzwirtschaft?

    Für uns ist Nachhaltigkeit und insbesondere der ökologische Wandel eine starke Anlageüberzeugung. Die Weltwirtschaft strukturiert sich in dem Masse um, in dem der ökologische Wandel Gestalt annimmt. Wir glauben, dass wir es mit der grössten industriellen Revolution zu tun haben, die meine Generation je erlebt hat. Wahrscheinlich ist es die wichtigste Revolution der Geschichte. Das Ausmass und der Umfang dieser Umstrukturierung werden häufig unterschätzt. Doch diese werden die Anlagelandschaft komplett verändern.

     

    Inwiefern?

    Wir glauben, dass wir von einer Wirtschaft mit Fokus auf fossiler Energie zu einem Modell übergehen, das sich auf erneuerbare Energien stützt. Aktuell entwickelt sich eine neue wirtschaftliche Beziehung zu unserem Naturkapital. Rund um den Abbau und die Nutzung von Rohstoffen bildet sich ein neues Wirtschaftsmodell heraus. Hinzu kommen die Kohlenstoffmärkte, die sehr wichtig werden könnten.

     

    Welche Faktoren sind entscheidend?

    Das Hauptziel besteht darin, die Unternehmen – unabhängig von ihrer Grösse – zu ermitteln, die sich für diese neue Wirtschaft positionieren. Wir versuchen zu verstehen, welche technologischen Lösungen erforderlich sind, um den ökologischen Wandel zu vollziehen. Derzeit existieren bereits etwa 90% dieser Lösungen. Ein Grossteil von ihnen kann bald breite Anwendung finden. In dem Masse, wie sich diese Lösungen entwickeln, transformieren sie ganze Wirtschaftssektoren und verändern deren Gewinnstrukturen.

    Wir glauben, dass wir es mit der grössten industriellen Revolution zu tun haben, die meine Generation je erlebt hat. Wahrscheinlich ist es die wichtigste Revolution der Geschichte

    Welche Entwicklung wird beispielsweise die Automobilbranche nehmen?

    Man bedenke, dass die Automobilbranche künftig auf Elektrofahrzeuge setzen wird. Das bedeutet, dass diese Erträge bis 2030 um 30% steigen könnten. Die Autobauer werden nicht mehr nur Fahrzeuge, sondern ausschliesslich Elektroautos produzieren. Sie werden auch Batterien in grösserem Massstab verkaufen, wodurch die Verbraucher zu Energieproduzenten oder -versorger werden.

     

    Was analysieren Sie bei einem Unternehmen? Wie es funktioniert oder was es produziert?

    Man muss zwischen dem „Wie“ und dem „Was“ unterscheiden. Im Wesentlichen umfasst das „Wie“ das ESG-Management, die Unternehmenspraktiken aus ökologischer Sicht sowie soziale und Governance-Aspekte. Doch wir glauben, dass dieser auf das „Wie“ fokussierte Ansatz nicht den entscheidenden Unterschied der Managementleistungen erkennen lässt, die unsere Kundinnen und Kunden von uns erwarten.

    Diese Leistungen hängen vom Geschäftsmodell eines Unternehmens ab – sowie von seiner Strategie, um Chancen in Verbindung mit dem ökologischen Wandel zu nutzen. Das ist für uns das „Was“. Verantwortungsbewusste Anlegerinnen und Anleger betrachten das „Wie“. Den Ausschlag für unsere Anlageentscheidungen aber gibt das „Was“.

     

    Wenn ein Kunde Ihnen sagt, dass er Ölunternehmen sehr schätzt: In welcher Kategorie können sich diese Unternehmen befinden?

    Wir möchten, dass unsere Kundinnen und Kunden Nachhaltigkeitsaspekte in ihrem Portfolio leichter nachvollziehen können. Daher ordnen wir die Unternehmen, in die wir investieren, anhand von zwei wesentlichen Fragen ein: Tragen sie erheblich zum ökologischen Wandel bei? Oder schaden sie ihm? Heute kann man nicht einfach davon ausgehen, dass ein Ölunternehmen den Klimawandel beschleunigt. Aber je nach Geschwindigkeit seiner möglichen Transformation kann es einen mehr oder weniger negativen Beitrag leisten. Das hängt vom einzelnen Unternehmen ab.

     

    Hat dieser Sektor eine wichtige Rolle einzunehmen?

    Eine ganz wesentliche Rolle. Zunächst können die Ölriesen durch ihre Finanzmacht eine Rolle beim Ausbau der Infrastruktur für erneuerbare Energien spielen. Das könnte übrigens deren Geschäftsmodelle vollständig transformieren. Diese Unternehmen könnten eine wichtige Rolle bei der Schaffung einer umgekehrten Ölindustrie spielen: Diese fördert kein Öl mehr. Stattdessen bringt sie Kohlendioxid, das aus der Atmosphäre entfernt werden muss, wieder in den Boden ein, um bei den Treibhausgasemissionen das Netto-Null-Ziel zu erreichen.

     

    Laut SSF, dem Dachverband für nachhaltige Finanzwirtschaft in der Schweiz, konzentrieren sich die beiden am häufigsten von Schweizer Fondsmanagern praktizierten Anlagestile auf Ausschlüsse und die Berücksichtigung von ESG-Kriterien. Welche Gültigkeit messen Sie diesen Ansätzen bei?

    Generell habe ich Vorbehalte gegenüber Ausschlüssen im grossen Stil. Aber diese Kriterien haben durchaus ihre Berechtigung, wenn es um verantwortungsvolles Investieren geht – allerdings nicht zur Erzielung einer Performance.

    Verantwortungsbewusste Anlegerinnen und Anleger betrachten das „Wie“. Den Ausschlag für unsere Anlageentscheidungen aber gibt das „Was“

    Rund um die nachhaltige Finanzwirtschaft herrscht grosse Verwirrung. Instinktiv könnte man denken, es handele sich um Investitionen, die dem Planeten zugutekommen. Aber das ist nicht zwangsläufig der Fall. Besteht nicht das Risiko, dass die Aufmerksamkeit und die Ressourcen von den wahren Bedürfnissen abgelenkt werden?

    Es ist sogar noch viel schlimmer. Ölunternehmen, die wenig für den Wandel tun, aber geschickt die „Wie“-Karte spielen – d.h. solide Praktiken bei der Unternehmensführung vorweisen – erhalten relativ hohe ESG-Bewertungen. Für Portfolios auf der Grundlage von ESG-Bewertungen besteht daher ein höheres Risiko für Greenwashing.

     

    Würden Sie – wie einige Beobachter – sagen, dass ESG-Management eine Täuschung ist?

    Unsere Branche hat ESG-Kriterien, die sich auf Unternehmenspraktiken beziehen, leider häufig zu stark als Modell für nachhaltiges Management herangezogen. Für viele Kundinnen und Kunden ist das eine grosse Enttäuschung: Sie merken, dass sie damit weiterhin in Unternehmen investieren, deren Aktivitäten und Geschäftsmodelle der Förderung oder Beschleunigung des ökologischen Wandels nicht dienlich sind. Ausserdem ist mittlerweile erwiesen, dass die Einbeziehung von ESG-Kriterien, die sich auf Unternehmenspraktiken beziehen, keine zusätzliche Performance bringt.

    Das bedeutet, dass man sich zwischen verantwortungsvollem Engagement und langfristiger Gewinnerzielung entscheiden müsste. Genau das wollen wir jedoch nicht tun: Es ist von entscheidender Bedeutung, beides zu erreichen.

     

    Welcher Anteil an Vermögenswerten wird bei Ihnen nachhaltig verwaltet?

    Betrachtet man Nachhaltigkeit aus dem Blickwinkel des „Wie“, also der ESG-Kriterien in Verbindung mit den Unternehmenspraktiken, ist der Anteil gross. Wir sprechen hier von knapp 200 Milliarden Franken. Anders sieht es aus, wenn man das „Was“ in den Mittelpunkt rückt: also Unternehmen, die gut aufgestellt sind, um die neuen Gewinnpools in Verbindung mit dem Wandel unserer Wirtschaft hin zu ökologischer Nachhaltigkeit zu nutzen. Hier liegen wir bei rund fünf Milliarden. Unser Ziel ist es jedoch, diesen Anlagenbestand durch neue Anlageprodukte rasch zu vergrössern – in unterschiedlichen Anlageklassen und in privaten und öffentlichen Märkten. In den letzten Monaten haben wir mehrere Fonds aufgelegt. Sie betreffen vor allem die Kreislaufwirtschaft, die Zukunft der Ernährungssysteme und Kohlenstoff. Weitere werden bald folgen.

    In den letzten Jahren sprachen Sie viel über Nachhaltigkeit. Was empfahlen Sie Ihren Kundinnen und Kunden in diesem Zusammenhang? ESG-Fonds?

    Wie einige unserer Peers haben wir mit dem „Wie“ begonnen – sprich, den ESG-Kriterien basierend auf den Unternehmenspraktiken. Dann zählten wir zu den ersten, die sich dem „Was“ zuwandten – also den Geschäftsmodellen. Der Forschungsaufwand, um diesen ökologischen Wandel richtig zu verstehen, ist immens. Wir haben in den letzten Jahren viel in unsere Teams investiert. Heute verfügen wir über mehr als 50 Spezialistinnen und Spezialisten. Sie untersuchen die wissenschaftlichen Aspekte des ökologischen Wandels. Und sie beschäftigen sich mit der Frage, wie die Wirtschaftssysteme sich transformieren, wenn dieser Wandel Gestalt annimmt.

    Heute verfügen wir über mehr als 50 Spezialistinnen und Spezialisten. Sie untersuchen die wissenschaftlichen Aspekte des ökologischen Wandels. Und sie beschäftigen sich mit der Frage, wie die Wirtschaftssysteme sich transformieren, wenn dieser Wandel Gestalt annimmt

    Gehören Sie persönlich eher der Fraktion Tesla oder Ferrari an?

    Tesla natürlich! Aber nicht, weil es ein Elektrofahrzeug ist, sondern eher, weil es das beste Auto ist, das ich je gefahren bin.

     

    Eine weitere persönliche Frage: Ihr Vater war Teilhaber bei Lombard Odier. Wollten Sie gerne in seine Fussstapfen treten?

    Das kam eher etwas überraschend. Meine berufliche Laufbahn habe ich bei einer Anlagebank begonnen: Ich bin nach England gegangen, als ich noch recht jung war. Dort habe ich etwa fünfzehn Jahre verbracht, erst bei SG Warburg, dann bei Morgan Grenfell, die von der Deutschen Bank übernommen wurden. Dort war ich tätig, bis mir die Funktion bei Lombard Odier angeboten wurde.

     

    Wie sehen Sie die Funktion des Senior Partners? Wie sind Sie dorthin gekommen?

    Die Funktion des Senior Partners besteht darin, Gespräche unter den Teilhabenden zu organisieren, Themen voranzutreiben und eine gewisse Neutralität bei den Debatten zu wahren. Alle Entscheidungen im Zusammenhang mit der Unternehmenstätigkeit erfolgen einstimmig. Der Senior Partner überwacht im Gegensatz zu den anderen Teilhabenden nicht die operative Tätigkeit. Seine Aufgabe ist es, unter den Geschäftsführenden Teilhabenden einen Konsens herbeizuführen.

     

    Mussten Sie für diese Funktion Ihre Arbeits- oder Interaktionsweise ändern? Als Sie die Vermögensverwaltung leiteten, eilte Ihnen der Ruf voraus, sehr direkt und gelegentlich auch hart zu sein. Ist das immer noch der Fall?

    Die Rolle des Senior Partners ist kollegial geprägt. Das ist eine ganz andere Funktion als die operative Leitung einer Geschäftseinheit. Bei Lombard Odier wird mit dieser Aufgabe betraut, wer am längsten im Kollegenkreis tätig ist. Denn es ist wichtig, mit diesem Modell der Unternehmensführung und der einzigartigen Kultur unseres Hauses vertraut zu sein.

    Wichtige Hinweise.

    Die vorliegende Marketingmitteilung wurde von der Bank Lombard Odier & Co AG oder einer Geschäftseinheit der Gruppe (nachstehend “Lombard Odier”) herausgegeben. Sie ist weder für die Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung in Rechtsordnungen bestimmt, in denen eine solche Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung rechtswidrig wäre, noch richtet sie sich an Personen oder Rechtsstrukturen, an die eine entsprechende Abgabe rechtswidrig wäre.

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