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    „Es braucht Anreize, um den Wandel zur Nachhaltigkeit voranzutreiben“ – ein Interview mit Patrick Odier

    „Es braucht Anreize, um den Wandel zur Nachhaltigkeit voranzutreiben“ – ein Interview mit Patrick Odier

    Interview veröffentlicht in Le Figaro, 25. November 2022

    Der Senior Managing Partner der Bank Lombard Odier fordert die Regierungen auf, mehr Anreize für Unternehmen zu schaffen.

    Nach enttäuschender COP27 ruft der Bankier Europa dazu auf, sich vom Unterstützungsprogramm des US-Präsidenten Biden inspirieren zu lassen.


    Verzögert die Energiekrise Investitionen in die Energiewende?

    Diese Krise ist eine Chance: Sie zwingt uns dazu, nach alternativen Lösungen, anderen Energiequellen und anderen Lieferanten zu suchen. Wie bereits während der Covid-Krise haben die Regierungen massive Budgetbeschlüsse gefasst, die einen beschleunigten Einsatz von Kapital ermöglichen. Der US Inflation Reduction Act (IRA) – das US-Inflationsbekämpfungsgesetz – ist ein gewaltiges, einzigartiges Programm für ökologische und soziale Reformen mit Investitionen von mehreren hundert Milliarden Dollar. Bei der Energiewende hat der Markt versagt. Die Rolle des Staates und des privaten Sektors muss daher neu definiert werden. Das ist durchaus positiv: Die Führungsrolle der Grossmächte bewirkt, dass Investitionen getätigt werden. Auch in Europa sind die Möglichkeiten und entsprechenden Mittel vorhanden. Die Staaten müssen sie nur nutzen.

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    Warum hat der Markt versagt?

    Wir dürfen nicht in die Falle tappen: für den Wandel zur Nachhaltigkeit nur einen einzigen Sektor verantwortlich zu machen, und andere wegzulassen. Es gilt, ein Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Stakeholdern – der Wirtschaft, der Gesellschaft und der Politik – herzustellen. Die Wirtschaft hat in den letzten Jahren grosse Fortschritte erzielt. Der Finanzsektor vereinfacht und beschleunigt diesen Wandel. Er bietet echte Investitionsmöglichkeiten. So können Mittel mobilisiert werden, und ein positiver Kreislauf entsteht. Da es schwierig ist, alle Beteiligten zu einer Einigung zu bringen, wie auf COP27 deutlich wurde, fordern die Unternehmen Rahmenbedingungen, damit sie sich in die richtige Richtung bewegen können. Die Regierungen müssen sich konkreter zu ihren Verpflichtungen bekennen. Unsere Aufgabe ist es, Ressourcen auf der Grundlage einer Risiko-Rendite-Abwägung zuzuweisen. Die Staaten sollten sich bei der Bekämpfung der globalen Erwärmung hiervon inspirieren lassen.

    Der Finanzsektor vereinfacht und beschleunigt diesen Wandel. Er bietet echte Investitionsmöglichkeiten. So können Mittel mobilisiert werden, und ein positiver Kreislauf entsteht

    Sind wir nicht zu langsam bei der Reduzierung der Treibhausgasemissionen?

    Wir sollten nicht bestimmte Sektoren und Tätigkeitsbereiche an den Pranger stellen. Wir werden noch sehr lange von verschiedenen Rohstoffen abhängig sein, die unserem Planeten schaden. Vorläufig können wir nicht auf Öl und Gas verzichten. Stahl kann nicht über Nacht ersetzt werden, und Zement, Aluminium sowie Kunststoffe bleiben für unsere Wirtschaft unerlässlich. Die Umstellung auf kohlenstoffarme Energien wird Zeit brauchen, und wir müssen diese Tatsache akzeptieren. Wir müssen diese Sektoren weiterentwickeln, indem wir uns mit der gesamten Wertschöpfungskette auseinandersetzen – von der Gewinnung der Ressourcen bis hin zum Recycling und zur Nutzung. Wir müssen einen Konsens finden und uns auf die Dauer und das Tempo des Wandels einigen. Dieses Zeitkonzept ist entscheidend, auch um den Wandel in sozialer Hinsicht gerecht zu gestalten.

    Allerdings drängt die Zeit, wie die Anzeichen des Klimawandels zeigen.

    Angst war noch nie ein guter Berater. Öko-Angst macht es noch schwieriger, einen Konsens darüber zu erzielen, wie wir wirksam handeln können. Wir müssen einen realistischen Zeithorizont definieren. Das Ziel der CO2-Neutralität bis 2050 ist ehrgeizig. Im Moment bewegen wir uns nicht in die richtige Richtung. Warum können wir uns nicht auf einen Kohlenstoffpreis einigen? Wir dürfen die Beziehungen zwischen den Ländern des Nordens und des Südens, dem Westen und dem Osten, der entwickelten Welt und den Schwellenländern nicht ausser Acht lassen. Dass einige Länder ihre fossilen Ressourcen ausbeuten wollen, liegt daran, dass ihr Umwandlungspotenzial nicht hinreichend untersucht worden ist. Ausserdem muss die Frage der Entschädigung und der Anreize geklärt werden.

    Dieses Zeitkonzept ist entscheidend, auch um den Wandel in sozialer Hinsicht gerecht zu gestalten

    Statt die Wirtschaftsakteure für ihre negativen Auswirkungen zur Kasse zu bitten, sollten sie in die Lage versetzt werden, diese Mittel zu mobilisieren, um den notwendigen Wandel zum Positiven zu finanzieren. Das gilt beispielsweise für die Landwirtschaft, in der eine Revolution stattfinden muss. Auch dann, wenn es teurer ist, nachhaltig zu produzieren. Das Normensystem muss sich ändern.

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    Wenn man zehn Jahre im Voraus die Einführung von Beschränkungen ankündigt, haben die Wirtschaftsakteure Zeit, sich darauf einzustellen. Doch das ist nicht genug. Aufgabe der Politik ist es, einen Rahmen für Anreize zu schaffen, die den Wandel vorantreiben. Dabei müssen alle Hebel in Bewegung gesetzt werden: Schulungen, öffentliche und institutionelle Mittel, aber auch steuerliche und aufsichtsrechtliche Hebel. Beispielsweise sollte eine Risikoverteilung bei der Finanzierung neuer Infrastrukturen für die Energieerzeugung sichergestellt werden.


    Der ökologische Wandel ist inflationär. Ist das eine Bedrohung für die Wirtschaft?

    Die Umstellung auf eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft wird auf kurze Sicht eine inflationäre Komponente haben, und das müssen wir akzeptieren. Wir können das Ganze aber auch in eine mittelfristige Vision für die Welt einbeziehen. Wir sollten keine Angst vor einer moderaten Inflation haben, insbesondere weil es Möglichkeiten gibt, damit zu leben. Einer der Hebel ist die gigantische technologische Revolution, die diesen industriellen Wandel begleitet und Produktivitätssteigerungen ermöglicht. Ein anderer besteht darin, Unterstützungsmassnahmen zu finden, um die Belastung für diejenigen zu verringern, die am meisten von dieser Inflation betroffen sind.

    Wir dürfen nicht mehr zulassen, dass Menschen nicht das tun, was sie versprechen. Die Lösung besteht in mehr Transparenz

    „Greenwashing“-Vorwürfe häufen sich. Wie kann das vermieden werden?

    Wir müssen die Diskussion und die Kritik zu diesem Thema in Kauf nehmen. Greenwashing bedeutet, dass man nicht tut, was man sagt. Der Finanzsektor, der bei der Finanzierung des ökologischen Wandels eine Vorreiterrolle einnimmt, ist unter Beschuss geraten, manchmal aus gutem Grund.

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    Die bestehenden Regeln müssen umgesetzt werden: Wenn der Sparer getäuscht wird, muss das juristische Konsequenzen haben. Solche Machenschaften können überall vorkommen, auch unter Wissenschaftlern – die manchmal voreingenommen argumentieren – sowie unter Industriellen oder Politikern. Wir dürfen nicht mehr zulassen, dass Menschen nicht das tun, was sie versprechen. Die Lösung besteht in mehr Transparenz. Die Abstrafung wird durch Kundinnen und Kunden, Märkte, Regulierungsbehörden und Mitarbeitende erfolgen. Die Unternehmen können nur gewinnen: Diejenigen, die im Kampf gegen die globale Erwärmung am wirkungsvollsten sind, werden es leichter haben, Talente sowie Anlegerinnen und Anleger anzuziehen.

    Wichtige Hinweise.

    Die vorliegende Marketingmitteilung wurde von der Bank Lombard Odier & Co AG oder einer Geschäftseinheit der Gruppe (nachstehend “Lombard Odier”) herausgegeben. Sie ist weder für die Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung in Rechtsordnungen bestimmt, in denen eine solche Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung rechtswidrig wäre, noch richtet sie sich an Personen oder Rechtsstrukturen, an die eine entsprechende Abgabe rechtswidrig wäre.

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