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    Warnung vor dem Wendepunkt: 5 Wege, um Zeit für Netto-Null zu gewinnen und sich auf negative Netto-Emissionen vorzubereiten

    Einer berühmt gewordenen Analogie1 zufolge befinden wir uns in einem Countdown zu einer Katastrophe. Wie eine Sanduhr, der wir zuschauen können, wie die Zeit verrinnt.

    Wir alle wissen, dass das Ausmass des Klimawandels von der Menge an CO2 abhängt, die wir in die Atmosphäre ausstossen. Dieser Prozess ist vergleichbar mit einer Badewanne mit einem tropfenden Wasserhahn. Es wird zwar lange dauern, bis sich die Wanne füllt, doch irgendwann wird es soweit sein, wenn wir den Hahn nicht ganz zudrehen. Wenn wir ihn tropfen lassen – oder, noch schlimmer, ihn weiter aufdrehen –, wird die Wanne in absehbarer Zeit überlaufen. Dieser Moment, ab dem die Wanne überläuft, ist vergleichbar mit dem ökologischen Kipppunkt, an dem wir so viel CO2 in die Atmosphäre freigesetzt haben, dass der Klimawandel unumkehrbar wird und möglicherweise unsere Umwelt zerstört. Dieses Modell ist offensichtlich nicht mehr nachhaltig.

    Wenn wir eine Chance haben wollen, die globale Erwärmung zu begrenzen und letztendlich umzukehren, müssen wir Netto-Null zu einer der wichtigsten Prioritäten dieses Jahrhunderts machen


    Netto-Null bedeutet ganz einfach, dass wir den CO2-Hahn zudrehen. Wenn wir eine Chance haben wollen, die globale Erwärmung zu begrenzen und letztendlich umzukehren, müssen wir Netto-Null zu einer der wichtigsten Prioritäten dieses Jahrhunderts machen.

    Was aber, wenn es bei Netto-Null um mehr geht, als nur den Wasserhahn zuzudrehen?


    Der andere Faktor

    Wie stark der Wasserhahn tropft, wirkt sich natürlich auf das Tempo aus, mit dem der Wasserspiegel steigt, aber das ist nicht der einzige entscheidende Faktor. Denn Badewannen haben auch einen Abfluss. Je mehr Wasser abfliesst, desto länger dauert es, die Wanne zu füllen.

    So verhält es sich auch mit den Kohlenstoffsenken der Erde – Ökosystemen wie unseren Wäldern, Böden und Ozeanen. Obwohl wir weiterhin CO2 in die Atmosphäre abgeben, wirken sie als natürliche Dekarbonisierungssysteme. Die Bedeutung dieser Kohlenstoffsenken kann nicht genug betont werden. Ohne sie hätte das CO2, das wir bereits emittiert haben, bereits einen unumkehrbaren, verheerenden Klimawandel verursacht.

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    Die gute Nachricht ist, dass die Geschwindigkeit des CO2-Abbaus nicht unveränderlich ist. Wir können sowohl die Kapazität bestehender, natürlicher Kohlenstoffsenken erhöhen als auch neue, künstliche Möglichkeiten entwickeln, um der Atmosphäre CO2 zu entziehen. Und selbst wenn wir daran arbeiten, unseren CO2-Hahn zuzudrehen, ist es von entscheidender Bedeutung, unseren Fokus auch darauf zu richten, Kohlenstoffsenken zu erhalten, zu erweitern und zu schaffen. Und das aus zwei Gründen.

    Erstens ist der Weg zu Netto-Null lang und in einigen Bereichen noch unklar – insbesondere in Branchen mit schwer reduzierbaren Emissionen. Um Netto-Null zu erreichen, benötigen wir neben Innovationsgeist und Willensstärke vor allem eins: Zeit. Mit Investitionen in Kohlenstoffsenken gewinnen wir diese Zeit, die wir benötigen, um den CO2-Hahn zuzudrehen, bevor wir den Kipppunkt erreichen.

    Zweitens müssen wir zwar den Wasserhahn zudrehen, damit der Wasserspiegel nicht weiter steigt, doch um den Wasserspiegel zu senken, müssen wir auch den Stöpsel ziehen und Wasser abfliessen lassen. Auch nachdem wir Netto-Null-Emissionen erreicht haben, müssen wir den Stöpsel für das CO2 ziehen, das sich bereits in der Atmosphäre befindet, wenn wir die Auswirkungen des Klimawandels umkehren wollen. Je mehr wir jetzt in unsere Kohlenstoffsenken investieren, desto besser sind unsere Aussichten, die negativen Netto-Emissionen zu erreichen, die wir zur Dekarbonisierung der Atmosphäre dringend benötigen.

    Je mehr wir jetzt in unsere Kohlenstoffsenken investieren, desto besser sind unsere Aussichten, die negativen Netto-Emissionen zu erreichen, die wir zur Dekarbonisierung der Atmosphäre dringend benötigen


    Fünf Kohlenstoffsenken, mit denen wir Netto-Null erreichen und den Klimawandel umkehren könnten


    1. Unsere Wälder schützen und erneuern

    Die Fotosynthese entzieht der Atmosphäre erhebliche Mengen an CO2, was unsere Wälder zu einer unserer wichtigsten natürlichen Kohlenstoffsenken macht. Weniger Entwaldung und mehr Aufforstung und Wiederaufforstung werden daher dazu beitragen, die Kapazität dieses besonderen Dekarbonisierungssystems zu erweitern.

    Anleger sollten daher Unternehmen bevorzugen, die Abholzung von Wäldern bei der Herstellung ihrer Produkte vermeiden oder, wo das nicht möglich ist, sich zur Wiederaufforstung verpflichten und idealerweise mehr Bäume pflanzen als sie abholzen.

    Es gibt auch indirekte Wege, unsere Wälder zu unterstützen. So würden beispielsweise Investitionen in Innovationen, die dazu beitragen können, mehr Nahrungsmittel auf weniger Fläche zu produzieren, nicht nur die Landwirtschaft effizienter gestalten, sondern es auch ermöglichen, Felder wieder in Wälder zu verwandeln, ohne die Erträge zu beeinträchtigen.

    Die Fotosynthese entzieht der Atmosphäre erhebliche Mengen an CO2, was unsere Wälder zu einer unserer wichtigsten natürlichen Kohlenstoffsenken macht

    2. Die natürlichen Kohlenstoffzyklen der Ozeane stärken

    Wir betrachten unsere Ozeane oft als eine grosse Kohlenstoffsenke, doch in Wirklichkeit entziehen sie der Atmosphäre auf viele verschiedene Arten CO2 – und jede davon könnte einen Weg eröffnen, die Dekarbonisierungskapazität der Ozeane zu steigern.

    Wie Wälder entziehen auch Meerespflanzen wie Meeresalgen der Atmosphäre durch Fotosynthese viel CO2. Durch den Anbau solcher Pflanzen könnte noch mehr abgeleitet werden. Gleichzeitig könnte den Ozeanen Mineralien zugeführt werden, um mehr CO2 in Form von gelöstem Bikarbonat zu binden. Wir könnten sogar nährstoffreiches Wasser aus den Tiefen der Ozeane an die Oberfläche pumpen und dadurch Algenblüten erzeugen, die CO2 aus der Atmosphäre binden würden.

    Wir müssen viele Optionen erforschen und ihre möglichen Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft viel gründlicher untersuchen, bevor wir es riskieren können, auch nur eine dieser Methoden in grossem Stil zu verfolgen. Und da diese Methoden wohl kaum marktfähig sein werden, brauchen wir auch mehr Bereitschaft seitens der politischen Entscheidungsträger, solche Kohlenstoffsenken als öffentliches Gut zu finanzieren, damit diese Methoden wirtschaftlich tragfähig werden.


    3. Kohlenstoff in landwirtschaftlichen Böden binden

    Jahrtausendelang kam der auf natürliche Weise in den Böden gebundene Kohlenstoff unmittelbar der Landwirtschaft zugute – je mehr Kohlenstoff im Boden, desto ergiebiger ist normalerweise die Ernte. Im Zuge des Bevölkerungswachstums waren die Bauern jedoch gezwungen, ihre Felder intensiver zu nutzen, um mit der steigenden Nachfrage Schritt zu halten. Infolgedessen wurde aus landwirtschaftlichen Böden sehr viel CO2 freigesetzt. Das erschwert es, die Ernteerträge aufrechtzuerhalten.

    Wege zu finden, mehr Kohlenstoff in landwirtschaftlichen Böden zu speichern, wäre in dreifacher Hinsicht von Nutzen: Der Atmosphäre würde Kohlendioxid entzogen, die Nahrungsmittelproduktion würde steigen, und den Bauern wäre geholfen


    Wege zu finden, mehr Kohlenstoff in landwirtschaftlichen Böden zu speichern, wäre in dreifacher Hinsicht von Nutzen: CO2 würde der Atmosphäre entzogen, die Nahrungsmittelproduktion würde gesteigert, und die Bauern, von denen viele zu kämpfen haben, würden in die Lage versetzt, Gewinne zu erzielen. Und die Wege sind zahlreich: vom Anbau von Zwischenfrüchten in der Nebensaison, die nicht zur Ernte, sondern zur ganzjährigen CO2-Speicherung bestimmt sind, bis hin zur Verwendung neu entwickelter Pflanzen, deren Wurzeln tiefer wachsen und die entsprechend mehr Kohlenstoff im Boden binden als ihre flachwurzelnden Pendants.

    Hier gibt es zwei grosse Herausforderungen: Erstens gilt es herauszufinden, welche Methoden langfristig am effektivsten sind – eine Frage, die nicht nur Gegenstand laufender Debatten ist, sondern auch dadurch erschwert wird, dass lokale Bedingungen ebenfalls eine wichtige Rolle spielen. Zweitens sind bessere Böden allein wahrscheinlich kein ausreichender Anreiz, um Veränderungen in dem Umfang zu bewirken, den wir brauchen, damit die CO2-Bindung in landwirtschaftlichen Böden einen signifikanten Unterschied macht. So ist neben der finanziellen Unterstützung durch Regierungen auch wichtig, dass verantwortungsbewusste Anleger landwirtschaftliche Unternehmen bevorzugen, die sich verpflichtet haben, ihre Praktiken zu verbessern, und die Branche auf diese Weise ermutigen, der CO2-Bindung in landwirtschaftlichen Böden hohe Priorität einzuräumen.


    4. Bioenergie mit Kohlenstoffabscheidung und -speicherung kombinieren

    Die Fotosynthese bindet Kohlenstoff nicht nur in unseren Wäldern – jede Pflanze auf der Erde ist im Grunde ihre eigene kleine Kohlenstoffsenke. Und da ein grosser Teil dieser Biomasse dazu verwendet werden kann, fossile Brennstoffe bei der Energieerzeugung zu ersetzen, könnte ihr Anbau zu diesem Zweck den CO2-Gehalt in der Atmosphäre deutlich reduzieren – vorausgesetzt, er wird mit Kohlenstoffabscheidung und -speicherung (CCUS) kombiniert. Hierbei kommen verschiedene Technologien zum Einsatz, um das bei der Erzeugung von Bioenergie emittierte CO2 einzufangen, bevor es als Emission in die Atmosphäre gelangt. Anschliessend kann das CO2 entweder mithilfe mineralischer oder geologischer Speichermethoden gebunden oder zur Herstellung von Produkten verwendet werden – idealerweise solchen, die langlebig sind, wie etwa Beton.

    Die Fotosynthese bindet nicht nur Kohlenstoff in unseren Wäldern – jede Pflanze auf der Erde ist im Grunde ihre eigene kleine Kohlenstoffsenke


    Ein Problem in diesem Zusammenhang ist die Menge an Land, die wir für den Anbau geeigneter Pflanzen bräuchten. Wenn dieser Anbau nicht sorgfältig durchgeführt wird, besteht die Gefahr, die Kapazität der  Nahrungsmittelproduktion einzuschränken oder empfindlichen Ökosystemen zu schaden. Ausserdem sind Technologien zur CO2 -Abscheidung nach wie vor teuer, und ihr Einsatz im grossen Stil ist weitgehend unerprobt, so dass wir mehr Investitionen in die Entwicklung dieser jungen Technologien benötigen.


    5. Direct Air Capture-Technologien einsetzen

    Der unmittelbarste Weg, der Atmosphäre CO2 zu entziehen, wäre – zumindest im Prinzip –, die Bindung mithilfe von für diesen Zweck entwickelten chemischen Reinigungstechnologien.

    In der Praxis ist Direct Air Capture, die direkte CO2-Abscheidung aus der Luft, ein kompliziertes Unterfangen. Wie jede neue Technologie ist sie noch unerschwinglich, ganz zu schweigen von ihrem enormen Energiebedarf. Dabei dürfen nur minimale oder bestenfalls keine CO2-Emissionen anfallen, wenn sich Direct Air Capture nicht disqualifizieren soll. Und da Direct Air Capture-Technologien offenbar nicht marktfähig sind, müssen die Regierungen ihren Einsatz in grossem Umfang als öffentliches Gut finanzieren, um sie rentabel zu machen – dafür müssen sich die Regierungen erst noch erwärmen.

    Mehr Zeit zu kaufen, um vor dem entscheidenden CO2-Kipppunkt eine Netto-Null-Emission zu erreichen, und uns mit Investitionen in Kohlenstoffsenken für den nachfolgenden Übergang zu negativen Netto-Emissionen zu positionieren, ist nicht nur von wirtschaftlicher, sondern auch von lebenswichtiger Bedeutung

    Und doch stimmt die wachsende Anerkennung der dringenden Notwendigkeit, Netto-Null zu erreichen, optimistisch im Hinblick auf Direct Air Capture-Technologien – auch wenn dieser Optimismus, wie bei allen von uns betrachteten Dekarbonisierungsoptionen, mit staatlicher Förderung und vorausschauenden Anlagestrategien verbunden werden muss.

    Mehr Zeit zu kaufen, um vor dem entscheidenden CO2-Kipppunkt Netto-Null zu erreichen, und uns mit Investitionen in Kohlenstoffsenken für den nachfolgenden Übergang zu negativen Netto-Emissionen zu positionieren, ist nicht nur von wirtschaftlicher, sondern auch von lebenswichtiger Bedeutung. Wir müssen also unbedingt herausfinden, wie wir vorankommen können. Denn der Wasserhahn tropft – und die CO2-Uhr tickt.

    1 Armstrong, A. K., Krasny, M. E. and Schuldt, J. P. (2018) ‘Using Metaphor and Analogy in Climate Change Communication’, in Communicating Climate Change, A Guide for Educators, Cornell University Press, pp. 70–74.

    Wichtige Hinweise.

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