FT Rethink

    Grüner Wasserstoff: der Schlüssel zur Dekarbonisierung der Schwerindustrie

    Grüner Wasserstoff: der Schlüssel zur Dekarbonisierung der Schwerindustrie

    Im April 2021 hat die Europäische Union das EU-Klimagesetz verabschiedet, mit dem sich die Mitgliedsstaaten verpflichten, ihre Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55% zu reduzieren.1 Etwas früher im April verabschiedete Grossbritannien sein eigenes Gesetz mit einem noch ehrgeizigeren Ziel: die Emissionen bis 2035 um 78% zu reduzieren.2 Trotz einer Reihe von Hindernissen ist die Richtung hin zu Netto-Null-Emissionen in weiten Teilen der Wirtschaft weitgehend vorgezeichnet. In bestimmten Sektoren jedoch sind die Lösungen für die notwendige Dekarbonisierung immer noch nicht ganz ausgereift.

    Trotz einer Reihe von Hindernissen ist die Richtung hin zu Netto-Null-Emissionen in weiten Teilen der Wirtschaft weitgehend vorgezeichnet. In bestimmten Sektoren jedoch sind die Lösungen für die notwendige Dekarbonisierung immer noch nicht ganz ausgereift

    Einer dieser so genannten „schwierig zu dekarbonisierenden“ Sektoren ist die Schwerindustrie. Hierzu gehören die Stahl-, Zement- und die petrochemische Produktion – einschliesslich Kunststoff. Eine Dekarbonisierung dieser Branchen ist vor allem aus zwei Gründen schwierig. Erstens sind in diesen Bereichen Produktionsprozesse mit aussergewöhnlich hohen Temperaturen erforderlich; diese können ohne die Verbrennung fossiler Brennstoffe nur schwer oder gar nicht erreicht werden. Und zweitens sind viele dieser Prozesse hochgradig integriert, reguliert sowie mit zeit- und finanzintensiven Investitionen verbunden. Selbst dort, wo es theoretisch alternative Methoden gibt, lassen sich die Prozesse in der Stahl-, Zement- und petrochemischen Industrie aufgrund ihrer Komplexität und der damit verbundenen irreversiblen Kosten in der Praxis oft nur sehr schwer ändern.

    Wasserstoffatome bestehen aus einem Proton und einem Elektron und sind das einfachste und am häufigsten vorkommende Element im Universum

    Lesen Sie auch: Herausforderung oder Chance? Branchen mit schwer reduzierbaren Emissionen neu denken

    Dennoch müssen sie trotz dieser Herausforderungen unbedingt geändert werden. Sofern keine unerwarteten und revolutionären wissenschaftlichen Entdeckungen erfolgen, bleiben diese Industrien noch über Generationen hinweg für das Funktionieren der Gesellschaft unverzichtbar – und das, obwohl ihre Hochtemperaturprozesse für etwa 10% der weltweiten Emissionen verantwortlich sind; also für mehr als Autos und Flugzeuge zusammen3.

    Um einen solch radikalen Wandel herbeizuführen, scheint der Konsens auf einen Ansatz hinauszulaufen, der in gewisser Weise „zurück zu den Anfängen“ führt.

    Grüner Wasserstoff wird mit 100% CO2-freiem Strom hergestellt. Somit stellt er eine wichtige Energiequelle für eine allfällige Dekarbonisierung der Hochtemperaturindustrie dar

    Elementares

    Wasserstoffatome bestehen aus einem Proton und einem Elektron und sind das einfachste und am häufigsten vorkommende Element im Universum. Sie machen etwa 75% der gesamten Masse aus und sind farb-, geruch- und geschmacklos – und von grossem Interesse, wenn es um die Dekarbonisierung der Hochtemperaturindustrie geht. Denn wie fossile Brennstoffe ist auch Wasserstoff in Gasform leicht entflammbar. Im Gegensatz zu fossilen Brennstoffen jedoch entsteht bei der Verbrennung von Wasserstoff als einzige Emission Wasser.

    Lesen Sie auch (Artikel in Englisch): Investing in the future of hydrogen

    Die Stahl-, Zement- und petrochemische Industrie macht nun die ersten Schritte hin zu einem grundlegenden Wandel.

    Das kanadische Unternehmen ArcelorMittal, der zweitgrösste Stahlproduzent der Welt, hat kürzlich einen erfolgreichen Test mit „grünem“ Wasserstoff zur Reduktion von Eisenerz durchgeführt.4 Grüner Wasserstoff wird mit 100% CO2-freiem Strom hergestellt. Somit stellt er eine wichtige Energiequelle für eine allfällige Dekarbonisierung der Hochtemperaturindustrie dar.

    Im vergangenen Oktober stellte Volvo einen acht Tonnen schweren Elektro-Lkw vor, der teilweise aus grünem Stahl besteht – eine Weltneuheit.5 SSAB hat mittels grünem Wasserstoff, anstelle der üblichen Kokskohle, den für den Volvo-Lkw verwendeten Stahl hergestellt; ursprünglich wurde dieser Stahl für den Einsatz in Steinbrüchen und Minen konzipiert6. Dies sind kleine, aber entscheidende Schritte für eine Branche, die mindestens 7% der weltweiten Emissionen verursacht7 und die ihre Emissionen bis 2050 halbieren muss, wenn wir unsere globalen Netto-Null-Ziele erreichen wollen.

    Konsortien, öffentlich-private Partnerschaften, Industriecluster, Joint Ventures, branchenübergreifende Partnerschaften und Abnahmevereinbarungen werden notwendig sein, um die notwendige Energieinfrastruktur für die sich wandelnden Industriesektoren zu entwickeln

    Lesen Sie auch (Artikel in Englisch): Is hydrogen the key to a sustainable transport system? An interview with Philippe Rosier, CEO, Symbio

     

    Zusammenarbeit ist entscheidend

    Für ein einzelnes Unternehmen ist es jedoch nicht einfach, solche grünen Industrieprodukte bereitzustellen. Den für den Volvo-Lkw verwendeten fossilfreien Stahl lieferte HYBRIT, ein Joint Venture aus dem schwedischen Stahlhersteller SSAB, dem schwedischen staatlichen Energieversorger Vattenfall und dem Bergbauunternehmen LKAB. Solche komplexen Partnerschaften in der Wertschöpfungskette verdeutlichen die Herausforderungen, mit denen Übergangssektoren wie die Stahlindustrie konfrontiert sind, um zum einen die erforderlichen transformativen Kapitalinvestitionen für den Aufbau von CO2-armen und Netto-Null-Produktionswegen bereitzustellen; und zum anderen auch die benötigten Kapazitäten für die Erzeugung von sauberem Strom und Wasserstoff.

    Konsortien, öffentlich-private Partnerschaften, Industriecluster, Joint Ventures, branchenübergreifende Partnerschaften und Abnahmevereinbarungen werden notwendig sein, um die notwendige Energieinfrastruktur für die sich wandelnden Industriesektoren zu entwickeln.

    Auch British Steel setzt auf Zusammenarbeit und hat sich verpflichtet, bis 2050 sauberen Stahl zu produzieren8. Das Unternehmen wird mit EDF, dem University College London und dem Materials Processing Institute zusammenarbeiten, um dieses Ziel zu erreichen. Im Bereich Zement arbeitet Hanson UK mit der Universität Swansea zusammen, um in seinem Werk in Port Talbot in Wales Erdgas in Brennern durch grünen Wasserstoff zu ersetzen.9

    Doch bevor grüner Wasserstoff zur Regel werden kann, müssen diese Industrien erst einmal herausfinden, wie sie die riesigen Mengen an CO2-freier Energie beschaffen können, die wir für die Produktion von grünem Wasserstoff in grossem Massstab brauchen

    Saubere Energie beschaffen

    Doch bevor grüner Wasserstoff zur Regel werden kann, müssen diese Industrien erst einmal herausfinden, wie sie die riesigen Mengen an CO2-freier Energie beschaffen können, die wir für die Produktion von grünem Wasserstoff in grossem Massstab brauchen. Letztes Jahr gab INEOS bekannt, in Norwegen ein Versorgungszentrum für sauberen Wasserstoff aufbauen zu wollen. In diesem Zentrum will man grünen Wasserstoff durch Wasserelektrolyse erzeugen und mit CO2-freier Elektrizität betreiben.10 Dies wäre ein bedeutender Schritt. Um jedoch die Schwerindustrie zu dekarbonisieren, benötigen wir deutlich grössere Kapazitäten.

    Beispielsweise produziert Europa zurzeit rund 100 Millionen Tonnen Stahl pro Jahr. Um diese Menge Stahl statt mit fossilen Brennstoffen mit grünem Wasserstoff herzustellen, braucht man etwa 400 Terawattstunden Strom. Das entspricht rund 15% des jährlichen Energieverbrauchs Europas – und diese Energie müsste zu 100% CO2-frei sein.

    Lesen Sie auch (Artikel in Englisch): Is sustainable policy working?

    Auch die Politik wird eine wichtige Rolle spielen – etwa durch staatliche Subventionen zur Förderung von Entwicklungsprojekten und Investitionen in Stromnetze und Infrastruktur. Die EU und auch Grossbritannien haben ambitionierte Pläne zur Entwicklung einer Wasserstoffwirtschaft vorgelegt – einer Wirtschaft, welche die Zukunft unserer Gesellschaft und unseres Planeten mitgestalten wird.

     

    1 Europäische Kommission (2021). „Europäisches Klimagesetz“. Hier verfügbar: https://ec.europa.eu/clima/eu-action/european-green-deal/european-climate-law_de
    2 GOV.UK (2021). „UK enshrines new target in law to slash emissions by 78% by 2035.“ Hier verfügbar: https://www.gov.uk/government/news/uk-enshrines-new-target-in-law-to-slash-emissions-by-78-by-2035
    Roberts, D. (2020). „This climate problem is bigger than cars and much harder to solve“, Vox. Hier verfügbar: https://www.vox.com/energy-and-environment/2019/10/10/20904213/climate-change-steel-cement-industrial-heat-hydrogen-ccs
    4 ArcelorMittal (2022). „ArcelorMittal successfully tests partial replacement of natural gas with green hydrogen to produce DRI.“ Hier verfügbar: https://corporate.arcelormittal.com/media/news-articles/arcelormittal-successfully-tests-partial-replacement-of-natural-gas-with-green-hydrogen-to-produce-dri
    5 Tomlinson, M. (2022). „Volvo Trucks: First in the world to use fossil-free steel in its trucks.“ Volvo Trucks. Hier verfügbar: https://www.volvotrucks.co.uk/en-gb/news/press-releases/2022/may/volvo-trucks-first-in-the-world-to-use-fossil-free-steel-in-its-trucks.html
    6 https://www.ssab.com/en-gb/news/2021/10/ssabs-fossilfree-steel-featured-in-volvo-groups-vehicle
    7 Energy Transitions Commission (2018). „Mission Possible: Reaching net-zero carbon emissions from harder-to-abate sectors by mid-century. Sectoral focus: steel.“ Hier verfügbar: https://www.energy-transitions.org/wp-content/uploads/2020/08/ETC-sectoral-focus-Steel_final.pdf
    British Steel (2021). „British Steel unveils Low-Carbon Roadmap with net-zero pledge.“ Hier verfügbar: https://britishsteel.co.uk/news/british-steel-unveils-low-carbon-roadmap-with-net-zero-pledge/
    9 Hanson (2021). „Collaboration on green hydrogen research.“ Hier verfügbar: https://www.hanson.co.uk/en/news-and-events/green-hydrogen-research
    10 INEOS Hydrogen (n.d.). „INEOS & Hydrogen.“ Hier verfügbar: https://www.ineoshydrogen.com/ineos-hydrogen/ineos-and-hydrogen

    Wichtige Hinweise.

    Die vorliegende Marketingmitteilung wurde von der Bank Lombard Odier & Co AG oder einer Geschäftseinheit der Gruppe (nachstehend “Lombard Odier”) herausgegeben. Sie ist weder für die Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung in Rechtsordnungen bestimmt, in denen eine solche Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung rechtswidrig wäre, noch richtet sie sich an Personen oder Rechtsstrukturen, an die eine entsprechende Abgabe rechtswidrig wäre.

    Entdecken Sie mehr.

    Sprechen wir.
    teilen.
    Newsletter.