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    Indigene Gemeinschaften an vorderster Front im Kampf um den Schutz tropischer Wälder

    Indigene Gemeinschaften an vorderster Front im Kampf um den Schutz tropischer Wälder
    © “Amazon Sacred Headwaters Initiative”

    Jahrzehntelanger Druck durch die Rohstoffindustrie (unter anderem Bergbau, Erdölförderung und industrielle Landwirtschaft) haben zu beispielloser Entwaldung und Bodendegradation geführt. Die Abholzung, an der vor allem diese Sektoren Schuld tragen, hat unsere tropischen Wälder an einen möglicherweise katastrophalen Kipppunkt gebracht. Die anhaltende Walddegradation könnte einen Teufelskreis in Gang setzen – wenn diese alten Ökosysteme zusammenbrechen, könnten die gewaltigen Mengen Kohlenstoff, die sie speichern, freigesetzt werden, den Klimawandel beschleunigen und zu weiteren Schäden führen. Schutz und Wiederherstellung unserer tropischen Wälder stehen heute ganz oben auf der globalen Agenda, aber die indigenen Gemeinschaften, die in diesen tropischen Wäldern und in benachbarten Gebieten leben, kämpfen schon lange darum. Seit Generationen stehen sie an vorderster Front, um ihre Wälder vor Rodung und den Aktivitäten der Rohstoffindustrie zu schützen, häufig im Angesicht von Diskriminierung, Schikanen und sogar tödlicher Gewalt.

    Tropische Regenwälder zählen zu unseren wertvollsten natürlichen Ressourcen, denn diese Ökosysteme erweisen uns Dienste, die weit über ihre geografische Ausdehnung hinausgehen

    Ströme im Himmel, Kohlendioxid und Konflikt auf dem Boden

    Tropische Regenwälder zählen zu unseren wertvollsten natürlichen Ressourcen, denn diese Ökosysteme erweisen uns Dienste, die weit über ihre geografische Ausdehnung hinausgehen. Der Amazonas-Regenwald gibt täglich rund 20 Milliarden Tonnen Wasserdampf in die Luft ab. Dieser bildet Wolken, die über Kontinente strömen und die globalen Wettersysteme unterstützen. Eine Störung dieser Systeme kann weitreichende Folgen haben. Wenn die Wolkenströme ausbleiben oder den Kurs wechseln, ist ein Gebiet von Brasilien bis Kalifornien betroffen. Die verheerenden Folgen sind Dürren an manchen Orten und Überschwemmungen an anderen1.

    Der Regenwald gehört auch zu den grössten Kohlenstoffsenken der Erde. Er speichert mehr als 100 Milliarden Tonnen Kohlenstoff2 und nimmt jährlich 2 Milliarden Tonnen CO2 auf. Es gibt allerdings Hinweise darauf, dass seine Fähigkeit, den Klimawandel zu mindern, abnimmt. Infolge anhaltender Walddegradation, von Bränden, Erderwärmung und Trockenstress hat sich das östliche Amazonasgebiet möglicherweise bereits von einer Kohlenstoffsenke in eine Kohlenstoffquelle verwandelt. Der westliche Teil kann heute nur mehr kohlenstoffneutral genannt werden. Wenn diese Prozesse andauern, besteht die Gefahr einer Abwärtsspirale der Walddegradation – der von der Amazonas-Vegetation gespeicherte Kohlenstoff wird in die Atmosphäre freigesetzt und verschlimmert den Klimawandel, was wiederum zu weiterem Waldverlust und zunehmender Kohlenstofffreisetzung führt3.

    Mit einer Fläche von mehr als fünf Millionen km² ist der Amazonas-Regenwald der grösste tropische Regenwald der Welt. Die Ausdehnung entspricht auch der Komplexität der Interaktion des Menschen mit diesem Wald. Der Amazonas überschreitet geopolitische und kulturelle Grenzen, fliesst durch neun südamerikanische Staaten und ist für Millionen indigener Menschen eine Heimat. Das Gebiet ist zudem hart umkämpft. Hier stossen häufig die Interessen von Staaten, multinationalen Konzernen und lokalen Gemeinschaften aufeinander, und die Rohstoffindustrie gerät mit Klimaschützern auf lokaler und globaler Ebene in Konflikt.

    Mit einer Fläche von mehr als fünf Millionen km² ist der Amazonas-Regenwald der grösste tropische Regenwald der Welt. Die Ausdehnung entspricht auch der Komplexität der Interaktion des Menschen mit diesem Wald

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    Lokale Gemeinschaften treffen auf globale Kräfte

    Im Amazonasgebiet wird die Entwaldung – wie in anderen tropischen Regenwäldern – hauptsächlich von der Änderung der Landnutzung angetrieben. Der Wald wird gerodet und die Fläche für industrielle Zwecke genutzt. Im östlichen Amazonasgebiet sind Kleinstbauern, die sich selbst versorgen, riesigen industriellen Plantagen und Rinderfarmen gewichen, die Urwälder dem Erdboden gleichmachen. Im westlichen Amazonasgebiet spielt die Landwirtschaft eine geringere Rolle, aber die Bedrohung ist vielleicht sogar grösser, denn hier wird der Wald wegen der Erdölförderung abgeholzt.

    Im Amazonasgebiet liegen Lagerstätten mit mehr als fünf Milliarden Barrel Erdöl. Deren Ausbeutung zerstört Ökosysteme und Gemeinschaften. Im Amazonasgebiet in Ecuador zum Beispiel hat die Umweltverschmutzung durch die Ölförderung verheerende Folgen für Menschen und Ökosysteme. Die Krebsinzidenz in verschmutzten Gebieten ist fünfmal höher als der Landesdurchschnitt; Geburtsgebrechen und Fehlgeburten sind weit verbreitet.

    Wo Wälder früher beinahe ausschliesslich für den lokalen oder inländischen Konsum abgeholzt wurden, wird die Änderung der Landnutzung heute von der internationalen Nachfrage angetrieben. 50% des ecuadorianischen Rohöls werden nach Kalifornien exportiert. Auch China ist ein williger Abnehmer und gewährt Ecuador Anleihen im Gegenzug für Öllieferungen. In der Region ist ein Viertel der Entwaldung auf den ausländischen Konsum zurückzuführen. China und Europa sind dabei die grössten Importeure von Rohstoffen aus tropischen Regenwäldern.

    Die indigenen Gemeinschaften haben den Amazonas-Regenwald lange Zeit gegen externe Interessen verteidigt und eine Ressource erhalten, die an vielen anderen Orten schon längst ausgebeutet und zerstört wurde

    ©  “Amazon Sacred Headwaters Initiative”
     

    Wälder besser bewirtschaften

    Die indigenen Gemeinschaften haben den Amazonas-Regenwald lange Zeit gegen externe Interessen verteidigt und eine Ressource erhalten, die an vielen anderen Orten schon längst ausgebeutet und zerstört wurde – in Europa beispielsweise gibt es heute beinahe keine Urwälder mehr4. Jüngste Forschungsarbeiten unterstreichen die wichtige Rolle der Wälder für das Klima. Der Amazonas-Regenwald in gesetzlich anerkannten indigenen Territorien speichert mehr Kohlenstoff und produziert weniger Kohlendioxid. Hier schreiten die Entwaldung und die Änderung der Landnutzung im Vergleich zu anderen Regenwaldgebieten nur ein Fünftel so schnell voran5,6.

    Mehrere internationale Zusagen für eine bessere Waldbewirtschaftung erkennen an, dass Wälder uns unschätzbare Dienste erweisen. In der „Glasgow Leaders’ Declaration on Forests and Land Use“ anlässlich der COP26 im letzten Jahr wurde die Schlüsselrolle der indigenen Bevölkerung bei der verantwortungsvollen Bewirtschaftung der Wälder bekräftigt. Die Unterzeichner versprachen eine Erhöhung der finanziellen Unterstützung für indigene Gemeinschaften7.

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    „Rechte“ mit Lücken

    Internationale Abkommen erkennen ebenfalls an, wie wichtig es ist, die gesetzlichen Rechte der indigenen Bevölkerung zu schützen. Das „Indigenous Peoples and Local Communities (IPLC) Forest Tenure Joint Donor Statement“, das ebenfalls auf der COP26 verfasst wurde, sieht mindestens USD 1,7 Milliarden als direkte Finanzierung für indigene Gemeinschaften vor. Der Betrag umfasst Gelder für Sicherung, Stärkung und Schutz der Land- und Ressourcenrechte8.

    Theoretisch sind die Rechte der indigenen Bevölkerung bereits im gesamten Amazonasgebiet geschützt. Bis auf Kolumbien unterzeichneten alle Staaten im Jahr 2007 die Erklärung der Vereinten Nationen über die Rechte der indigenen Völker. Viele Länder im Amazonasgebiet haben diese Rechte in ihre Verfassung aufgenommen9. Aber der Schutz in der Verfassung wird nicht unbedingt vor Ort umgesetzt.

    In Ecuador, das für seine in der Verfassung verankerten Rechte der indigenen Bevölkerung bekannt ist, bleibt der Staat allerdings Eigentümer aller unterirdischen nicht erneuerbaren Ressourcen. Obwohl ein Mitspracherecht bei der Landentwicklung besteht, zeigten Gerichtsverfahren in jüngster Zeit, dass viele Aspekte nicht berücksichtigt werden. Beispielsweise erfolgen die Erklärungen nur in Spanisch, nicht in den indigenen Sprachen, die Präsentationen sind einseitig, und die Parteien müssen sich nicht einig werden. Die Waorani-Anführerin Nemonte Nenquimo beschrieb die Anhörung als „eine Irreführung, eine Falle“10.

    Je mehr Menschen die Bedeutung der tropischen Regenwälder für den Klimaschutz verstehen, desto höher werden die indigenen Gemeinschaften für die lebenswichtige Arbeit geschätzt, die sie verrichten

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    An vorderster Front bei nachhaltigen Anlagen

    Natürliche Klimalösungen, einschliesslich des Erhalts und der Wiederherstellung von Waldflächen, insbesondere der tropischen Wälder, können etwa 30% der Emissionssenkungen bewirken, die zur Begrenzung der globalen Erwärmung auf 2 °C erforderlich sind.11. Dieser Dienst, von dem die ganze Welt profitiert, übersteigt bei Weitem den aktuellen Wert der Rohstoffindustrie. Um dieses Ziel zu erreichen, benötigen wir Investitionen, die das Finanzwesen mit Massnahmen vor Ort verknüpfen, um die Ressourcen in die Hände der Menschen zu legen, die es am besten verstehen, harmonisch mit dem Wald zusammenzuleben, und die sich seit Jahrtausenden zu unser aller Wohl um dieses lebenswichtige Ökosystem kümmern, um unsere Zukunft zu sichern.

    Die Unterstützung der nachhaltigen Waldnutzung, die Schaffung einer biologischen Kreislaufwirtschaft und die Verknüpfung indigener Gemeinschaften mit verantwortungsvollen globalen Märkten verhindern, dass Anreize entstehen, den Regenwald zu zerstören oder zu schädigen. Dafür braucht es Responsible Finance. Dieses faire System identifiziert, wo nachhaltiger Wert liegt, leitet die Kapitalflüsse in den Bau von Infrastrukturen und fördert wertschöpfende, die Wälder erhaltende und wiederherstellende Aktivitäten.

    Je mehr Menschen die Bedeutung der tropischen Regenwälder für den Klimaschutz verstehen, desto höher werden die indigenen Gemeinschaften für die lebenswichtige Arbeit geschätzt, die sie verrichten. Da die Welt Gefahr läuft, mehrere Klima- und Umweltkipppunkte zu überschreiten, müssen wir uns die indigene Bevölkerung als Vorbild nehmen und lernen, unser „grosses Haus“ – den Planeten – zu schützen.

     

    2019-12-amazon-sacred-headwaters-report.pdf (amazonwatch.org).
    Deforestation, warming flip part of Amazon forest from carbon sink to source - Welcome to NOAA Research.
    Amazonia as a carbon source linked to deforestation and climate change - PubMed (nih.gov).
    Protecting old growth forests in Europe - a review of scientific evidence to inform policy implementation | European Forest Institute (efi.int).
     Alejo, Camilo, Chris Meyer, Wayne S. Walker, Seth R. Gorelik, Carmen Josse, Jose Luis Aragon-Osejo, Sandra Rios, et al. 2021. „Are Indigenous Territories Effective Natural Climate Solutions? A Neotropical Analysis Using Matching Methods and Geographic Discontinuity Designs.“ PloS One 16 (7): e0245110.
    6 Walker, Wayne S., Seth R. Gorelik, Alessandro Baccini, Jose Luis Aragon-Osejo, Carmen Josse, Chris Meyer, Marcia N. Macedo, et al. 2020. „The Role of Forest Conversion, Degradation, and Disturbance in the Carbon Dynamics of Amazon Indigenous Territories and Protected Areas. “ Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America 117 (6): 3015–25.
    Glasgow Leaders’ Declaration on Forests and Land Use - UN Climate Change Conference (COP26) at the SEC – Glasgow 2021 (ukcop26.org)
    COP26 IPLC forest tenure Joint Donor Statement - UN Climate Change Conference (COP26) at the SEC – Glasgow 2021 (ukcop26.org)
    United Nations Declaration on the Rights of Indigenous Peoples | United Nations For Indigenous Peoples.
    10 Ecuador’s consultation process for Indigenous lands comes under the microscope (mongabay.com).
    11 Why NCS > Natural Climate Solutions Alliance | World Economic Forum (weforum.org)

    Wichtige Hinweise.

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