rethink sustainability

    Sie wollen wissen, wie Anlagen für die nächste Generation ausgestaltet sein sollen? Dann fragen Sie die Jungen, was ihnen wichtig ist.

    Sie wollen wissen, wie Anlagen für die nächste Generation ausgestaltet sein sollen? Dann fragen Sie die Jungen, was ihnen wichtig ist.

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    Merryn Somerset Webb

    Chefredakteurin von « Moneyweek » und Kolumnistin für die «Financial Times».

    Was erwarten die Jungen von heute – also die Anleger von morgen – von ihren Anlagen? Die Antwort: eine ganze Menge. Die nächste Generation dürfte sich viel stärker für die Gesellschaft und die Umwelt einsetzen als ihre Vorgänger. Die Menschen dieser Generation wissen, dass sie nicht einfach nur Aktionäre von börsenkotierten Unternehmen sind, sondern Stakeholder, die ein massgebliches Interesse und eine massgebliche Verantwortung an der zukünftigen Entwicklung unserer Welt haben. Natürlich wollen sie wie ihre Vorgänger, dass ihre Anlagen eine finanzielle Rendite abwerfen. Doch gleichzeitig möchten sie wahrscheinlich mit ihren Investitionen auch Gutes tun. Was aber bedeutet „Gutes“? Die Antwort auf diese Frage wird für jeden Anleger unterschiedlich ausfallen. Deshalb wird die Zukunft des Investierens von gemeinschaftlichen Bemühungen geprägt sein. Wenn die Finanzbranche die nächste Generation richtig bedienen will, darf sie nicht einfach davon ausgehen, dass sie weiss, was die Jungen wollen. Vielmehr muss sie die Jungen direkt nach ihren Anliegen fragen.

    Wenn die Jungen von heute einst die grosse Finanzkrise von 2007–2009 analysieren, werden sie schockiert sein. Schockiert über das Ausmass der Krise, aber auch über die weitreichenden Auswirkungen der Lösungen, welche die politischen Entscheidungsträger zur Bewältigung der Krise umsetzten. Vor allem aber dürften sie schockiert sein über das fehlende Engagement der Investmentbranche vor der Krise. Weshalb liessen es die Aktionäre zu, dass die Führung der grossen Banken derart aus dem Ruder lief? Weshalb stimmte niemand gegen die Vergütungspakete, welche einen äusserst grossen Anreiz für das Fehlverhalten lieferten? Weshalb schauten die Fondsgesellschaften scheinbar immer nur auf die kurzfristigen Renditen ihrer Anlagen? Weshalb fokussierten sie nicht – wie es eigentlich hätte sein sollen – auf eine nachhaltige Führung der Unternehmen, in denen sie investiert waren? Weshalb wurde dem sozialen Kontext, in dem die Banken operierten, so wenig Beachtung geschenkt? Die ältere Generation der Anleger würde sagen, dass niemand daran dachte, dass auch die Anleger Verantwortung für die weitreichenden sozialen Folgen des unternehmerischen Verhaltens tragen sollten. Solange alle unermüdlich dafür arbeiteten, dass die kurzfristigen Gewinne und damit die Aktienkurse und Dividenden stiegen, würde sich der Rest – so nahm man damals an – von selbst, quasi aus unsichtbarer Hand, ergeben.


    Zeit für den bewussten Kapitalismus

    Heute denken die Jungen (zu Recht) anders. Sie haben gesehen, was schiefgehen kann. Sie wissen, dass sie langfristige Aktionäre sind, aber auch langfristige Stakeholder der Weltwirtschaft. Und dass sie den sozialen Auswirkungen ihrer Anlageaktivitäten daher Beachtung schenken müssen. Regelmässig1 geht aus Untersuchungen hervor, dass Millennials viel eher ethische Anlagen tätigen würden als ihre Eltern. Dass sie ihr Geld aus einem Unternehmen abziehen würden, wenn diesem Fehlverhalten vorgeworfen würde. Dass sie erwarten, dass neben den Interessen der Aktionäre auch jene der Mitarbeiter und Lieferanten berücksichtigt werden. Und dass sie von den Unternehmen beim Umweltverhalten hohe Standards erwarten. Es stimmt froh, dass den Kindern von heute ein solches Verhalten mit auf den Weg gegeben wird. Angesichts des finanziellen Desasters im vergangenen Jahrzehnt und des bisherigen Versagens der Investmentbranche, den globalen Unternehmenssektor auf ordentliche Weise voranzubringen, ist eine gehörige Portion des sogenannten „bewussten Kapitalismus“ denn auch dringend notwendig (unter der Voraussetzung, dass wir uns alle darüber einig sind, dass wir den Kapitalismus – das beste System zur Zerstörung der Armut – zum Überleben brauchen).

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    Angesichts des finanziellen Desasters im vergangenen Jahrzehnt und des bisherigen Versagens der Investmentbranche, den globalen Unternehmenssektor auf ordentliche Weise voranzubringen, ist eine gehörige Portion des sogenannten „bewussten Kapitalismus“ denn auch dringend notwendig (unter der Voraussetzung, dass wir uns alle darüber einig sind, dass wir den Kapitalismus – das beste System zur Zerstörung der Armut – zum Überleben brauchen).

    Langsam beginnen das auch die Fondsgesellschaften zu begreifen. Moderne Vermögensverwalter wissen, dass künftige Kunden von ihnen nicht nur erwarten, dass sie die besten Renditen erzielen, sondern dass sie gleichzeitig auch die sozialen Auswirkungen dieses Renditestrebens im Auge behalten. Die Anlagepolitik und -strategie müssen sich ändern. Aus dem einfachen Grund, dass sich die Prioritäten der Endanleger von Generation zu Generation ändern. An dieser Stelle sei erwähnt, dass gemäss einer Studie2 von CFA 73% der Führungspersönlichkeiten aus der Investmentbranche damit rechnen, dass ESG-Faktoren3 künftig „an Einfluss gewinnen“. Bei all dem lautet die entscheidende Frage jedoch: Wie sollen Vermögensverwalter in unserem neuen „Zeitalter des Bewusstseins“ wissen, was die neue Generation von Stakeholdern eigentlich von ihnen punkto Nachhaltigkeit erwartet? Bis anhin wurde diese Frage noch gar nicht richtig gestellt.

    Stattdessen stützen sich die Vermögensverwalter auf einen endlosen Fundus von vagen Studien, laut denen sich die Anleger auf die eine oder andere Art Gedanken machen über Ethik und eine grüne, verträgliche Lebensweise. Sie verlieren sich in Mutmassungen darüber, was die Anleger möglicherweise erwarten. Sie faseln davon, dass sie mehr Respekt für eine weiter gefasste Gruppe von Stakeholdern hätten, eine Kultur der ethischen Entscheidungsfindung einführen würden, in ihrem Geschäftsgebaren moralische Verpflichtungen berücksichtigen würden und so weiter. Doch obwohl dieses Geschwafel Gegenstand von seitenlangen Berichten ist und ganze Konferenzprogramme füllt, wird damit die eigentliche Frage nicht beantwortet: Was bedeutet Nachhaltigkeit für die einzelnen Anleger?

    [Die Studien] faseln davon, dass sie mehr Respekt für eine weiter gefasste Gruppe von Stakeholdern hätten, eine Kultur der ethischen Entscheidungsfindung einführen würden, in ihrem Geschäftsgebaren moralische Verpflichtungen berücksichtigen würden und so weiter. Doch obwohl dieses Geschwafel Gegenstand von seitenlangen Berichten ist und ganze Konferenzprogramme füllt, wird damit die eigentliche Frage nicht beantwortet: Was bedeutet Nachhaltigkeit für die einzelnen Anleger?

    Wie gibt man den Anlegern ihre Mitverantwortung zurück?

    Es gibt allerdings einen einfachen Weg, wie die Finanzbranche herausfinden kann, was ihre zukünftigen Kunden – die Endeigentümer der globalen Vermögenswerte – erwarten und wie sie effektiv ein besseres Verhalten an den Tag legen kann, anstatt nur davon zu reden. Sie könnte nämlich die zukünftigen Kunden einfach direkt nach ihren Erwartungen und Wünschen befragen.

    Wegen des Aufkommens von Anlageplattformen und Fondsanlagen können sich die Endeigentümer nicht wirklich einbringen, wenn es darum geht, wie Vermögensverwalter investieren und von den Unternehmen ein bestimmtes Verhalten verlangen. Der Kleinanleger hat effektiv seine Mitverantwortungs- und Mitbestimmungsrechte verloren. Für die neue Generation, die an sozialen Renditen gleichermassen interessiert ist wie an finanziellen Renditen, ist das ein grosses Problem. Gegenwärtig ist beispielsweise hier in Grossbritannien praktisch jeder Erwerbstätige ein Anteilseigner (ob bewusst oder unbewusst) – dank unserer grossartigen Vorsorgesysteme, bei denen ein Teil unseres Entgelts vom Arbeitgeber automatisch zur Finanzierung der betrieblichen Altersversorgung einbehalten wird. Dasselbe gilt zunehmend auch im restlichen Europa, wo es immer mehr beitragsorientierte Vorsorgepläne gibt. Im Gegensatz zu den Sparern der letzten Generation, die im Rahmen ihrer beitragsorientierten Vorsorgepläne keinen offensichtlichen Bedarf hatten, sich auf lange Sicht mit ihren Anlagen zu befassen, sehen die Jungen nun eine Notwendigkeit, sich aktiv mit ihren Finanzen zu beschäftigen (einige Prozentpunkte da und dort können über 40 Jahre gesehen für ihre Rente einschneidend sein). Gleichzeitig sehen sie auch eine Notwendigkeit, soziale Fragen mit ihrem Vermögensverwalter anzugehen, da sie sich stark für das Thema Nachhaltigkeit interessieren – sowohl für Umweltbelange als auch für den Wandel von einer kapitalistischen Vetternwirtschaft (sogenannter Crony Capitalism) hin zu einem besseren Wirtschaftssystem.

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    Die erfolgreichen Investmentgesellschaften der Zukunft werden nicht einfach annehmen, sie wüssten, was für die Anleger am besten ist… Sie werden merken, dass sich die Menschen der neuen Generation – zumindest jene, die sich selbst als Eigentümer sehen – aktiv engagieren. Und sie werden diese Menschen fragen, wie sie investiert sein und vertreten werden möchten.

    Die modernen Technologien werden übrigens das Vorgehen erleichtern: Denn heute zählt beispielsweise die Ausrede nicht mehr, man könne nicht alle Kunden erreichen, um zu ermitteln, wie sie ihre Stimme an der jährlichen Generalversammlung geltend machen wollen. Nach der Befragung der Anleger werden die Investmentgesellschaften völlig transparent offenlegen, wie sie den Erwartungen und Wünschen der Anleger zu entsprechen gedenken. Und im Laufe der Zeit werden sie dann hoffentlich in der Lage sein, individuelle Portfolios anzubieten – die den Vorstellungen jedes Anlegers hinsichtlich der Nachhaltigkeit gerecht werden. Eine neue Welt des nachhaltigen Anlegens kann demnach nur mithilfe gemeinschaftlicher Bemühungen bestehen: Der Fokus muss stärker auf den effektiven Wünschen der Anleger liegen – und nicht auf den Mutmassungen der Anlagespezialisten.

    Als Folge von all dem dürften auf lange Sicht in der Investmentbranche jene Akteure überleben, die verstehen, dass mit dem Eintritt einer neuen Generation in den Markt nicht mehr sie selbst die Regeln festlegen.

    Als Folge von all dem dürften auf lange Sicht in der Investmentbranche jene Akteure überleben, die verstehen, dass mit dem Eintritt einer neuen Generation in den Markt nicht mehr sie selbst die Regeln festlegen.

    Die nächste Generation von Anlegern wird eine sein, die versteht, dass Anleger auch Stakeholder sind.

    Biografie

    Merryn Somerset Webb ist Chefredakteurin von « Moneyweek », dem meistverkauften Finanzmagazin Grossbritanniens, und Kolumnistin für die «Financial Times». Ausserdem kommentiert sie regelmässig finanzielle Themen im Radio und im Fernsehen. Sie ist ferner nicht-exekutives Mitglied des Verwaltungsrats von zwei in Grossbritannien börsennotierten Investmentfonds.

    Bitte beachten Sie, dass diese Einschätzungen die Ansicht von Merryn Somerset Webb und nicht zwangsläufig jene der Lombard Odier Gruppe widerspiegeln.
    1 Rathbone Greenbank Investment
    2 Future of Finance
    3 Environmental, Social and Governance

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