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    Was es mit dem Rezessionssignal der Renditekurve auf sich hat

    Was es mit dem Rezessionssignal der Renditekurve auf sich hat
    Samy Chaar - Chefökonom und CIO Schweiz

    Samy Chaar

    Chefökonom und CIO Schweiz
    Christian Abuide - Head of Asset Allocation

    Christian Abuide

    Head of Asset Allocation

    Kernpunkte

    • Die US-Renditekurve ist seit Juli 2022 invers – das ist der längste Zeitraum seit mehr als vier Jahrzehnten. Eine inverse Kurve hat in der Vergangenheit US-Rezessionen angekündigt.
    • Fundamentale Indikatoren zeichnen ein anderes Bild. Die widerstandsfähige US-Wirtschaft federt die Auswirkungen höherer Zinsen ab, unter anderem dank fiskalischer Anreize nach Covid, begrenzter Kredite und eines angespannten Arbeitsmarkts.
    • Die Wahrscheinlichkeit einer US-Rezession liegt laut unserer Schätzung bei etwa 10%, die Chance auf eine sanfte Landung bei 70%.
    • Angesichts des erwarteten Zinsrückgangs dürften Anleihen besser abschneiden als Cash. Aufgrund der Kreditrisiken bevorzugen wir weiterhin erstklassige Anleihen.

    Bis zur Pandemie war es einfach, einen verlässlichen Rezessionsindikator zu finden: Seit 1955 hat eine inverse US-Renditekurve – wenn Anleihen mit kurzer Laufzeit höhere Renditen bieten als Papiere mit längerer Laufzeit – alle zehn US-Rezessionen angekündigt. Angesichts der Normalisierung der Renditen werfen wir einen Blick auf die Rezessionsindikatoren und fragen, ob die Renditekurve erstmals seit fast 70 Jahren ein falsches Signal aussendet.

    Normalerweise vergrössert sich der Unterschied zwischen den Renditen kurz- und langfristiger Anleihen mit zunehmender Laufzeit. Denn Anlegerinnen und Anleger verlangen eine Entschädigung in Form höherer Renditen für das grössere Risiko, das mit der längeren Bindung ihres Geldes verbunden ist. In den letzten fünf Jahrzehnten haben die Anleger durchschnittlich 90 Basispunkte (Bp.) mehr für das Halten einer zehnjährigen US-Staatsanleihe bekommen als für zweijährige US-Staatspapiere. Ist die Renditekurve invers, erhalten Anleger mehr Geld für das Halten kurzfristiger Schuldtitel als für längere Laufzeiten. Darin spiegeln sich in der Regel zwei Dinge wider: erstens, dass die Inflation erhöht ist und die Notenbanken die Leitzinsen hoch halten, um die Teuerung einzudämmen, und zweitens, dass auf kurze Sicht sinkende Zinsen erwartet werden. Dies kann das Modell des Commercial Banking, kurzfristige Kredite zur Finanzierung langfristiger Kredite aufzunehmen, beeinträchtigen. Eine Erklärung für die Vorhersagekraft einer inversen Renditekurve war, dass schärfere Kreditbedingungen eine Konjunkturabschwächung auslösen.

    Die Renditekurve ist nun seit Juli 2022 invers – der längste Zeitraum seit mehr als vier Jahrzehnten. In der Vergangenheit erfolgte die Inversion der Renditekurve zwischen einigen Monaten und zwei Jahren vor einer Rezession. Zu Beginn einer Rezession normalisiert sich die Renditekurve historisch gesehen aufgrund der erwarteten Senkung der kurzfristigen Zinsen. Anders ausgedrückt: Wäre die Renditekurve dieses Mal ein verlässlicher Indikator, könnten wir davon ausgehen, dass wir uns bereits in einer Rezession.

    Die Renditekurve ist kein Mass für die Realwirtschaft, sondern spiegelt die Markterwartungen für die Geldpolitik wider

    Seit dem „Höhepunkt der Inversion“ im Juli 2023, als der Unterschied zwischen den beiden Laufzeiten mehr als 100 Bp. betrug, hat sich die Differenz verringert und liegt nun bei -30 Bp. Die Rendite zweijähriger Staatsanleihen ist um 60 Bp. auf 4,3% gesunken, und die Rendite zehnjähriger Staatspapiere ist um 15 Bp. auf 4,0% gestiegen. Die Inversion der Renditekurve ist nicht nur in den USA zu beobachten, sondern auch in der Eurozone, der Schweiz und dem Vereinigten Königreich.

    Die Renditekurve ist jedoch kein Mass für die Realwirtschaft, sondern spiegelt vielmehr die Markterwartungen für die Geldpolitik der Notenbanken wider. Was sagt uns also die inverse Kurve heute? Vor allem, dass die Geldpolitik straff ist. Und dass, solange die Inflation unter Kontrolle ist, die Zinsen den Höhepunkt erreicht haben und sinken dürften, was zu einer weiteren Normalisierung der Kurve führen wird.

     

    Andere Wahrscheinlichkeiten

    Es wäre leichtfertig, die Renditekurve als Rezessionsindikator völlig zu verwerfen, und wir überwachen sie weiterhin. Unser Fokus liegt jedoch nach wie vor auf den fundamentalen Makrosignalen. Viele dieser anderen Signale deuten noch immer darauf hin, dass die US-Wirtschaft auf eine sanfte Landung zusteuert. In den USA begrenzen eine Reihe von Faktoren nach der Pandemie die Auswirkungen einer restriktiveren Kreditvergabe durch die Banken. Zu diesen Faktoren gehören fiskalische Anreize, die Abwesenheit von Kreditexzessen, die bis in diesen Zyklus hineinreichen, und angespannte Arbeitsmärkte.

    Anderen Signale deuten noch immer darauf hin, dass die US-Wirtschaft auf eine sanfte Landung zusteuert

    Drei Schlüsselindikatoren bieten unseres Erachtens derzeit ein genaueres Bild von der US-Wirtschaft. Der „Hamilton-James“-Rezessionsindikator liefert eine Rezessionswahrscheinlichkeit auf Basis des Wachstums des Bruttoinlandsprodukts, das bis in die zweite Hälfte des Jahres 2023 robust war. Das „Chauvet-Piger“-Modell bietet möglicherweise eine höhere Genauigkeit für das „Nowcasting“ einer Rezession. Es kombiniert Beschäftigung, Industrieproduktion, persönliches Einkommen, verarbeitendes Gewerbe und Handelsumsätze in einer Grösse. Der jüngste vierteljährliche Wert zeigt eine Rezessionswahrscheinlichkeit von weniger als 1% an und liegt damit weit unter dem langfristigen Durchschnitt.

    Die „Sahm-Regel“ schliesslich ist ein auf der Arbeitslosigkeit basierendes Mass, das von der US-Notenbank Fed beobachtet wird – und von einem ihrer ehemaligen Ökonomen vorgeschlagen wurde. Die Regel besagt, dass sich eine Volkswirtschaft in einer Rezession befindet oder kurz vor einer Rezession steht, wenn der Dreimonatsdurchschnitt der Arbeitslosenrate mehr als 50 Bp. über dem vorherigen Zwölf-Monats-Tief liegt. Der Wert stieg im Oktober 2023 auf einen Höchststand nach der Pandemie von 33 Bp. und ging dann bis Dezember auf 23 Bp. zurück.

    Gestützt auf eine breite Palette von Indikatoren und Modellen gehen wir davon aus, dass die Wahrscheinlichkeit einer harten Landung der US-Wirtschaft bei etwa 10% liegt; die Wahrscheinlichkeit einer sanften Landung sehen wir bei 70% und jene einer leichten Stagflation und/oder eines inflationären Booms bei 20%. Eine Wiederbeschleunigung der US-Wirtschaft durch steigende Realeinkommen, welche die Binnennachfrage ankurbeln, halten wir für etwas wahrscheinlicher als eine harte Landung.

    Was heisst das für die Anleger?

    Anleihenanleger müssen sich angesichts der inversen Renditekurve entscheiden: Entweder sie bleiben in Cash investiert – mit höheren Renditen – oder sie investieren länger in Anleihen, die attraktive – aber niedrigere – Renditen bieten.

    Anleihenanleger müssen sich angesichts der inversen Renditekurve entscheiden

    Unserer Meinung nach ist es sinnvoll, die Duration in den Portfolios zu erhöhen. Denn wenn die Zinsen schliesslich zurückgehen, werden Anleihen höhere Gesamtrenditen bieten als Cash. Bei einem anhaltenden Disinflationstrend können die Notenbanken beginnen, die Zinsen in Richtung eines neutralen Niveaus zu senken, welches das Wachstum weder bremst noch fördert; die Renditekurven werden sich dann weiter normalisieren.

    Dies spricht dafür, Staatsanleihen zu halten, da sie sich um eine erste Zinssenkung herum gewöhnlich gut entwickeln. Unsere Haltung gegenüber Unternehmensanleihen bleibt angesichts niedriger Kreditrisikoprämien und geringer Renditedifferenzen neutral. Wir bevorzugen weiterhin Investment-Grade-Anleihen sowie Hochzins-Unternehmensanleihen mit höherem Rating.

    Bei Aktien sind die Gründe für Veränderungen der Renditekurve möglicherweise wichtiger als der Kurvenverlauf an sich. Da das Wachstum der bedeutendste Renditetreiber für Aktien und verwandte Risikoanlagen ist, haben die robusten Wirtschaftsaussichten die US-Aktienmärkte trotz steigender Zinsen gestützt. Wir sind der Meinung, dass dies fortdauern kann, wobei Zinssenkungen hilfreich sein werden. Doch aufgrund der Verlangsamung des Wachstums, der bereits eingepreisten Zinserwartungen und des angespannten geopolitischen Umfelds halten wir unsere Aktienallokationen vorerst auf strategischen Niveaus.

    Wichtige Hinweise.

    Die vorliegende Marketingmitteilung wurde von der Bank Lombard Odier & Co AG (nachstehend “Lombard Odier”) herausgegeben. Sie ist weder für die Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung in Rechtsordnungen bestimmt, in denen eine solche Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung rechtswidrig ist, noch richtet sie sich an Personen oder Rechtsstrukturen, an die eine entsprechende

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