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    Ein Blick auf die Herausforderungen der Eurozone

    Ein Blick auf die Herausforderungen der Eurozone
    Bill Papadakis - Macro Strategist

    Bill Papadakis

    Macro Strategist

    Kernpunkte

    • Die Wirtschaftstätigkeit in der Eurozone ist schwach, normalisiert sich aber. Die Inflation sinkt, und die Realeinkommen steigen, was Spielraum für eine geldpolitische Lockerung schafft. Die EZB dürfte im Frühjahr einen Zinssenkungszyklus einleiten.
    • Wir erwarten, dass das BIP-Wachstum in der Eurozone 2024 über den Konsensschätzungen liegt. Während die deutsche Konjunkturschwäche das Wachstum bremst, wird sonst in der Eurozone keine Austeritätspolitik wie in Deutschland verfolgt.
    • Die geopolitischen Spannungen drohen Europa stärker zu belasten als andere Regionen, doch die EU wusste sich in der Vergangenheit während Krisen anzupassen.
    • Wir sehen nur wenige Impulse für eine aktive Anlagepositionierung. Der Ausblick spricht derzeit für ein neutrales taktisches Engagement in Finanzanlagen der Eurozone.

    Kann die Wirtschaft der Eurozone die Herausforderungen des Jahres 2024 meistern? Ein bescheidenes Wachstum, die Innenpolitik und geopolitische Bedrohungen machen das Jahr zu einer Bewährungsprobe für die 20 Volkswirtschaften der Region. In der Vergangenheit hat die Eurozone auf Krisen oft mit Innovation reagiert. Die Märkte erwarten eine Normalisierung der Geldpolitik und des Wachstums. Unseres Erachtens spricht der Ausblick für eine neutrale taktische Haltung gegenüber europäischen Aktien, Anleihen und dem Euro.

    Die europäischen Indikatoren deuten darauf hin, dass das verarbeitende Gewerbe und der Dienstleistungssektor schwach sind, sich aber in den letzten drei Monaten stabilisiert haben. Auch die Ersparnisse der privaten Haushalte im Verhältnis zum Einkommen sind stabil. Unsere Prognose für das Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 1,1% für 2024 liegt über den Konsensschätzungen. Denn die Realeinkommen verbessern sich, die Ersparnisse sind hoch, die Geldpolitik dürfte gelockert werden, und die Arbeitslosigkeit ist auf einem historischen Tiefstand.

    Der Wettbewerb hat sich jedoch verschärft, da China zum weltweit führenden Automobilexporteur aufgestiegen ist und die einst dominierende Rolle Europas untergräbt. Ein verhaltenes Wachstum, die Unsicherheit über die deutsche Wirtschaft – die grösste der Region – und globale Spannungen, die sich auf Europa stärker auswirken als auf den Rest der Welt: Dies alles sind Gründe dafür, dass wir eine neutrale taktische Positionierung für Anlagen in der Eurozone beibehalten.

     

    Zinssenkungen eingepreist

    Unseres Erachtens hat die Europäische Zentralbank (EZB) die Geldpolitik überstrafft. Sie reagierte auf einen Angebotsschock, als ob es sich um einen Nachfrageboom wie in den USA handeln würde. Da die wirtschaftlichen Folgen des Energieschocks nun hinter uns liegen, ist die Inflation in der Eurozone auf ein Niveau gefallen, das seit dem Einmarsch Russlands in der Ukraine vor fast zwei Jahren nicht mehr verzeichnet worden ist. Auch ohne Zinserhöhungen im Umfang von 450 Basispunkten (Bp.) wäre sie wohl deutlich zurückgegangen.

    Die Inflation nähert sich bereits dem durchschnittlichen Ziel der EZB von 2% an

    Im Dezember 2023 lag die Gesamtinflation in der Eurozone bei 2,9%, gegenüber mehr als 10% ein Jahr zuvor. Dies deutet darauf hin, dass sie sich bereits dem durchschnittlichen Ziel der EZB von 2% annähert. Der Grossteil der Auswirkungen höherer Kreditkosten dürfte nun von der Wirtschaft absorbiert sein. Die EZB rechnet für 2024 mit einer durchschnittlichen Inflation von 2,7%, was der Hälfte des Niveaus von 2023 entspricht.

    Infolgedessen erwarten die Anlegerinnen und Anleger diesen Frühling eine erste Zinssenkung der EZB. Laut Marktkonsens senkt die EZB die Zinsen 2024 von aktuell 4% um etwa 150 Bp. Ein so aggressives Lockerungstempo würde eher mit einer Rezession im Einklang stehen. Wir halten es für wahrscheinlich, dass die EZB gemässigter vorgeht und die Zinsen dieses Jahr um 100 Bp. senkt. Die Äusserungen von EZB-Präsidentin Christine Lagarde von letzter Woche, wonach der Beginn des Zinssenkungszyklus nicht unmittelbar bevorsteht, weisen in diese Richtung.

    Zwar dürfte die EZB unseres Erachtens dieses Jahr langsamer vorgehen, als der Marktkonsens erwarten lässt. Doch wir gehen auch davon aus, dass die Notenbank die Zinsen im Laufe des Zyklus stärker senkt und das Zinsniveau 2025 unter 2% liegt.

     

    Deutschland als Bremse

    Die grösste europäische Volkswirtschaft ist die Wachstumsbremse der Eurozone. Nachdem das deutsche Verfassungsgericht im November entschied, dass ein Ausgabenpaket gegen die Schuldenbremse des Landes verstossen würde, wurde ein Kompromiss geschnürt, der dem Land einen strengen Jahreshaushalt beschert. Auf politischer Ebene hat dies auch die Regierungskoalition geschwächt, in einer Zeit allgemeiner Unzufriedenheit über höhere Preise und Subventionskürzungen. Es gilt jedoch zu erwähnen, dass andere Volkswirtschaften der Eurozone in puncto Fiskalpolitik nicht den gleichen Kurs fahren wie Deutschland. Vielmehr tragen fiskalpolitische Impulse anderswo positiv zum Wachstum bei. Die Peripherie profitiert von beträchtlichen Zuflüssen aus dem Wiederaufbaufonds.

    Andere Volkswirtschaften der Eurozone fahren in puncto Fiskalpolitik nicht den gleichen Kurs wie Deutschland

    Im September finden in einigen deutschen Bundesländern Wahlen statt. Umfragen deuten auf einen Rechtsrutsch hin, der sich auch in den Europawahlen im Juni widerspiegeln könnte. Dies wird der Hintergrund sein, wenn die Europäische Union einen Weg sucht, um die finanzielle Unterstützung für die Ukraine zu genehmigen.

    Geopolitische Bedrohungen

    Auf der geopolitischen Ebene wirken sich die Spannungen in der Ukraine und im Nahen Osten auch auf die Eurozone aus. Die Lieferketten in der Region sind stärker als in anderen Teilen der Welt von den Unterbrechungen des Frachtverkehrs im Roten Meer betroffen. Aufgrund der dortigen Angriffe auf Frachtschiffe sind die Kosten von weniger als USD 1’500 pro 40-Fuss-Container zwischen Schanghai und Rotterdam Mitte Dezember auf mehr als USD 4’400 einen Monat später gestiegen. Dies ist den längeren Transportzeiten zwischen Asien und Europa um das südliche Afrika herum geschuldet. Mit Blick auf die Weltwirtschaft ist zu beachten, dass sich die stärksten Preissteigerungen auf die Routen zwischen Asien und Europa beschränken. Zudem erreichten die Preise nach Chinas Shutdown wegen Covid im Jahr 2021 einen mehr als dreimal höheren Spitzenwert als heute.

    Eine zweite Trump-Regierung in den USA ab 2025 könnte für Europa neue Handelszölle bedeuten; sie könnte zudem die Unterstützung der USA für die Ukraine infrage stellen und die strategische Kohärenz der NATO untergraben.

     

    Vorsprung durch Politik?

    Die Europäische Union wird dafür kritisiert, dass sie sich nur durch regelmässige Krisen weiterentwickle. Die Aussichten für Europa sind seit vielen Jahren schwierig. Doch selbst angesichts der Staatsschuldenkrise, der globalen Pandemie und des Energiepreisschocks nach Beginn des Ukrainekriegs wurden die schlimmsten Szenarien vermieden. Herausforderungen führten oft zu gemeinsamen Lösungen, einschliesslich neuer Finanzierungsmechanismen.

    Wir sehen wenige Impulse für ein höheres aktives Engagement in europäischen Aktien innerhalb der Portfolios

    Aus Anlagesicht sehen wir wenige Impulse für ein höheres aktives Engagement in europäischen Aktien in den Portfolios. Die europäischen Aktienmärkte verzeichnen neue Zyklushochs, und die deutschen und französischen Indizes notieren weiterhin mit einem Abschlag gegenüber den USA. Der Entscheid über ein Investment hängt jedoch nicht nur von den Bewertungen, sondern auch von den Wachstumsaussichten ab. Die Sektorgewichtung sowie die Unternehmenskultur begünstigen unseres Erachtens nach wie vor US-Aktien. Wir sehen US-Aktien als Kernposition in den Portfolios an – ebenso wie europäische Aktien in auf EUR lautenden Portfolios – und haben zurzeit keinen taktischen Fokus in der Eurozone.

    Angesichts unserer Einschätzung der Leitzinsen sind die Argumente für eine Übergewichtung von Anleihen klarer, aber auch etwas in die Zukunft verschoben. Die Leitzinsen werden sinken, aber wie erwähnt, gehen wir davon aus, dass dieser Trend langsamer starten und länger dauern wird, als die Konsensmeinung erwarten lässt. Vor diesem Hintergrund haben wir bei Investment-Grade-Anleihen Gewinne mitgenommen, indem wir dieses Engagement nach einem starken Renditerückgang sowie aufgrund engerer Spreads und hoher Neuemissionen auf ein strategisches Niveau gesenkt haben.

    2023 wurde der Euro weitgehend in einer engen Spanne zwischen 1,06 und 1,12 US-Dollar pro Euro gehandelt. Wir erwarten, dass das langsamere Wachstum in der Eurozone die Gemeinschaftswährung gegenüber dem US-Dollar im ersten Quartal des Jahres belasten wird. So dürfte der Euro in den kommenden Monaten von seinem derzeitigen Niveau um 1,09 Euro pro Dollar in Richtung 1,04 fallen. Dagegen rechnen wir mit einer taktischen Aufwertung des Euro gegenüber dem Schweizer Franken. Denn die Schweizerische Nationalbank hat ihre Devisenkäufe eingestellt, und wir halten den Optimismus gegenüber dem Schweizer Franken als Zufluchtswährung für übertrieben.

    Wichtige Hinweise.

    Die vorliegende Marketingmitteilung wurde von der Bank Lombard Odier & Co AG (nachstehend “Lombard Odier”) herausgegeben. Sie ist weder für die Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung in Rechtsordnungen bestimmt, in denen eine solche Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung rechtswidrig ist, noch richtet sie sich an Personen oder Rechtsstrukturen, an die eine entsprechende

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