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    Öl- und Gaspreise divergieren angesichts einer sich verändernden Rohstoffdynamik

    Öl- und Gaspreise divergieren angesichts einer sich verändernden Rohstoffdynamik
    Jianwen Sun - Quantitative Investment Strategist

    Jianwen Sun

    Quantitative Investment Strategist
    Robin Haworth - Equity Analyst, energy sector

    Robin Haworth

    Equity Analyst, energy sector

    Kernpunkte

    • Die Brent-Rohölpreise steigen angesichts von Versorgungsstörungen und Anzeichen für eine stärkere Nachfrage. Sie dürften am oberen Ende einer Spanne von USD 80 bis USD 90 pro Barrel verharren.
    • Auf den aktuellen Niveaus dürften die Ölpreise weder den Trend einer sinkenden weltweiten Inflation noch die von uns für 2024 prognostizierte geldpolitische Lockerung in den USA und der Eurozone beeinträchtigen.
    • Die Erdgaspreise sind auf das Niveau gefallen, auf dem sie vor der Ukraine-Invasion notiert haben. Das kommt der Wirtschaft der Eurozone zugute.
    • Das aktuelle makroökonomische und geopolitische Umfeld unterstützt viele Rohstoffe. Unsere strukturellen und taktischen US-Engagements profitieren vom Status der USA als wichtiger Energieexporteurin. Wir haben auch eine taktische Präferenz für Energieunternehmen.

    Steigende Ölpreise schüren die Sorgen der Anlegerinnen und Anleger, dass eine hartnäckige Inflation die Zinssenkungen verzögern oder beeinträchtigen könnte. Der starke Rückgang der Erdgaspreise markiert jedoch das Ende eines mehrjährigen Energieschocks und dürfte den Beginn einer Erholung in Europa einläuten.

    Die Ölpreise haben sich Anfang April einem Sechsmonatshoch angenähert. Angriffe auf russische Ölraffinerien und zunehmende Spannungen im Nahen Osten liessen Bedenken über Versorgungsunterbrechungen aufkommen. Die Organisation der Erdöl exportierenden Länder und wichtige Nichtmitglieder (OPEC+) halten ihre bestehenden Produktionskürzungen bis Ende Juni aufrecht, was das Gleichgewicht auf dem Ölmarkt beeinträchtigt.

    Es gibt auch Anzeichen für eine beginnende Erholung der weltweiten Ölnachfrage, vor allem angesichts höher tendierender Indizes für das verarbeitende Gewerbe in den USA und China. Die Anleger fragen sich nun, ob die Ölpreise weiter steigen, und zahlen auf den Derivatemärkten mehr, um sich vor höheren Preisen zu schützen.

    Die Anleger fragen sich, ob die Ölpreise weiter steigen, und zahlen auf den Derivatemärkten mehr, um sich vor höheren Preisen zu schützen

    Allerdings haben einige Länder der OPEC+ in den letzten Wochen mehr Öl exportiert, wahrscheinlich um die gedrosselte russische Produktion teilweise auszugleichen. Die aktuellen Reservekapazitäten der OPEC+ können die derzeitigen Versorgungsstörungen auffangen – sofern die Organisation bereit ist, einzugreifen.

    Wenn die aktuellen Bedingungen anhalten, dürften die Länder der OPEC+ einen Teil ihrer freiwilligen Produktionskürzungen in der zweiten Hälfte 2024 allmählich zurücknehmen. Ölpreise im oberen 80er- oder unteren 90er-Bereich liegen deutlich über dem Niveau, das viele Länder der OPEC+ für einen ausgeglichenen Haushalt benötigen. Wenn sie mehr Öl pumpen würden, um Versorgungsunterbrechungen anderswo auszugleichen, würde sich ihre Haushaltslage entspannen. Die derzeitigen Ölpreisniveaus haben sich zwar für die weltweite Verbrauchernachfrage nicht als schädlich erwiesen, doch könnte sich dies ändern, wenn die Preise weiter steigen. Dieses Risiko will die OPEC+ vermeiden.

    Die derzeitigen Ölpreisniveaus haben sich zwar für die weltweite Verbrauchernachfrage nicht als schädlich erwiesen, doch könnte sich dies ändern, wenn die Preise weiter steigen. Dieses Risiko will die OPEC+ vermeiden

    Natürlich gehen die Versorgungsrisiken weit über Russland hinaus. Sie umfassen Szenarien wie strengere Sanktionen gegen die iranische oder venezolanische Produktion oder eine Konflikteskalation. Diese könnte den Seetransport in der Strasse von Hormuz oder im Roten Meer beeinträchtigen. Sie könnte rund eine Million Barrel Öl pro Tag gefährden und die Preise auf über USD 100 pro Barrel steigen lassen – wir haben diese Szenarien erörtert. Die aktuellen Kapazitätsreserven der OPEC+ übersteigen jedoch dieses Niveau.

    Wir erwarten, dass Brent-Rohöl am oberen Ende einer Spanne von USD 80 bis 90 pro Barrel verharrt. Die steigende Nachfrage dürfte die Preise in der zweiten Hälfte 2024 stützen. Gleiches gilt für der Wunsch der OPEC+, das Angebot proaktiv zu steuern, um die Preise zu stabilisieren.

    Wir erwarten, dass Brent-Rohöl am oberen Ende einer Spanne von USD 80 bis 90 pro Barrel verharrt

    Ölpreise und Inflationsängste

    Die in den letzten Wochen gestiegenen Ölpreise schüren bei den Anlegern Sorgen: zum einen bezüglich einer wider Erwarten hartnäckigen Inflation und zum anderen bezüglich der Fähigkeit der amerikanischen und europäischen Notenbank, die Zinsen in den kommenden Monaten zu senken. Die Konsenserwartungen für Zinssenkungen sind dieses Jahr bereits stark zurückgegangen. Die Terminmärkte sind nun geteilter Meinung, was die Aussicht auf eine Zinssenkung der US-Notenbank Fed im Juni angeht; dieser Schritt galt noch vor wenigen Wochen als nahezu sicher. Nachdem geopolitische Bedenken den Ölpreis Anfang April in die Höhe getrieben haben, sind die zehnjährigen US-Renditen auf ein Fünfmonatshoch gestiegen. Dadurch sind die Aktienindizes unter Druck geraten.

    Doch selbst mit USD 90 pro Barrel liegen die Brent-Rohölpreise unter den Spitzenwerten von 2023. Sie notieren auch unter den Niveaus, die 2022 mehrheitlich vorherrschten. Auf dem derzeitigen Level dürften die Ölpreise den globalen Disinflationstrend oder die Politik der Notenbanken der Industrieländer nicht beeinträchtigen. Als Gegentrend zum teureren Öl geht die Inflation bei den Warenpreisen schnell zurück, was durch billige Exporte aus China unterstützt wird. Die Dienstleistungsinflation in den westlichen Märkten erweist sich zwar als hartnäckiger als erwartet, doch der Abwärtstrend setzt sich fort. Die Mieten sinken, die Arbeitsmärkte in den USA und in Europa finden besser ins Gleichgewicht, und das Lohnwachstum kommt unter Kontrolle. Wir rechnen für dieses Jahr weiterhin mit einer geldpolitischen Lockerung von 100 Basispunkten in den USA und in Europa, voraussichtlich ab Juni.

    Fallende Erdgaspreise

    Die veränderte Dynamik auf anderen Energiemärkten hat eine transformative Wirkung. Die Erdgaspreise sind in den letzten 18 Monaten drastisch gefallen. Nach dem Einmarsch Russlands in der Ukraine erlitt Europa einen schweren Energiepreisschock, da es seinen wichtigsten Erdgaslieferanten ersetzen musste. Als das Angebot zurückging, schnellten die Gaspreise in Europa um mehr als 1’000% in die Höhe. Doch heute liegen die Preise nicht nur in Europa, sondern auch in Asien und den USA auf tieferen Niveaus als vor der Invasion Russlands.

    Heute liegen die Preise nicht nur in Europa, sondern auch in Asien und den USA auf tieferen Niveaus als vor der Invasion Russlands

    Was ist die Ursache für diesen Rückgang? In Europa haben die Energiemärkte flexibler auf den Wegfall Russlands als Lieferant reagiert, als viele erwartet hatten. Die Länder suchten nach alternativen Anbietern, errichteten eine neue Infrastruktur für Flüssigerdgas (LNG) und fuhren die Produktion erneuerbarer Energien hoch. Die Nachfrage nach Erdgas ging um etwa einen Fünftel zurück, da die Industrie als Reaktion auf die hohen Preise weniger Gas verbrauchte. Zudem sank aufgrund von zwei milden Wintersaisons die Nachfrage für das Heizen, die den Grossteil des Erdgasverbrauchs ausmacht. Die europäischen Gaslager sind jetzt zu etwa 60% gefüllt. Sie liegen damit über historischen Niveaus am Ende des Winters, wenn die Vorräte normalerweise wieder aufgestockt werden. Zwar ist Europa mit einem weiteren unsicheren Winter konfrontiert, bevor seine Infrastruktur voll belastbar ist, aber die Energiekrise scheint überstanden.

    Warum entwickeln sich die Erdgaspreise in entgegengesetzter Richtung zu den Ölpreisen? Anders als bei Öl gibt es auf dem Gasmarkt kein kontrollierendes Kartell, und es herrscht temporär ein Überangebot. Die US-Produzenten haben die LNG-Produktion hochgefahren, und in den nächsten Jahren werden weitere Anlagen in Betrieb genommen. Ein vorübergehender Stopp neuer Projekte durch Präsident Biden wird angesichts eines Zeitrahmens von fünf bis zehn Jahren bis zur Inbetriebnahme vorerst kaum Folgen haben.

    Der Wettbewerb auf dem Heizmarkt hat durch erneuerbare Energien stark zugenommen. Hintergrund ist eine Kombination aus staatlichen Anreizen, wachsender Verbrauchernachfrage und technologischen Verbesserungen zur Kostensenkung. Die Gaspreise können nicht mehr viel weiter fallen, ohne unter die Grenzkosten der Produktion für US-LNG-Lieferanten zu sinken, die jetzt die wichtigsten der Welt sind.

    Während der Markt kurzfristig überversorgt sein mag, sprechen wichtige Gründe für eine langfristige Zunahme der Nachfrage. Erdgas dürfte weiterhin eine Rolle bei der Energiewende spielen, auch wenn die Produktion von erneuerbaren Energien und Kernenergie zunimmt. Die Umstellung von Kohle auf Gas in Asien, dem grössten Abnehmer von LNG, steckt noch in den Anfängen. Auch die Nachfrage der Rechenzentren nach einer konstanten Energieversorgung steigt, bedingt durch die Trends in den Bereichen Cloud Computing, Big Data und künstliche Intelligenz. Dies begünstigt Erdgas.

     

    Der Energieschock klingt ab

    Die Auswirkungen der im Vergleich zu den letzten Jahren niedrigeren Öl- und Gaspreise sind insgesamt enorm. Ein weiterer Schock nach der Pandemie klingt ab, und zugleich geht die Volatilität der Inflation zurück. Europa hat den jüngsten Energieschock besonders stark zu spüren bekommen. Wir erwarten, dass sich das Wachstum in der Eurozone dieses Jahr nach einem schwierigen Jahr 2023 in begrenztem Umfang auf etwa 1,1% erholt. Die niedrigere Inflation, die zum Teil auf die Normalisierung der Energiepreise zurückzuführen ist, trägt dazu bei, dass die Realeinkommen im Euroraum wieder steigen. Dies stützt den Konsum und damit den wichtigsten Wachstumsmotor. Sowohl das verarbeitende Gewerbe als auch das Verbrauchervertrauen in Europa verbessern sich von niedrigen Niveaus aus. Aufgrund der Umstellung des Stromsektors von Kohle auf Gas sinken die Kohlepreise, welche die Unternehmen zahlen müssen – ein unterstützender Faktor für europäische Industrieunternehmen.

    Ein weiterer Schock nach der Pandemie klingt ab, und zugleich geht die Volatilität der Inflation zurück

    Wie spiegelt sich die veränderte Energiedynamik in unseren Anlageentscheidungen wider? Wir berücksichtigen den strukturellen Vorteil der USA als weltweit grösster Exporteurin von Erdöl und LNG auf zwei Arten: in einer höheren Gewichtung der USA in unserer strategischen Vermögensallokation sowie in unserer aktuellen taktischen Präferenz für US-Aktien und den US-Dollar. Seit Ende 2023 haben wir auch eine taktische Präferenz für Energieaktien. Diese Werte haben in den letzten Wochen an Boden gewonnen und profitieren von zweistelligen Free-Cashflow-Renditen, was sich günstig auf die Dividendenausschüttung an die Aktionäre und auf Aktienrückkäufe auswirkt. Ausserdem bieten sie den Anlegern eine Absicherung gegen die Inflation.

    Wichtige Hinweise.

    Die vorliegende Marketingmitteilung wurde von der Bank Lombard Odier & Co AG (nachstehend “Lombard Odier”) herausgegeben. Sie ist weder für die Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung in Rechtsordnungen bestimmt, in denen eine solche Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung rechtswidrig ist, noch richtet sie sich an Personen oder Rechtsstrukturen, an die eine entsprechende

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