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    Japans steigende Preise und divergierende Notenbankpolitik

    Japans steigende Preise und divergierende Notenbankpolitik
    Stéphane Monier - Chief Investment Officer<br/> Lombard Odier Private Bank

    Stéphane Monier

    Chief Investment Officer
    Lombard Odier Private Bank

    Kernpunkte:

    • Mit 2,5% übersteigt die japanische Inflation zum ersten Mal seit mindestens einem Jahrzehnt das Ziel der BoJ
    • Im Gegensatz zu anderen Notenbanken der Industrieländer hält die BoJ an einer lockeren Geldpolitik fest, bis sich die Wirtschaft vollständig erholt
    • Die Yen-Schwäche wird im weiteren Jahresverlauf anhalten und ist ein politisch sensibles Thema
    • Wir warten auf weitere Anzeichen dafür, dass die jahrzehntelange Deflation vorbei ist, was ein positiver Katalysator für japanische Aktien sein könnte.

    Nach Jahrzehnten der Deflation erleben die japanischen Verbraucher steigende Preise.Umaibo, ein beliebter Maissnack, hat sich im Januar zum ersten Mal seit der Markteinführung des Produkts im Jahr 1979 verteuert, und zwar um 20%. Im Oktober will Asahi Breweries, eine der grössten Brauereien des Landes, die Preise um 10% anheben – die erste Preiserhöhung seit 14 Jahren.

    Im Mai ist die Gesamt-Verbraucherpreisinflation in Japan den zweiten Monat in Folge um 2,5% gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Die weltweit höheren Rohstoffpreise trieben in Verbindung mit dem schwächeren japanischen Yen die Importkosten für Energie und Verbrauchsgüter in die Höhe. Eine Erhebung zu Lebensmitteln zeigte letzte Woche, dass sich die Preise in diesem Jahr um 15% erhöht haben.

    Bis zu diesem Jahr schien das von der Bank of Japan (BoJ) im Januar 2013 festgelegte Ziel eines jährlichen Inflationsanstiegs von 2% unerreichbar zu sein – abgesehen von den vorübergehenden Ausschlägen, die in Zeiten von Verbrauchssteuererhöhungen zu beobachten waren. Nun hat die Inflation zum ersten Mal seit dem Amtsantritt von Notenbankgouverneur Haruhiko Kuroda den Zielwert erreicht und dürfte auch für den Rest von Kurodas zehnjähriger Amtszeit, die im April 2023 endet, dort verharren (siehe Grafik 1).

    Nun hat die Inflation … den Zielwert erreicht und dürfte … dort verharren

    Die Geldpolitik und ihr potenzieller Beitrag zu den steigenden Lebenshaltungskosten sind in Japan wie auch in anderen entwickelten Volkswirtschaften zu einem Politikum geworden. Die Wähler, die an die Inflation nicht gewöhnt und oft von Festverzinslichen abhängig sind, können ihre Bedenken zum Ausdruck bringen, wenn sie am 10. Juli die Hälfte des Oberhauses für eine neue sechsjährige Amtszeit wählen. Ministerpräsident Fumio Kishida, der sich dieses Risikos bewusst und durch die Abwertung des Yen beunruhigt ist, hat weitere Erleichterungen für Haushalte und Unternehmen versprochen. Er lehnt Zinserhöhungen ab mit dem Argument, dass dies den fast 3,6 Millionen kleinen und mittelgrossen Unternehmen in Japan schaden würde.

    Die stark von anderen Notenbanken abweichende Haltung der BoJ erfordert eine nuanciertere Kommunikation. Um die steigende Inflation im Vereinigten Königreich, in den USA und in der Eurozone zu bekämpfen, haben die Notenbanken die Zinsen so schnell wie seit fast vier Jahrzehnten nicht mehr angehoben oder planen entsprechende Schritte. Die jährlichen Preissteigerungen in den genannten Regionen haben im Mai 9,1%, 8,6% bzw. 8,1% betragen. Die BoJ ist entschlossen, ihre akkommodierenden Massnahmen vorerst beizubehalten, und hat die Käufe japanischer Staatsanleihen (JGB) beschleunigt. Die Notenbank erklärte, sie werde „so lange wie nötig“ damit fortfahren, um die Inflation „auf stabile Weise“ über ihrem 2%-Ziel zu halten.

    Die BoJ bleibt … die letzte Taube

    Eine Taube unter Falken

    Die BoJ bleibt aufgrund der einzigartigen makroökonomischen Bedingungen in Japan die letzte Taube – d.h. Notenbank mit lockerer Geldpolitik – unter den Industrieländern. Wir erwarten zwar eine Konjunkturerholung, aber es ist zu früh, um von einem Nachfrageüberhang zu sprechen. Schliesslich erlebte Japan im ersten Quartal aufgrund der Schocks einer neuen Covid-Welle und des Ukrainekriegs einen Wirtschaftsrückgang. Sowohl die Regierung als auch die BoJ unterstützen eine anhaltend lockere Geldpolitik. Dies macht eine Anhebung der kurzfristigen Zinsen auf 0% unwahrscheinlich, da dies als Beginn eines Zinserhöhungszyklus angesehen würde.

    Am 17. Juni verpflichtete sich die BoJ, weiterhin zehnjährige Referenzanleihen zu kaufen, um die Renditen unter der Ziel-Obergrenze von 0,25% zu halten – ein Mechanismus, der als „Steuerung der Zinskurve“ bekannt ist. Zum Zeitpunkt der Redaktion liegt die Rendite der Anleihe bei 0,23%, verglichen mit 0,045% zu Beginn des Jahres 2022. In der Vergangenheit erweiterte die Notenbank ihre Zielspanne, wenn sich die globalen Renditen stabilisierten. Wir erwarten, dass die BoJ ihre Obergrenze vor Ende 2022 auf 0,50% anheben wird (siehe Grafik 2). Die entsprechenden US-Staatsanleihen rentieren nun mit mehr als 3,2%, und die Anleger haben japanische Anleihen in Rekordhöhe verkauft.

    Wenn die regierenden Liberaldemokraten von Premier Kishida am 10. Juli mehr Stimmen erhalten, erwarten die Marktteilnehmer ein Mandat für eine dreijährige ununterbrochene Regierungszeit mit anhaltender Unterstützung der lockeren Geldpolitik der BoJ. Ein Wahlsieg könnte Fumio Kishida ermutigen, seine eigene Wirtschaftspolitik in eine verbraucherfreundlichere Richtung zu lenken, wie es seine Besorgnis über die Yen-Schwäche nahelegt.

     

    Keine Sehnsucht nach dem Yen

    Haruhiko Kuroda verteidigt zwar die akkommodierende Geldpolitik, hat aber jüngst aufgehört, über die positiven wirtschaftlichen Auswirkungen des schwachen Yen zu sprechen. Das mag daran liegen, dass der schwache Yen in einer politisch heiklen Zeit die Importe verteuert und die Inflation in die Höhe treibt.

    Solange die BoJ die Renditen von Staatsanleihen nicht ansteigen lässt, dürfte sich der Yen um das aktuelle Niveau von 135 stabilisieren

    Solange die BoJ die Renditen von Staatsanleihen nicht ansteigen lässt, dürfte sich der Yen um das aktuelle Niveau von 135 stabilisieren. Das letzte Mal, dass die japanische Währung gegenüber dem Dollar so tief notierte, war im Juli 1998. Darauf folgte eine Yen-Rally, die durch einen Handelsbilanzüberschuss und Zuflüsse ausländischer Direktinvestitionen angetrieben wurde. Diesmal könnte es anders sein, denn das japanische Zahlungsbilanzdefizit deutet auf eine weitere Schwäche hin.

    Wir sehen den Dollar-Yen-Kurs zum Jahresende bei 135, nach einer volatilen Entwicklung in einer Spanne von 130 bis 140. Die Stärke des Dollar dürfte anhalten, da die straffere US-Geldpolitik seinen Status als Zufluchtswährung untermauert. Längerfristig könnte eine langsamere Straffung der US-Geldpolitik oder die Aussicht auf eine Rezession in den USA und Europa den Yen stärken. 

     

    Bestandsaufnahme

    Japanische Aktien haben sich in diesem Jahr relativ gut geschlagen. In Lokalwährung haben sie um etwa 5% nachgegeben und sich damit passiv besser entwickelt als der Rest der Welt. Bereinigt um die Yen-Abwertung stehen ausländische Anlegerinnen und Anleger in Japan jedoch nicht besser da.

    Was belastet die Aussichten der japanischen Aktien? Ungeachtet des Erholungspotenzials hängen die Gewinnrevisionen von der weltweiten Konjunktur ab, die sich verlangsamt. Ausserdem zögern die japanischen Unternehmen, höhere Preise an die Kunden weiterzugeben. Dies erhöht den Druck auf die Margen und hält ausländisches Kapital fern, während die BoJ die Käufe passiver Vermögenswerte reduziert. Wir bleiben vorsichtig, was die Risiken einer globalen Rezession, einer langsameren Wiedereröffnung der chinesischen Wirtschaft oder eines stockenden Lohnanstiegs angeht.

    Die Bewertungen am japanischen Aktienmarkt erscheinen jedoch relativ attraktiv. Die Unternehmen geben einbehaltene Gewinne zunehmend über Rückkäufe an die Aktionäre zurück, und die wirtschaftliche Erholung wird vielen Sektoren zugutekommen. Insgesamt dürften die Gewinne 2022 um fast 8% steigen, ähnlich wie in den USA und Europa.

    Japanische Zykliker und Substanzwerte werden weiterhin von der Auslandsnachfrage angetrieben, während Finanztitel durch die erwartete Änderung der japanischen Geldpolitik unterstützt werden könnten. Der Wirtschaftsaufschwung in China würde dem japanischen Automobil-, Stahl- und Maschinensektor zugutekommen, während die inländische Erholung positiv für die Reisebranche und den Einzelhandel ist.

    Wir beobachten die potenziell positiven Auswirkungen einer Wiedereröffnung der japanischen Wirtschaft, höherer Renditen und einer grösseren Preismacht der Unternehmen. Weitere Anzeichen dafür, dass Japan die jahrzehntelange Deflation hinter sich lässt, würden die langfristigen Aussichten für die Aktien des Landes verbessern. Nach einer Aufstockung des Engagements im vierten Quartal 2021 bleiben wir bis auf Weiteres bei einer neutralen Haltung gegenüber japanischen Aktien.

    Wichtige Hinweise.

    Die vorliegende Marketingmitteilung wurde von der Bank Lombard Odier & Co AG (nachstehend “Lombard Odier”) herausgegeben. Sie ist weder für die Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung in Rechtsordnungen bestimmt, in denen eine solche Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung rechtswidrig ist, noch richtet sie sich an Personen oder Rechtsstrukturen, an die eine entsprechende

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