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    Am Gastropf Russlands – Spannungen wegen russischer Energie verschärfen sich

    Am Gastropf Russlands – Spannungen wegen russischer Energie verschärfen sich
    Stéphane Monier - Chief Investment Officer<br/> Lombard Odier Private Bank

    Stéphane Monier

    Chief Investment Officer
    Lombard Odier Private Bank

    Kernpunkte

    • Die wichtigsten Gaspipelines Europas sind wegen Wartung geschlossen. Europa befürchtet, weitere russische Unterbrechungen könnten eine Rezession auslösen. Der Gasmangel würde sich unterschiedlich auf Länder und Branchen auswirken
    • Die westlichen Sanktionen gegen russische Energie sind weniger wirksam als erhofft, da die Lieferungen in andere Länder umgeleitet wurden
    • Wegen der angespannten Angebotssituation sehen wir den Ölpreis für den Rest des Jahres 2022 bei über USD 100 pro Barrel
    • Wir bleiben in einem diversifizierten Rohstoffkorb übergewichtet – als Absicherung gegen Inflation und geopolitische Risiken. Steigt die Wahrscheinlichkeit einer schweren US-Rezession, überprüfen wir unsere Positionierung.

    Europa steht vor einer weiteren Gasverknappung und bereitet sich auf zusätzliche Schwierigkeiten wegen russischer Lieferunterbrechungen vor. Die Energiekrise und die Bemühungen des Westens, die russischen Gas- und Öleinnahmen zu beschneiden, schüren zunehmende Rezessionsängste. Die Länder suchen nach alternativen Quellen. Die Rezessionssorgen haben die Rohstoffpreise jüngst gedämpft. In einem Markt mit begrenztem Angebot sehen wir wenig Spielraum für weitere Preisrückgänge.

    Die russischen Gaslieferungen nach Deutschland sind im Juni im Vergleich zum Mai um mehr als 40% zurückgegangen. Sie dürften in Kürze vollständig unterbrochen werden. Die Pipeline Nord Stream 1 wird ab 11. Juli einer routinemässigen jährlichen Wartung unterzogen. Deutschland ist besorgt, dass die Lieferungen nicht wie geplant zehn Tage später wieder aufgenommen werden. Die russischen Pipelinelieferungen werden benötigt, um die europäischen Speicher über die Sommermonate aufzufüllen. Da Moskau die Gaslieferungen nach Europa drosselt, erhält der Kontinent laut Schätzungen von J.P. Morgan jetzt 53% weniger Gas aus Russland als durchschnittlich vor Kriegsbeginn. Versorgungsunterbrechungen könnten dazu führen, dass der Speicherstand in Europa zu Beginn des Winters – wenn die Nachfrage aufgrund der Heizperiode ihren Höhepunkt erreichen wird – weit unter den angestrebten 80% liegt (siehe Grafik 1). Die europäischen Grosshandelspreise für Gas haben sich seit Anfang Juni mehr als verdoppelt. Es könnten Rationierungen eingeführt werden. Das könnte ausreichen, um in Europa eine Rezession auszulösen.

    Die europäischen Grosshandelspreise für Gas haben sich seit Anfang Juni mehr als verdoppelt. Es könnten Rationierungen eingeführt werden. Das könnte ausreichen, um in Europa eine Rezession auszulösen

    Der Krieg in der Ukraine bedeutet eine Neuordnung für die Energienetze der Welt. Die G-7-Staaten erörtern Möglichkeiten zur Begrenzung der russischen Öl- und Gaspreise. Europa will sich aus der Abhängigkeit von russischem Gas befreien und hat seine Einfuhren von 40% auf 24% der Gesamtlieferungen gesenkt. Es ist schwierig, kurzfristig alternative Bezugsquellen zu finden. Zudem braucht der Aufbau von Kapazitäten für erneuerbare Energien Zeit. Seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine haben die USA ihre Lieferungen von Flüssigerdgas (LNG) nach Europa erhöht. So haben sie ihren Anteil seit 2021 fast verdreifacht – auf 15% der Gesamtlieferungen im Mai. Allerdings wurde die US-Kapazität letzten Monat durch einen Brand in einer Anlage in Texas beeinträchtigt. Andere LNG-Quellen sind sehr gefragt. Die europäischen Importterminals sind bereits voll ausgelastet. Mit der Wiederbelebung der chinesischen Wirtschaft wird das Land zunehmend mit Europa um Lieferungen konkurrieren.

    Die Gasverknappung wird nicht überall auf dem Kontinent gleich stark zu spüren sein. Deutschland, Italien und Finnland gehören zu den Ländern, die am stärksten von russischen Importen abhängig sind. Die Niederlande, Rumänien und Irland sind weniger betroffen (siehe Grafik 2). Deutschland verfügt über keine inländischen LNG-Terminals. Es plant den Bau von zwei Anlagen und sieht sich gezwungen, die Schliessung von Kohlekraftwerken zu stoppen. Belgien hat einen Plan zum Ausstieg aus der Kernenergie verschoben. Der Gashandel zwischen den Ländern hat in der Vergangenheit geholfen, Schocks zu dämpfen. Jetzt wird befürchtet, dass nationale Interessen die Oberhand gewinnen könnten: Das Vereinigte Königreich spricht davon, im Notfall die Lieferungen nach Europa zu unterbrechen. Düngemittel-, Chemie-, Stahl- und Aluminiumhersteller sind beunruhigt. Die Behörden planen, im Notfall die Versorgung von Haushalten, Krankenhäusern und Schulen zu priorisieren.

    Düngemittel-, Chemie-, Stahl- und Aluminiumhersteller sind beunruhigt. Die Behörden planen, im Notfall die Versorgung von Haushalten, Krankenhäusern und Schulen zu priorisieren

    Wieder schlechte Nachrichten zur Inflation

    Die Verknappung des Gasangebots könnte den Inflationsdruck erhöhen. Die Verbraucherpreise in der Eurozone stiegen im Mai um rekordhohe 8,1% im Vergleich zum Vorjahr und dürften laut der Europäische Kommission im Juni um 8,6% angezogen haben. Die Europäische Kommission geht davon aus, dass fast 42% des Anstiegs auf die Energiepreise entfallen.

    Die hohen Energiepreise beginnen bereits die Nachfrage zu dämpfen, selbst in den USA. Wir erwarten, dass der anhaltende Krieg in der Ukraine und die damit verbundenen Versorgungsunterbrechungen das weltweite Wachstum in diesem Jahr um 1% schmälern werden. Dennoch könnte das Wachstum in der Eurozone aufgrund der Erholung von der Pandemie weiterhin solide 2,5% betragen. Sollte die Versorgung über Nord Stream 1 nicht wieder aufgenommen werden, würde dies der Wirtschaft weiteren grossen Schaden zufügen. Allerdings ist anzumerken, dass Russland zwar Kapazität für umfangreichere Lieferungen nach China aufweist, aber nur wenige Ersatzabnehmer für sein Pipelinegas hat, da seine Pipelines hauptsächlich nach Westen führen.

    Wir erwarten, dass der anhaltende Krieg in der Ukraine und die damit verbundenen Versorgungsunterbrechungen das weltweite Wachstum in diesem Jahr um 1% schmälern werden

    Öl und Ölpreis

    Die Ölpreise – ein Indikator für das globale Wachstum – sind seit ihrem Höchststand am 8. Juni um 15% gefallen. Die Märkte preisen für 2023 zunehmend das Risiko einer Rezession in den USA und Europa ein. Was wird in den kommenden Monaten geschehen? Das Angebot scheint begrenzt. Die Freigabe strategischer Reserven hilft kurzfristig, doch die Wirkung dürfte im dritten Quartal abflauen. In der Vergangenheit hat die Organisation der Erdöl exportierenden Länder (OPEC) die Nachfrage und eine Reihe von Angebotsschocks gut bewältigt. Doch heute verfügt sie nur über begrenzte Kapazitäten zur Ausweitung der Produktion. Viele ihrer Mitglieder stehen unter starkem Druck, die aktuellen Produktionsziele zu erreichen. Es ist unwahrscheinlich, dass die US-Schieferproduktion die Lücke füllen kann. Die Industrie hat noch immer nicht wieder das Vor-Covid-Produktionsniveau erreicht, und die Raffinerieanlagen bekunden Probleme.

    Unsere Analyse zeigt auch, dass eine grössere US-Rezession eintreten müsste, um den Verlust der russischen Lieferungen auszugleichen. Wir gehen gemäss unserem Basisszenario für 2023 von einer leichten Rezession in den USA aus. Gemäss diesem Szenario würde die Nachfrage nicht so stark zurückgehen, dass das Gleichgewicht des Ölmarkts ernsthaft beeinträchtigt würde. Die Wiedereröffnung Chinas wird die Nachfrage ankurbeln. Die Reisetätigkeit hat in der Europäischen Union inzwischen wieder das Vor-Pandemie-Niveau erreicht, und auch in China nimmt sie zu. Die Mobilitätsindikatoren in den USA und Europa hingegen haben sich in den letzten Wochen abgeschwächt. Solange eine schwere Rezession vermieden wird, dürfte der Ölpreis für den Rest des Jahres 2022 über USD 100 pro Barrel verharren, bevor er 2023 allmählich zurückgeht.

    Solange eine schwere Rezession vermieden wird, dürfte der Ölpreis für den Rest des Jahres 2022 über USD 100 pro Barrel verharren, bevor er 2023 allmählich zurückgeht

    Welche Auswirkungen werden die westlichen Bemühungen um eine Kürzung der russischen Öleinnahmen haben? Die europäischen Staats- und Regierungschefs haben sich bereits darauf geeinigt, die Öleinfuhren aus Russland, die nach Angaben der Weltbank im Jahr 2021 einen Wert von USD 69 Mrd. hatten, bis Ende dieses Jahres einzustellen. Die von den G-7-Staaten diskutierte Preisobergrenze für russische Ölexporte wäre nur schwer durchsetzbar. Im Gegensatz zu den Gasmärkten ist es für Ölproduzenten und -abnehmer einfacher, alternative Kunden bzw. Quellen sowie Transportrouten zu finden.

    Die Wirkung der US- und EU-Sanktionen war bisher enttäuschend. Russische Lieferungen wurden in andere Länder, darunter China, Indien und die Türkei, umgeleitet. Eine hypothetische Preisobergrenze von etwa USD 50 pro Barrel mag in der Theorie attraktiv scheinen. Das Verbot von Seeversicherungen für Transporte ist ein Versuch, die Lieferung von russischem Öl zu unterbinden. Doch die Erfahrung mit Iran zeigt, dass es immer Wege gibt, Embargos zu umgehen. Russlands eigene Versicherer und jene von Abnehmerländern wie Indien übernehmen bereits die Deckung von Tankern.

    Die Auswirkungen der US- und EU-Sanktionen waren bisher enttäuschend. Russische Lieferungen wurden in andere Länder, darunter China, Indien und die Türkei, umgeleitet

    Ausblick für Rohstoffe

    Selbst nach den jüngsten Rückgängen sind die Rohstoffpreise, gemessen am Rohstoffindex S&P GSCI, gegenüber Anfang Jahr immer noch 22% im Plus. Seit Beginn des Ukrainekriegs haben wir in einen breiten Korb von Rohstoffen investiert, darunter Energie, Industriemetalle und Gold. Wir behalten diese Übergewichtung als Absicherung gegen die Inflation und geopolitische Risiken bei – einschliesslich des Risikos, dass die russische Vergeltung für neue westliche Massnahmen die Ölpreise in die Höhe schnellen lässt.

    Ungeachtet der Bedenken mit Blick auf das Konjunkturwachstum bestehen für Industriemetalle strukturelle Wachstumsfaktoren: Infrastrukturprojekte und Batterieproduktion im Zusammenhang mit der Energiewende. Aufgrund der angespannten Angebotssituation und der niedrigen Lagerbestände schätzen wir die Öl-, Gold- und Kupferpreise in diesem Jahr im Vergleich zu den Konsensprognosen positiver ein. Natürlich sind die Rohstoffpreise in der Vergangenheit während Abschwungphasen gefallen. Sollte die Wahrscheinlichkeit einer schweren Rezession in den USA steigen – und wir schreiben diesem Szenario ein nennenswertes Risiko von 30% zu –, würden wir unsere Positionierung überprüfen. Dann könnten wir ein breites Engagement in Rohstoffen durch Gold, das traditionell als sicherer Hafen gilt, ersetzen, wenn sich die Zinsen dem Höchststand nähern.

    Wichtige Hinweise.

    Die vorliegende Marketingmitteilung wurde von der Bank Lombard Odier & Co AG (nachstehend “Lombard Odier”) herausgegeben. Sie ist weder für die Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung in Rechtsordnungen bestimmt, in denen eine solche Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung rechtswidrig ist, noch richtet sie sich an Personen oder Rechtsstrukturen, an die eine entsprechende

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