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    Der kostspielige Zermürbungskrieg in der Ukraine belastet weiterhin den Ausblick

    Der kostspielige Zermürbungskrieg in der Ukraine belastet weiterhin den Ausblick
    Stéphane Monier - Chief Investment Officer<br/> Lombard Odier Private Bank

    Stéphane Monier

    Chief Investment Officer
    Lombard Odier Private Bank

    Kernpunkte:

    • Unser Basisszenario eines langwierigen Kriegs in der Ukraine bewahrheitet sich; die russischen Streitkräfte erzielen Gebietsgewinne
    • Wir schätzen, dass die Auswirkungen des Konflikts und weitere globale Störungen wegen Covid das globale BIP-Wachstum im Jahr 2022 um 1% schmälern werden
    • Die Energieversorgung ist nach wie vor stark beeinträchtigt: der Ölpreis dürfte sich für den Rest des Jahres in einer Spanne von USD 100 bis 120 pro Barrel bewegen
    • Wir halten an einer neutralen Aktienposition fest; zudem verlängern und erweitern wir unsere Optionsstrategien, um die Portfolios zu schützen.

    Es gibt keine Anzeichen dafür, dass eine Lösung im Ukrainekrieg näher gerückt ist. Dies erhöht die Unsicherheiten für die Anlegerinnen und Anleger. Die wirtschaftlichen Auswirkungen des Kriegs und der Preis, den die Menschen dafür bezahlen, nehmen weiter zu. Wir schätzen, dass die anhaltenden logistischen Störungen bei Rohstoffen und Lebensmitteln sowie die hohe Inflation das weltweite Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Jahr 2022 um 1% schmälern werden.

    Weder die Ukraine noch Russland drängen auf eine Einigung, da sie davon ausgehen, dass sie zunächst Gebietsgewinne erzielen müssen. Wir sehen keinen Grund, unsere zentrale Erwartung eines langwierigen Kriegs auf der Grundlage unseres Verständnisses der militärischen und politischen Umstände zu ändern. Ein direktes Eingreifen der NATO in den Konflikt, das wir zum jetzigen Zeitpunkt für wenig wahrscheinlich halten, würde die von uns geschätzten Auswirkungen auf das globale BIP verdoppeln. Tragischerweise scheint zurzeit ein Waffenstillstand das am weitesten entfernte unserer drei Szenarien zu sein (siehe Grafik).

    Es gibt zahlreiche Beispiele dafür, dass Regierungen die Komplexität eines militärischen Feldzugs und seine Dauer unterschätzt haben …

    In der jüngeren Geschichte haben politische Leader oft kurze, erfolgreiche Kriege vorausgesagt. Es gibt zahlreiche Beispiele dafür, dass Regierungen die Komplexität eines militärischen Feldzugs und seine Dauer unterschätzt haben – von Deutschlands Plänen in zwei Weltkriegen über Frankreich in Indochina und die USA in Vietnam oder im Irak bis hin zu den USA und der Sowjetunion in Afghanistan. Der Einmarsch Russlands in die Ukraine scheint ein weiteres Beispiel für eine Fehlkalkulation zu sein, die zu einem langwierigen Konflikt führt.

    „Wir müssen uns darauf vorbereiten, dass es Jahre dauern könnte“, sagte der Chef der North Atlantic Treaty Organisation (NATO), Jens Stoltenberg, letzten Monat über den Krieg.

    Zermürbung und Einberufung

    Vor Ort bombardiert die russische Armee weiterhin systematisch ukrainische Städte im Osten und Süden des Landes. Sie führt Raketenangriffe auf Zivilisten durch, unter anderem in der Schwarzmeerstadt Odessa, und hat jüngst die Region Luhansk eingenommen (siehe Karten). Die russische Armee hat sich auf eine Taktik verlegt, die die Feuerkraft konzentriert und gleichzeitig die Luft- und Bodenangriffe besser koordiniert. Entlang der Frontlinien entwickelt sich zunehmend ein Zermürbungskrieg, da Russland bis zu 50’000 Artilleriegeschosse pro Tag aus grosser Entfernung abfeuert. Die Ukraine kann darauf nur mit etwa einem Zehntel dieser Feuerkraft reagieren. Selbst die jüngste Zusage der USA, 220’000 Granaten an die Ukraine zu liefern, würde die ukrainische Artillerie nur für ein paar Tage auf den gleichen Stand bringen. Vieles hängt von der Ausgewogenheit zwischen ukrainischen und russischen Verlusten und der Fähigkeit des Westens ab, die Lieferungen von Munition und Waffen mit grösserer Reichweite an die Ukraine zu beschleunigen.

    Entlang der Frontlinien entwickelt sich zunehmend ein Zermürbungskrieg …

    Nach Schätzungen der USA und des Vereinigten Königreichs hat die russische Armee in den ersten drei Monaten der Kämpfe zwischen 16’000 und 20’000 Soldaten verloren. Russland hat rund 4’000 militärische Todesopfer namentlich gemeldet. Zum Vergleich: In den neun Jahren bis 1989, in denen die Sowjetunion in Afghanistan kämpfte, fielen 15’000 Soldaten.

    Die Armee bietet Prämien an, um die durch den Ukrainekrieg entstandenen Engpässe zu beseitigen. Mangels einer formellen Kriegserklärung kann Russland nicht zu einer breiten Mobilisierung aufrufen. Das russische Wehrpflichtsystem schreibt vor, dass Männer zwischen 18 und 27 Jahren zwölf Monate ins Militär gehen, und bis Mitte Juli werden rund 130’000 Männer rekrutiert. Nach russischem Recht dürfen die Wehrpflichtigen erst nach einer viermonatigen militärischen Ausbildung an der Front eingesetzt werden. Der Kreml hat versprochen, dass keine Rekruten in die Ukraine geschickt werden, doch es gibt dazu gegenteilige Berichte. Im Mai hob Russland die Altersbeschränkung auf, welche Staatsangehörigen über 40 Jahren das Einrücken verunmöglichte. Ziel der Aufhebung ist, die technischen, medizinischen und ingenieurwissenschaftlichen Fachkenntnisse in der Armee zu verbessern. Es sollen Generäle aus dem Ruhestand geholt worden sein, um die Kampfverluste in der Ukraine auszugleichen.

     

    Erweiterung der NATO

    Auf internationaler Ebene mangelt es nicht an Engagement. Vieles deutet darauf hin, dass sich die geopolitischen Prioritäten weiterentwickeln. Letzte Woche versprachen die Staats- und Regierungschefs der G-7-Staaten, die Ukraine „so lange wie nötig“ zu unterstützen. Zudem wurde an einer NATO-Tagung ein neues „strategisches Konzept“ vorgestellt. Darin wurde die aus dem Jahr 2010 stammende Formulierung gestrichen, wonach Russland ein „strategischer Partner“ sei. Stattdessen ist Russland nun „die bedeutendste und unmittelbarste Bedrohung für die Sicherheit der Bündnispartner und für Frieden und Stabilität im euro-atlantischen Raum“.

    Eines der erklärten Ziele von Präsident Wladimir Putin beim Einmarsch in die Ukraine war es, die Expansion der NATO an den Grenzen Russlands zu stoppen. Dieser Plan scheint nicht aufgegangen zu sein, während das innenpolitische Bild von der Bedrohung des Landes durch die Allianz gestützt worden sein dürfte.

    Die Staats- und Regierungschefs Finnlands, Schwedens und der Türkei haben ein Abkommen unterzeichnet. Dieses könnte den Weg für die beiden nordischen Länder ebnen, ihre jahrzehntelange Neutralität zu beenden und der NATO beizutreten. Die Türkei betont nach wie vor, dass sie den Beitritt zu der 30 Nationen umfassenden Organisation blockieren könnte. Sie behauptet, Finnland und Schweden würden kurdische Terrorgruppen unterstützen.

    Die NATO plant, 300’000 Soldaten in Alarmbereitschaft zu versetzen, verglichen mit der heutigen schnellen Eingreiftruppe von 40’000 Mann

    Die NATO plant, 300’000 Soldaten in Alarmbereitschaft zu versetzen, verglichen mit der heutigen schnellen Eingreiftruppe von 40’000 Mann. Der Schwerpunkt soll auf Einsätzen in den baltischen Staaten liegen. Die USA versuchen, ihre Präsenz zu verstärken. Sie haben in Aussicht gestellt, „für die absehbare Zukunft“ 100’000 Soldaten in Europa zu stationieren. Dies umfasst auch eine permanente Truppe in Polen – was ein Novum ist – sowie Kampfjets in Deutschland, dem Vereinigten Königreich und Italien.

    Die Verteidigungsausgaben werden weltweit unweigerlich steigen, damit die sich weiterentwickelnden strategischen Anforderungen erfüllt werden können. NATO-Mitglieder sollten 2% des BIP für die Verteidigung vorsehen, doch in den letzten Jahren haben die meisten diesen Wert nicht erreicht. Das Verteidigungsbudget der USA ist in absoluten Zahlen bereits gestiegen, und zwar um USD 17 Mrd. auf USD 722 Mrd. im Jahr 2022 oder 3,1% des BIP. Für 2023 hat die Regierung Biden USD 737 Mrd. beantragt. Die meisten anderen NATO-Mitglieder sind dabei, ihre „Minderausgaben“ auszugleichen. Deutschland gab in der Vergangenheit weniger als 1,5% des BIP für die Verteidigung aus. Nun einigte man sich letzten Monat im Parlament auf die Finanzierung einer militärischen Modernisierung in Höhe von EUR 100 Mrd. sowie die Anhebung des Durchschnittswerts auf mehr als 2% in den kommenden Jahren.

     

    Ölsituation schwierig

    Aus wirtschaftlicher und politischer Sicht gilt nach wie vor, dass der Krieg die Energieversorgung besonders belastet. Der Europäischen Union ist es gelungen, ihren Bedarf an russischem Gas zu verringern. Deutschland geht davon aus, dass Russland die Gaslieferungen bis Mitte dieses Monats vollständig einstellen könnte. Gegen den Widerstand Ungarns diskutiert die EU zudem Pläne, die russischen Ölimporte bis Ende 2022 auslaufen zu lassen.

    Die Ölpreise dürften bis Ende 2022 in einer Spanne von USD 100 bis 120 pro Barrel verharren – je nachdem, wie schnell sich die Weltwirtschaft verlangsamt. Wir gehen davon aus, dass die Freigabe strategischer Vorräte durch die USA und die Internationale Energieagentur ausreichen wird, um die Nachfrage auf kurze Sicht zu decken. Entscheidend wird die Situation gegen Ende des Jahres sein – wenn die Auswirkungen der strategischen Vorräte abgeklungen sind sowie je nach Nachfrage der expandierenden chinesischen Wirtschaft. Die OPEC (Organisation der Erdöl exportierenden Länder) verfügt nur über begrenzte zusätzliche Ölkapazitäten. Lediglich die Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabien sind in der Lage, ihre Lieferungen zu erhöhen.

    Die Ölpreise dürften bis Ende 2022 in einer Spanne von USD 100 bis 120 pro Barrel verharren – je nachdem, wie schnell sich die Weltwirtschaft verlangsamt

    Am 26. Juni geriet Russland mit rund USD 100 Mio. seiner im Mai fälligen Staatsschulden in Verzug, nachdem die Nachfrist für die Rückzahlung abgelaufen war. Der russische Finanzminister Anton Siluanow nannte die Situation eine vom Westen inszenierte „Farce“. Russland mangelt es nicht an Mitteln zur Zahlung, doch die internationalen Sanktionen verunmöglichen die Überweisung der Gelder. Russland will die USD 40 Mrd., die es ausländischen Gläubigern schuldet, in Rubel tilgen. Die Ratingagenturen Fitch, Moody’s und Standard and Poor’s haben aufgrund des Kriegs ihre Bonitätsbewertungen für Russland eingestellt.

    Der technische Zahlungsausfall ist zwar als globales Finanzereignis unbedeutend, da die Anleger ihre Engagements in russischen Vermögenswerten im Zuge der Sanktionen drastisch reduziert haben. Er verdeutlicht jedoch die zunehmende Isolierung Russlands von den westlichen Märkten.

    Die Wirtschaftstätigkeit hat sich aufgrund der strafferen Geldpolitik verlangsamt. Die Aktienmärkte haben gelitten, da die Anleger die zunehmende Wahrscheinlichkeit einer US-Rezession abwägen. Wir schätzen das Risiko eines leichten Abschwungs in den USA im Jahr 2023 auf 70%, wenn der Leitzins der US-Notenbank Fed einen Höchststand von 3,5% bis 3,75% erreicht. Sollte die Fed den Leitzins auf 4% bis 5% anheben müssen, um die Inflation zu bekämpfen, schätzen wir die Wahrscheinlichkeit des Risikos einer stärkeren Rezession auf 30%. Den US-Währungshütern bleibt wenig Zeit, um ein Gleichgewicht zwischen der Verlangsamung der Wirtschaft sowie der Eindämmung der Inflation zu finden und gleichzeitig einen Abschwung zu vermeiden. Bis zum Jahresende finden nur noch vier Sitzungen des Fed-Offenmarktausschusses (FOMC) statt, nämlich am 26. bis 27. Juli, 20. bis 21. September, 1. bis 2. November und 13. bis 14. Dezember.

    In diesem herausfordernden und volatilen Anlageumfeld bevorzugen wir weiterhin eine neutrale Positionierung der Portfolios in Aktien und behalten ein asymmetrisches Renditeprofil basierend auf Optionsstrategien bei. Seit Beginn des Kriegs in der Ukraine haben wir Put-Spreads auf US-amerikanische und europäische Indizes eingesetzt, um die Portfolioperformance abzuschirmen. Wir haben die Put-Spreads bis September verlängert sowie ihre Abdeckung der Aktienpositionen von 13% auf 22% für ein auf Euro lautendes ausgewogenes Portfolio ausgedehnt.

    Wichtige Hinweise.

    Die vorliegende Marketingmitteilung wurde von der Bank Lombard Odier & Co AG (nachstehend “Lombard Odier”) herausgegeben. Sie ist weder für die Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung in Rechtsordnungen bestimmt, in denen eine solche Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung rechtswidrig ist, noch richtet sie sich an Personen oder Rechtsstrukturen, an die eine entsprechende

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