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    10-jährige US-Staatsanleihen rentieren mit fast 3% Wo liegt der Wendepunkt für die Aktienmärkte?

    10-jährige US-Staatsanleihen rentieren mit fast 3% Wo liegt der Wendepunkt für die Aktienmärkte?
    Sophie Chardon - Cross-Asset Strategist

    Sophie Chardon

    Cross-Asset Strategist

    Die Renditen 10-jähriger US-Staatsanleihen (US-Treasuries) haben sich der 3%-Marke angenähert (+ 60 Basispunkte (bp) seit Jahresbeginn) – ein seit Dezember 2013 nicht mehr erreichtes Niveau.

    Die Turbulenzen am Aktienmarkt Ende Januar verdeutlichten die enge Korrelation zwischen Zinsen und Aktien, insbesondere bei abrupten Zinsbewegungen. Theoretisch sind die Auswirkungen höherer Nominalzinsen und Inflation auf die Unternehmensgewinne komplex, da zahlreiche Transmissionsmechanismen in gegensätzliche Richtungen wirken. Der Einfluss auf die Bewertungen ist dagegen eindeutig: höhere Zinsen verringern den Barwert zukünftiger Cashflows.

    Aus empirischer Sicht ging eine Inflation von über 2% in den letzten Jahrzehnten mit einer Überperformance von Aktien gegenüber Anleihen einher. Die Geschichte zeigt, dass Renditen 10-jähriger US-Staatsanleihen in Höhe von 5% und darüber eine Belastung für die Aktienmärkte sind. Angesichts des niedrigeren Potenzialwachstums – des neuen Paradigmas nach der Krise – wird der Wendepunkt in diesem Zyklus wahrscheinlich eher eintreten. Unsere Analyse zeigt, dass Realzinsen, die sich über das US-Potenzialwachstum schieben, ein Warnsignal sind. Ausgehend von den aktuellen Schätzungen des Potenzialwachstums (1,6%-1,8%) könnten die Realzinsen noch 80 bp steigen, bis sie den Aktienmärkten negativ beeinflussen.

    Da sich die Inflation – und darum auch die Geldpolitik – normalisiert, sind Volatilitätsschübe wie im Februar wohl unvermeidlich. Angesichts der in den letzten Wochen zumindest vorübergehend nachlassenden Spannungen im Handelskonflikt blieben die Renditen im Aufwind, so das US-Treasuries nunmehr die 3%-Marke anpeilen.

    Auf kurze Sicht plädiert der anhaltende Aufwärtstrend der Rohstoffpreise für steigende Inflationserwartungen, wenngleich die fiskalpolitischen wachstumsfördernden Massnahmen, die spät im Zyklus umgesetzt werden (d.h. wenn der Arbeitsmarkt bereits angespannt ist), mittelfristig ein Risiko darstellen.

    Hauptgrund für den jüngsten Anstieg der Bondrenditen sind interessanterweise nicht die Breakeven-Inflationsraten, sondern die Realzinsen. So haben die Realrenditen 10-jähriger US-Staatsanleihen seit Jahresbeginn um fast 40 bp angezogen, die Breakeven-Inflationsraten jedoch nur 20 bp. Anleiheninvestoren preisen die Tatsache ein, dass die steigende Inflation die US-amerikanische Federal Reserve (Fed) letztendlich veranlassen wird, einen höheren Gang einzulegen und ihr Straffungstempo zu beschleunigen.

    Wir vertreten seit Langem die Auffassung, dass das durch anziehende Breakeven-Inflationsraten geprägte Reflationsumfeld zyklischen Anlagen zuträglich ist, was für eine risikoorientierte Positionierung des Portfolios spricht. In den letzten Jahrzehnten haben sich internationale Aktien in Zeiten, in denen die US-Inflation die Schwelle von 2% durchbrach, denn auch besser entwickelt als Anleihen. Wir finden jedoch keinen empirischen Beweis für einen (positiven oder negativen) Zusammenhang zwischen Realzinsen und der Performance riskanter Anlagen.

    In dieser Abhandlung analysieren wir die Korrelationen zwischen Inflation, Anleihenrenditen und Aktienmärkten, die nicht linear sind, sondern in hohem Maße von der Finanzlage des privaten Sektors, der Geldpolitik und dem Niveau der Realzinsen im Verhältnis zum Potenzialwachstum abhängen.


    Zinsen, Inflation und Unternehmensgewinne

    Der Einfluss höherer Zinsen und der Inflation auf die Unternehmensgewinne ist nur schwer quantifizierbar, da zahlreiche direkte oder indirekte Transmissionsmechanismen in gegensätzliche Richtungen wirken:

    • a) höhere Inflation bedeutet höheren Umsatz (+);
    • b) höhere Inflation bedeutet in der Regel höhere Löhne, d.h. höhere Kosten, die je nach der Höhe des Operating Leverage die Margen belasten können (+/-);
    • c) je nach Zyklusphase können höhere Nominalzinsen entweder ein Zeichen für eine dynamischere Wirtschaftsaktivität oder ein Auslöser für einen Rückgang der Investitionen sein (was wiederum darauf hindeutet, dass eine Wirtschaft sich auf eine Überhitzung zubewegen könnte) (+/-);
    • d) höhere Nominalzinsen bedeuten höhere Finanzierungskosten und eine höhere Zinsbelastung (-).

    Wir sind der Auffassung, dass die derzeitige Neubewertung der Zinsen die Erwartungen an ein höheres nominales Wachstum widerspiegelt und damit zeigt, dass die Auswirkungen der Anfang des Jahres in den USA angekündigten expansiven Fiskalpolitik real sind. Wir haben unsere Wachstums- und Inflationsprognosen für 2018 entsprechend angepasst. Die besseren Wachstumsaussichten versprechen nicht nur ein höheres Umsatzwachstum, sondern auch Margensteigerungen. Tatsächlich fallen Phasen steigender Löhne empirisch gesehen mit steigenden Margen zusammen: die Unternehmen sind eher bereit, die Löhne und Gehälter zu erhöhen, wenn sie die wirtschaftlichen Aussichten positiv beurteilen (d.h. wenn sie mit einem Operating Leverage von über eins rechnen). Die derzeitige Schätzung des Operating Leverage im S&P 500-Index liegt deutlich über zwei; gleichzeitig fielen die Ausblicke der Unternehmen für ihre Geschäftsaussichten und Investitionen im Rahmen der letzten Berichtssaison ausgesprochen optimistisch aus.

    In diesem Zyklus war der niedrigere Zinsaufwand ein maßgeblicher Faktor für das Gewinnwachstum der Unternehmen. Es könnte zu einer negativen Rückkopplungsschleife kommen, wenn sich die Finanzierungsbedingungen sprunghaft verschlechtern und die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und Erträge belasten, während eine steigende Hurdle Rate für die Nominalrenditen von Investments die Finanzierung neuer Projekte belasten könnte.

    Letztendlich dürfte der Zinsaufwand allmählich steigen, da der Anteil neu emittierter Schuldtitel zunimmt. Nach 1990 ist es in der Regel immer dann zu rückläufigen Gewinnen und Rezessionen1 gekommen, wenn der Goldman Sachs US Financial Conditions-Index die 100er-Marke überschritten hat (Grafik IV). Der Index beruht auf einer Reihe von Finanzkennzahlen, welche die Finanzierungsbedingungen von US-Unternehmen wahrscheinlich beeinflussen, wobei Kreditspreads und Zinsen den höchsten Beitrag liefern. Die jüngsten Zinsbewegungen schoben den Index von 98,2 auf 98,7 – somit verharrt er aber noch immer unter der 100-Punkte-Schwelle. Entsprechend oszilliert der Index noch immer nahe seinen historischen Tiefstständen, woraus sich schliessen lässt, dass noch keine Verschärfung der Finanzierungsbedingungen vorliegt.

    Ausschlaggebend ist das Tempo der Anpassung – je langsamer desto besser, was auf der Hand liegt. Erstens ist der von der Fed vor über zwei Jahren eingeleitete Straffungszyklus aufgrund des Ausgangsniveaus der Fed Funds (0,25%) und des Tempos der Zinserhöhungen natürlich atypisch.

    Bisher ist der Offenmarktausschuss der Fed (Federal Open Market Committee, FOMC) einen sehr vorsichtigen Kurs gefahren und hat sein Straffungstempo an das finanzielle Umfeld angepasst. Obwohl es Bedenken angesichts der Tatsache gibt, dass Jerome Powell noch in seine Rolle als Fed-Chef hineinwachsen muss, erwarten wir für die kommenden Quartale keine dramatische Änderung der Geldpolitik der Fed. Damit stellt sich die Sachlage ganz anders dar als in vergangenen Straffungszyklen, in denen die Zinserhöhungen Schlag auf Schlag erfolgten, und als nach Zinsschocks.

    Zweitens sind die Unternehmen nach sieben Jahren extrem niedriger Zinsen unserer Ansicht nach besser gegen steigende Zinsen gewappnet. Hierfür sprechen zwei Argumente: 1. die überwiegend festverzinslichen und langfristigen Anleihen, die im letzten Kreditzyklus begeben wurden und 2. die hohen Cash-Bestände in den Kassen der Unternehmen. Folglich ist der durchschnittliche Coupon für US-amerikanische High-Yield-Papiere (ohne Rohstoffunternehmen) historisch niedrig und weist keine Korrelation mit den Staatsanleihenrenditen auf. Zwischen 2011 und 2015 sank er von 9,4% auf 6,5%, während die Rendite 10-jähriger US-Papiere 120 bp zulegte. Seither oszilliert er in einer stabilen Spanne von 6,5% bis 6,8%. Das gleiche gilt für die Unternehmen im S&P 500-Index, deren durchschnittlicher Kupon rund 300 bp niedriger ist.

    Wir sind deshalb der Ansicht, dass die Unternehmensgewinne auch weiterhin von der höheren Inflation profitieren werden, da das aktuelle (noch immer deutlich unter dem nominalen Wachstum liegende) Zinsniveau die Wirtschaftsaktivität nicht wesentlich beeinflussen wird. Die laufende Berichtssaison wird wahrscheinlich positiv überraschen und das solide Umsatzwachstum in den USA und in Europa verdeutlichen. Vor diesem Hintergrund rechnet der Konsens für dieses Jahr mit einem Gewinnwachstum von 19% in den USA (+14% für den MSCI World-Index).


    Zinsen, Inflation und Aktienbewertungen

    Hinsichtlich der Geschäftsaussichten und Investitionen: Zeiten steigender aber moderater Inflation (zwischen 1 und 3%) gehen in der Regel mit den höchsten KGVs einher2. Wir – und der Konsens – erwarten, dass die Inflation ausgehend von ihrem aktuellen Niveau anzieht und sich infolge der Beschleunigung des Wirtschaftswachstums und des angespannten Arbeitsmarktes dem oberen Ende ihres langfristigen Zielbands annähert (Core-PCE-Index für die persönlichen Konsumausgaben nahe 2%). Im historischen Vergleich sind derartige Niveaus kein Anlass zur Sorge. Allerdings macht sich an den Märkten, die nach der globalen Finanzkrise eine lange, von Deflationsängsten geprägte Phase hinter sich gelassen haben, Nervosität breit, da sich diese Zahlen allmählich dem Inflationsziel der Fed annähern.

    Statt des Inflationsniveaus ist es vielmehr die Volatilität der Inflation, die aufmerksam beobachtet werden muss: Sie könnte zu einer höheren Risikoprämie und niedrigeren Bewertungen führen. Selbst wenn die Gewinne robust bleiben, werden höhere Abzinsungssätze automatisch den Barwert zukünftiger Cashflows verringern.3. Die Ungewissheit hinsichtlich der Inflation und der Fähigkeit der Fed, sie unter Kontrolle zu halten, könnte zu höheren Realzinsen führen: Während höhere Breakeven-Inflationsraten die Erwartungen bezüglich einer höheren Inflation widerspiegeln, drücken höhere Realzinsen die Angst vor einer unerwarteten Inflationsentwicklung und die Wahrnehmung aus, dass die Fed hinter die Kurve zurückfällt. Im Gegensatz zu den Erfahrungen der 80er und 90er Jahre  sind wir jedoch der Ansicht, dass die aktuelle Geldpolitik – die auf der Forward Guidance (Orientierungshilfe) und dem höheren Vertrauen in die Verankerung der Inflationserwartungen beruht – diese Unsicherheit reduzieren und den Anstieg der Realzinsen bremsen wird. Anfang 2018 schrieben wir, dass die hohen Bewertungen am Aktienmarkt im Jahresverlauf 2017 im Einklang mit einem so genannten „Goldilocks“-Umfeld stehen, gaben jedoch zu bedenken, dass die zunehmenden Unsicherheiten hinsichtlich Inflation und Geldpolitik die Aussichten eintrüben würden. Tatsächlich führt letztere in der Regel zu einem Anstieg der Realzinsen und im Gegenzug zu niedrigeren Bewertungen. Deshalb enthielten unsere Prognosen für die Entwicklung der US-Aktienindizes für 2018 eine Abwärtskorrektur, die im Rahmen des jüngsten Abverkaufs am Markt dann auch eintrat.

    Das Zinsniveau beeinflusst aber auch die relativen Bewertungen und die Asset-Allokations-Bewegungen, da ertragsorientierte Investoren aufgrund der Tatsache, dass Anleihen- und Aktienrenditen (Dividenden und Aktienrückkäufe) inzwischen miteinander konkurrieren, Umschichtungen vornehmen, vor allem am Ende eines Zinserhöhungszyklus. In den USA liegt der Spread zwischen der Ertragsrendite der Unternehmen im S&P 500-Index und der Rendite von IG-Anleihen mit 105 Basispunkten noch immer deutlich über seinem historischen Durchschnittswert (63 bp), was für eine Relative Value-Exposure in Aktien spricht.


    Wann kommt der Wendepunkt?

    Wir haben gezeigt, dass die Korrelationen zwischen Zinsen, Inflation und Aktienmärkten von mehreren Faktoren beeinflusst werden. Die wichtigsten Faktoren haben wir nachstehend aufgeführt:

    1. Die Entwicklung der Inflation/Geldpolitik: während der „Grossen Inflation“ (Great Inflation) der siebziger Jahre war die Korrelation zwischen Aktien und Zinsen positiv. Dies bedeutet, dass die Aktienmärkte durch einen Anstieg der Zinsen beeinträchtigt wurden (Grafik VIII). Seit Ende der 90er Jahre und infolge der verbesserten Glaubwürdigkeit der Zentralbanken sind die Inflationserwartungen besser verankert, was eine negative Korrelation von Aktien und Zinsen bewirkt hat.
    2. Position im Zyklus: je früher im Zyklus, desto besser, da die Bewertungsniveaus – und folglich auch das Verlustpotenzial – in der Regel höher sind, je weiter der Konjunkturzyklus voranschreitet. Die aktuelle Lage ist relativ ungewöhnlich, da sich die US-Wirtschaft bereits in einer späten Phase ihres Zyklus befindet. Dennoch dürfte das Gewinnwachstum durch die fiskalpolitischen wachstumsfördernden Maßnahmen in den kommenden Quartalen Auftrieb erhalten.
    3. Grund für die Zinserhöhung: Realzinsen (Belastung der Aktienbewertungen) vs. Breakeven-Inflationsraten (günstig für Aktien). Seit August 2017 wurde der Anstieg der Nominalzinsen praktisch gleichermassen von den Realzinsen und den Breakeven-Inflationsraten getrieben.

    In der Vergangenheit haben Renditen 10-jähriger US-Staatsanleihen von 5% und darüber die Aktienrenditen eindeutig belastet. Angesichts des Potenzialwachstums, das ab dem Jahr 2000 sank (der Federal Reserve of Saint Louis zufolge hat sich das Potenzialwachstum seit 2000 von 4% auf 1,7% heute mehr als halbiert), wird der Wendepunkt in diesem Zyklus wahrscheinlich eher eintreten. Die Korrelation zwischen Aktien und Zinsen wird negativ (d.h. steigende Zinsen beginnen, den Aktienmärkten zu beeinträchtigen), wenn sich die Realzinsen dem Potenzialwachstum nähern.

    Mit 0,7% bis 0,8% liegen die 10-jährigen Realzinsen in den USA immer noch weiter unter dem US-Potenzialwachstum, das auf 1,6% bis 1,8% geschätzt wird. Dies bedeutet, dass die Realzinsen noch um 80 bp steigen können, bevor sie den Aktienmärkten massiv beeinträchtigen. 

    1 Laut Daten des National Bureau of Economic Research in den USA.
    2 Siehe ISB „Should we fear equity market valuations?“, Oktober 2017.
    3 Gemäß dem Dividend Discount Model, KGV= k/(rl+re-g), wobei „k“ die Ausschüttungsquote, rl der langfristige risikolose Zinssatz, re die Risikoprämie und „g“ das Potenzialwachstum ist.

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