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    Bilanz des „People’s Summit“: Transformation der Ernährungssysteme gewinnt an Dynamik

    Bilanz des „People’s Summit“: Transformation der Ernährungssysteme gewinnt an Dynamik

    Im Jahr 2021 betrat der erste UN-Weltgipfel zu Ernährungssystemen Neuland. Am so genannten „People’s Summit“ nahmen über 20’000 Menschen teil, und es waren nahezu 200 Länder vertreten. Schwerpunkt der Konferenz war die Rolle der Ernährungssysteme bei der Transformation in eine sozial und ökologisch nachhaltige Wirtschaft. Der Gipfel führte zur Gründung des UN Food Systems Coordination Hub. Dessen Ziel ist es, Regierungen bei der Umstellung auf nachhaltige Ernährungssysteme zu unterstützen.

    Im Mittelpunkt des „People’s Summit 2021“ standen vier Hauptfaktoren, die entscheidend sind für den Aufbau von gesunden Ernährungssystemen für uns Menschen sowie unseren Planeten. Zwei Jahre später kommen nun in Rom Delegierte zum ersten UN Food Systems Stocktaking Moment zusammen. Dieser Gipfel bietet die Chance, den Fortschritt bezüglich dieser vier Faktoren zu beurteilen. Zudem bringt er neue Dynamik in den Aufbau eines Ernährungssystems, das die nachhaltige Ernährung einer Weltbevölkerung von 10 Milliarden Menschen im Jahr 2050 ermöglicht. Schauen wir uns die vier Hauptbereiche an, in denen wir Fortschritte erzielen müssen.

    1. Nahrung für alle gewährleisten

    Bis zu einem Drittel unserer Nahrungsmittel werfen wir weg1. Trotzdem sind jedes Jahr über 2 Milliarden Menschen von mässiger oder starker Ernährungsunsicherheit betroffen. Nicht die Produktion, sondern die Verteilung ist das Problem, das zu Hunger führt.

    Kürzlich fand die gemeinsam von Lombard Odier und der Universität Oxford organisierte Konferenz statt. Hier erläuterte Professor Sir Charles Godfray, Leiter der Oxford Martin School, wie wichtig die Globalisierung beim Aufbau von Ernährungssystemen ist, die Nahrung für alle Menschen zu liefern vermögen.

    „Der Klimawandel wirkt sich in vielerlei Hinsicht auf die Nahrungsmittelproduktion aus“, erklärte er. „Allein in den letzten Jahren erlebten wir Buschbrände in Australien und die Hitzewelle im Frühjahr in Indien, wo es so heiss war, dass die Bauern ihre Felder nicht bestellen konnten. Und Pakistan wurde von verheerenden Überschwemmungen heimgesucht. Wir sehen jetzt die ersten direkten Auswirkungen des Klimawandels auf die Nahrungsmittelproduktion.“

    „Wir brauchen deshalb ein weltweites Ernährungssystem, in dem eine Anbauregion für eine andere einspringen kann. Südamerika etwa ist ein wichtiger Getreide- und Sojaproduzent. Wenn die Ernten hier schlecht ausfallen, in Nordamerika und Australien aber gut sind, kann eine Region der anderen aushelfen. Das funktioniert aber nur, wenn unser Ernährungssystem weltweit so vernetzt ist, dass die Produktion in einer Region durch die Produktion einer anderen Region ersetzt werden kann.“

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    Auch die Präzisionslandwirtschaft spielt eine Rolle; sie minimiert den Einsatz landwirtschaftlicher Betriebsmittel mit modernster Technologie minimiert

    2. Resilienz gegenüber Schocks aufbauen

    Flexible globalisierte Ernährungssysteme sind unerlässlich, um die Ernährungssicherheit in den Regionen zu gewährleisten, die am schlimmsten vom Klimawandel betroffen sind. Gleichzeitig müssen wir aber auch eine robuste Produktion auf lokaler Ebene aufbauen.

    Die EAT-Lancet-Kommission setzt sich mit ihrer wegweisenden „Planetary Health Diet“ für eine Lösung ein: die Diversifizierung von Lebensmittelproduktion und -konsum2. Es gibt heute mehr als 50’000 Pflanzenarten, die uns als Nahrung dienen können. Davon nutzen wir aber nur Reis, Mais und Weizen, um zwei Drittel unserer Energieaufnahme über die Nahrung zu bestreiten3. Diese einseitige Ausrichtung ist schlecht für unsere Gesundheit und macht das System anfällig. Die Diversifizierung der Agrarproduktion gilt als die wirksamste Einzelmassnahme für eine resiliente Lebensmittelproduktion4.

    Auch die Präzisionslandwirtschaft spielt eine Rolle; sie minimiert den Einsatz landwirtschaftlicher Betriebsmittel mit modernster Technologie minimiert. Ende 2021 und Anfang 2022 erreichten die Düngemittelpreise weltweit Rekordhöhen, was Angst vor Nahrungsmittelknappheit auslöste. Laut dem UN-Fortschrittsbericht zu Ernährungssystemen, den man im Vorfeld des Stocktaking Moment erstellt hatte, bemühen sich einige Regierungen, die Abhängigkeit von den weltweiten Düngemittelmärkten zu verringern. Zudem fördern sie den effizienten Einsatz von Düngemitteln oder sogar den Umstieg auf organische Alternativen5.

    Durch die regenerative Landwirtschaft können Anbauflächen von Kohlenstoffquellen in Kohlenstoffsenken umgewandelt werden. So können wir die Emissionen aus der Landwirtschaft reduzieren

    3. Natürliche Lösungen fördern

    Nahezu ein Drittel aller Treibhausgasemissionen entstammen unseren Ernährungssystemen. Die Lebensmittelproduktion ist zudem die wichtigste Einflussgrösse hinsichtlich des Biodiversitätsverlusts6 und die Hauptursache für Entwaldung. Zudem beansprucht sie mehr Trinkwasser als alle anderen Branchen.

    Viele Massnahmen, die die Widerstandsfähigkeit von Ernährungssystemen verbessern, haben den zusätzlichen Vorteil, die Umweltauswirkungen zu verringern. Eine grössere Vielfalt an Kulturpflanzen und geringerer Einsatz von Düngemitteln gehören zu den zentralen Merkmalen der „regenerativen Landwirtschaft“, bei der die Natur an erster Stelle steht. Dieser naturnahe Ansatz hat das Ziel, die Bodengesundheit wiederherzustellen, um die Aufnahme von Kohlenstoff und Wasser zu verbessern. Dadurch werden Kohlenstoffemissionen aus der Landwirtschaft verringert und die Widerstandsfähigkeit gegenüber Trockenheit verbessert. Durch die regenerative Landwirtschaft können Anbauflächen von Kohlenstoffquellen in Kohlenstoffsenken umgewandelt werden7. So können wir die Emissionen aus der Landwirtschaft reduzieren.

    Seit dem UN-Weltgipfel zu Ernährungssystemen im Jahr 2021 ist das Interesse an regenerativer Landwirtschaft gestiegen. Dasselbe gilt auch für die Agroforstwirtschaft, bei der Kulturpflanzen neben und zwischen Bäumen angebaut werden. Einige grosse Lebensmittelhersteller haben die naturnahe Landwirtschaft zu einem zentralen Element ihrer Emissionsreduktion erklärt. Nestlé etwa will bis 2025 20% der benötigten Produktionszutaten aus regenerativer Landwirtschaft beschaffen. Im März dieses Jahres kündigte die Biermarke Carlsberg den sofortigen Umstieg auf Gerste aus regenerativer Landwirtschaft an8. Der UN-Fortschrittsbericht warnt jedoch: Bis Ende 2021 hatten sich noch keine 10% der 350 weltweit grössten Lebensmittelhersteller Ziele zur Emissionsreduktion gesetzt, die dem Pariser Abkommen entsprechen.

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    Diese Kleinbauern ernähren bis zu einem Drittel der gesamten Weltbevölkerung. Deshalb dürfen wir diese Gemeinschaften nicht ausser Acht lassen, wenn wir nachhaltige Ernährungssysteme aufbauen wollen

    4. Gemeinschaften stärken

    Im Kampf um den Schutz der Wälder und natürlicher Landschaften erkennen wir zunehmend, wie wichtig indigene Gruppen und lokale Gemeinschaften sind. Doch sie werden nur zögerlich in die Transformation der Ernährungssysteme einbezogen. So schreibt der UN-Fortschrittsbericht: „Es ist oftmals noch immer schwierig, Frauen, Jugendliche und indigene Bevölkerungsgruppen angemessen in Lösungen für lokale Ernährungssysteme und deren Bereitstellung zu integrieren. Damit werden weite Teile der Weltbevölkerung marginalisiert und nicht anerkannt.“

    Mittels verschiedener, auch technologisch unterstützter Initiativen versuchte man, dieses Defizit zu beheben. Dies erleichterte den Zugang zu landwirtschaftlichen Lösungen, und neue Märkte für Kleinbauern wurden zugänglich. Ein Beispiel ist das Social Gastronomy Movement: Stimmen kleiner und lokaler Akteure wurden dadurch hörbarer und konnten so ins Zentrum der Transformation der Ernährungssysteme rücken. In Kenia können Kleinbauern über Smartphone-Apps wie Hello Tractor für kurze Zeit einen Traktor mieten. Und in ganz Afrika steigt die Zahl digitaler Lösungen. So bietet etwa die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen9 vier kostenfreie Apps an. Sie stellen den Bauern Informationen zur Viehgesundheit und zum Einsatz von Düngemitteln oder Wettervorhersagen zur Verfügung. Zudem ermöglichen sie den direkten Kontakt zu potenziellen Abnehmern.

    In einigen Teilen der Welt schliesst die digitale Kluft ärmere Gemeinschaften jedoch von diesem tiefgreifenden Wandel aus. In Subsahara-Afrika etwa haben nur 26% der Landwirte Zugang zum Internet. Die Wahrscheinlichkeit, dass Frauen ein Smartphone besitzen, ist im Vergleich mit Männern um 13% kleiner10.

    An den weltweiten Ernährungssystemen, die etwa 40% der globalen Beschäftigung ausmachen11, sind geschätzte 500 Millionen Kleinbauern beteiligt. Viele von ihnen leben in armen Gemeinschaften12. Diese Kleinbauern ernähren bis zu einem Drittel der gesamten Weltbevölkerung. Deshalb dürfen wir diese Gemeinschaften nicht ausser Acht lassen, wenn wir nachhaltige Ernährungssysteme aufbauen wollen.

    Anlegerinnen und Anleger können bei diesem Wandel eine zentrale Rolle spielen; beispielsweise, indem sie die Skalierung von Lösungen unterstützen – für umweltfreundliche Düngemitteln oder digitale Lösungen für die Präzisionslandwirtschaft und die Nahrungsmittelverteilung sowie für den schnell wachsenden Bereich der alternativen Proteine

    Wir müssen dringend handeln

    Der UN-Fortschrittsbericht zu Ernährungssystemen zeichnet ein gemischtes Bild. Seit 2021 haben 122 Länder Roadmaps für die Umstellung auf nachhaltige Lebensmittelproduktion und nachhaltigen Konsum entwickelt. Dennoch nimmt der Hunger weltweit zu13. Vielen einkommensschwächeren Ländern fehlen Mittel und Zugang zu Fachwissen, um einen systematischen Wandel zu erreichen. In diesen Regionen haben Lücken in der „Infrastruktur für Lagerung, Transport und Verarbeitung schwerwiegende Folgen: Nachernteverluste, begrenzten Zugang zu Märkten und verstärkte Lebensmittelverschwendung. Um diese Infrastrukturlücken zu schliessen, sind grosse Investitionen erforderlich.“

    Die Kosten der nicht nachhaltigen Ernährungssysteme von heute werden in Umweltschäden und gesundheitlichen Beeinträchtigungen sichtbar. Sie „belaufen sich auf die immense Summe von USD 12 Bio. und untergraben die Erfolge, die wir in Jahrzehnten gemeinsamer Entwicklungsarbeit erzielt haben.“ Wenn wir alles richtig machen, so der Bericht weiter, „stellt die Transformation der Ernährungssysteme eine einzigartige Chance dar, die gemeinsamen weltweiten Ziele zu erreichen.“

    Diese wachsende Dynamik schafft eine jährliche Wertschöpfung von geschätzten USD 1,5 Bio. pro Jahr – für den Zeitraum bis 2030. Regierungen richten ihre Subventionen zunehmend auf nachhaltige Produktion aus, und politische und regulatorische Vorgaben fördern emissionsärmere Landwirtschaft. Und immer mehr Verbraucher stimmen über ihr Lebensmittelangebot ab. Anlegerinnen und Anleger können bei diesem Wandel eine zentrale Rolle spielen; beispielsweise, indem sie die Skalierung von Lösungen unterstützen – für umweltfreundliche Düngemitteln oder digitale Lösungen für die Präzisionslandwirtschaft und die Nahrungsmittelverteilung sowie für den schnell wachsenden Bereich der alternativen Proteine.

    Die Zeit ist jedoch nicht auf unserer Seite. Eine aktuelle Studie im Wissenschaftsmagazin Nature weist darauf hin, dass der Klimawandel das Risiko verschärft, dass Ernten in mehreren Regionen gleichzeitig ausfallen können; Regierungen würden diese Gefahr unterschätzen14. Laut der EAT-Lancet-Kommission sind „Nahrungsmittel der stärkste Hebel, um die Gesundheit der Menschen und die Stabilität unserer Umwelt zu optimieren“. Angesichts der steigenden Gefahren des Klimawandels sollten wir diese Kraft so schnell wie möglich nutzen.


     

    15 facts about food waste and hunger | World Food Programme (wfp.org)
    EAT-Lancet Commission Brief for Everyone - EAT (eatforum.org)
    Dimensions of need - Staple foods: What do people eat? (fao.org)
    Diversification for enhanced food systems resilience | Nature Food
    unfss-sg-report_advanced-unedited-version.pdf (unfoodsystemshub.org)
    Our global food system is the primary driver of biodiversity loss (unep.org)
    How carbon-smart farming can feed us and fight climate change | World Economic Forum (weforum.org)
    Carlsberg expands use of regenerative barley (beveragedaily.com)
    FAO launches four new agricultural service apps in Africa | E-Agriculture
    10 How technology can help farmers in Africa | World Economic Forum (weforum.org)
    11 unfss-sg-report_advanced-unedited-version.pdf (unfoodsystemshub.org)
    12 A Year in the Lives of Smallholder Farmers (worldbank.org)
    13 2.1 Food security indicators – latest updates and progress towards ending hunger and ensuring food security (fao.org)
    14 Risks of synchronized low yields are underestimated in climate and crop model projections | Nature Communications

    Wichtige Hinweise.

    Die vorliegende Marketingmitteilung wurde von der Bank Lombard Odier & Co AG oder einer Geschäftseinheit der Gruppe (nachstehend “Lombard Odier”) herausgegeben. Sie ist weder für die Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung in Rechtsordnungen bestimmt, in denen eine solche Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung rechtswidrig wäre, noch richtet sie sich an Personen oder Rechtsstrukturen, an die eine entsprechende Abgabe rechtswidrig wäre.

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