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    Die Staatsschulden der USA gehen erneut durch die Decke

    Die Staatsschulden der USA gehen erneut durch die Decke
    Stéphane Monier - Chief Investment Officer<br/> Lombard Odier Private Bank

    Stéphane Monier

    Chief Investment Officer
    Lombard Odier Private Bank

    Kernpunkte

    • Die USA haben ihre Schuldenobergrenze überschritten. Entsprechende Streitigkeiten führten in der Vergangenheit zu Kompromissen für die Staatsausgaben. 2011 zog das gleiche Thema einmalig eine Herabstufung der Kreditwürdigkeit des Landes nach sich.
    • Das US-Finanzministerium ergreift zur Finanzierung der Schulden „ausserordentliche Massnahmen“, die voraussichtlich „vor Anfang Juni“ auslaufen.
    • Die Spannungen im Kongress über die Schuldenobergrenze dürften sich lediglich als politische Ablenkung erweisen. Wir erwarten wie in der Vergangenheit einen Kompromiss.
    • Der USD schwächt sich ab, da sich die Fed dem Ende ihres geldpolitischen Straffungszyklus nähert und sich die Aussichten für das globale Wachstum mit der Wiedereröffnung Chinas verbessern. Wir erwarten, dass EURUSD bis Ende 2023 bei 1.12 und USDJPY bei etwa 120 notiert.

    Es ist leicht, den Disput über die Schuldenobergrenze der USA als politischen Streit abzutun, der beigelegt wird, bevor die finanzielle Glaubwürdigkeit des Landes Schaden nimmt. Doch die Auseinandersetzung ist von Bedeutung, zumal dasselbe Thema 2011 die einzige Herabstufung der Kreditwürdigkeit der USA ausgelöst hat. Die Wirtschaft verlangsamt sich, und der US-Dollar zeigt Zeichen einer Abschwächung – wir schauen, was auf dem Spiel steht.

    Die Schuldenobergrenze legt fest, wie viele neue Schulden das US-Finanzministerium über Staatsanleihen aufnehmen kann. Auf diese Weise bezahlt der Staat die Ausgaben nach entsprechender Genehmigung durch den Kongress. US-Staatsanleihen stützen das weltweite Finanzsystem, indem sie eine globale Benchmark für den risikofreien Zinssatz bieten, oder dienen als Sicherheit für andere Vermögenswerte. Die Obergrenze erlaubt keine neuen Zahlungen, sondern ist ein Limit für die Kreditaufnahme der US-Regierung zur Finanzierung ihrer gesetzlichen Verpflichtungen. Dazu gehören medizinische Leistungen, Gehälter der Streitkräfte, Schuldzinszahlungen und Steuerrückerstattungen. Eine Überschreitung der Schuldenobergrenze hat auch potenzielle Auswirkungen auf die Weltwirtschaft, da das Finanzministerium gezwungen ist, zu sparen oder seine fällig werdenden Schulden zu refinanzieren.

    Am 13. Januar 2023 erklärte US-Finanzministerin Janet Yellen, dass das Land am 19. Januar seine Schuldenobergrenze überschreiten werde. Ohne Einigung kann das Finanzministerium keine neuen Staatsanleihen emittieren, und der Kongress würde die Regierung in Verzug geraten lassen. Trotz der oft wiederholten Beteuerungen, die US-Regierung sei noch nie zahlungsunfähig geworden, wurde in einem kürzlich erschienenen Artikel auf vier Fälle hingewiesen – 1862, 1933, 1968 und 1971 –, in denen die Regierung ihre Schulden nicht begleichen konnte. Selbst wenn man nicht so weit geht, haben Streitigkeiten um die Schuldenobergrenze in der Vergangenheit ihren Tribut gefordert. Sie haben den Dollar zugunsten von Gold geschwächt, die Volatilität der Geldmarktströme steigen lassen oder die Credit Default Swaps in die Höhe getrieben. Letztere messen das Vertrauen der Anlegerinnen und Anleger in die Rückzahlungsfähigkeit eines Staates.

    In der Vergangenheit … haben selbst Risiken … echten Schaden angerichtet

    „In der Vergangenheit“, schrieb Janet Yellen letzte Woche an den Sprecher des Repräsentantenhauses, „hat selbst das Risiko, dass die US-Regierung ihren Verpflichtungen nicht nachkommen könnte, echten Schaden angerichtet.“ Dazu gehörte die einzige Herabstufung der Kreditwürdigkeit des Landes im Jahr 2011. Damals führte ein Disput über die Schuldenobergrenze dazu, dass die Ratingagentur Standard & Poor’s die Kreditwürdigkeit der USA von AAA auf AA+ korrigierte, wo sie seitdem geblieben ist.

    Die Schuldenobergrenze der USA hat sich in den letzten zehn Jahren mehr als verdoppelt. Zuletzt wurde sie am 16. Dezember 2021 um USD 2,5 Bio. auf USD 31,4 Bio. angehoben (siehe Grafik).

     

    Entscheidendes Datum vor Anfang Juni

    Das Überschreiten der Obergrenze dieses Jahr erfordert nun buchhalterische Massnahmen, um die Regierung vor einem Zahlungsausfall zu bewahren. Allerdings sei es „unwahrscheinlich, dass die Barmittel und ausserordentlichen Massnahmen vor Anfang Juni 2023 erschöpft sind“, schrieb Janet Yellen. Zu den genannten Massnahmen gehört die Aussetzung der Beiträge an einen Pensionsfonds für Bundesbedienstete. Zudem könnten die Gesetzgeber beschliessen, eine Taktik aus dem Jahr 2021 anzuwenden, indem sie sich darauf einigen, die Frist bis Dezember dieses Jahres auszusetzen.

    Der Streit kommt zu einer Zeit, da die Inflationsbekämpfung der US-Notenbank Fed das Wirtschaftswachstum dämpft, möglicherweise bis hin zu einer Rezession im Jahr 2023. Für das Gesamtjahr erwarten wir ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 0,7%. Die Fed hat ihren Leitzins auf den höchsten Stand seit 2008 angehoben. Wir gehen davon aus, dass die Fed Funds Rates den Höchststand bei rund 5% erreichen und dann 2023 mehrheitlich unverändert bleiben.

    Der US-Kongress begrenzt die Staatsverschuldung seit mehr als einem Jahrhundert

    Der US-Kongress begrenzt die Staatsverschuldung seit mehr als einem Jahrhundert. Im April 1917, während des Ersten Weltkriegs, legten die Gesetzgeber eine Obergrenze für die Staatsausgaben fest. So musste nicht das Ziel jeder neuen Emission des Finanzministeriums genehmigt werden. Bis Mitte der 1990er-Jahre erhöhte das Repräsentantenhaus das Schuldenlimit im Einklang mit seinen jährlichen Haushaltsgenehmigungen. So vermied es einen politischen Streit über die Obergrenze, bevor es den Vorschlag zwecks Zustimmung an den Senat weiterleitete.

     

    Kompromiss, Dänemark, Taiwan

    Der Mix aus einer polarisierten politischen Legislative und einem fiskalischen Sicherheitsventil, das vor mehr als einem Jahrhundert geschaffen wurde, hat zu einem fast jährlichen Streit geführt. Viele Republikaner haben erklärt, dass sie eine Anhebung der Obergrenze ohne Ausgabenkürzungen durch die Regierung Biden nicht unterstützen werden. Das Weisse Haus gibt an, der Kongress habe seine Ausgabenverpflichtungen, die eine Erhöhung der Bundesausgaben voraussetzen, bereits genehmigt. Ein gespaltener Kongress macht die Situation komplizierter. Seit dem 3. Januar 2023 halten die Republikaner eine knappe Mehrheit der Sitze im Repräsentantenhaus, während der Senat weiterhin unter der Kontrolle der Demokraten ist. Doch auch innerhalb der Republikanischen Partei gibt es Spaltungen, welche die Ernennung von Kevin McCarthy zum Sprecher des Repräsentantenhauses diesen Monat verzögert haben.

    Die USA sind nicht die einzige Volkswirtschaft, die eine monetäre Ausgabengrenze definiert, aber die einzige, die sich regelmässig darüber streitet. Seit 1993 legt Dänemark eine Obergrenze für die Kreditaufnahme der Regierung im Namen des Staates fest, ohne dass das Parlament um Erlaubnis gefragt wird. Die von der dänischen Notenbank veröffentlichte Obergrenze ist jedoch regelmässig so viel höher als die Staatsverschuldung, dass sie wie ein Verfassungsprotokoll wirkt. Taiwan hat einen anderen Mechanismus, der die Staatsverschuldung seit 1996 auf 50% des BIP begrenzt. Diese Obergrenze wird parteiübergreifend unterstützt, und das Land hat das Limit nie überschritten. Selbst nach Covid liegt die Staatsschuldenquote Taiwans bei 24%. Deutschland und die Schweiz kennen eine „Schuldenbremse“, welche die Regierungen der Länder zu einem ausgeglichenen Haushalt verpflichtet.

    die Stärke des US-Dollar beginnt zu schwinden

    Safe-Haven-Alternativen

    Mit jeder drohenden Unterbrechung bei den US-Staatsausgaben verdichten sich die Anzeichen dafür, dass die Stärke des US-Dollar zu schwinden beginnt. Bis November 2022 trieben die Energiekrise in Europa und die Aussichten auf ein langsameres Wirtschaftswachstum ausserhalb der USA die Anleger in den Dollar, was die Nachfrage nach Euro und Yen belastete. Dieser Trend kehrt sich nun um, da sich die Aussichten für das globale Wachstum im Jahr 2023 dank der Wiederbelebung der chinesischen Wirtschaft verbessern. Zudem sind die Energiepreise in Europa und Japan eingebrochen. Gründe dafür sind ein warmer Winter auf der nördlichen Hemisphäre, angemessene Erdgasvorräte und die Bemühungen der Regierungen, Alternativen zu den russischen Lieferungen zu finden. All diese Faktoren untergraben die Unterstützung für den Dollar. Und dies zu einer Zeit, da die Fed die Zinserhöhungen verlangsamt hat und die Europäische Zentralbank und die Bank of Japan (BoJ) eine restriktivere Haltung eingenommen haben.

    Wir gehen davon aus, dass EURUSD bis Ende 2023 die Marke von 1.12 erreicht und der japanische Yen zu einer attraktiven Safe-Haven-Alternative zum Dollar wird. Für USDJPY erwarten wir bis zum Jahresende ein Niveau von etwa 120, weil sich die japanischen Terms of Trade verbessern und die BoJ allmählich von der Zinskurvenkontrolle abrückt.

    Da die Inflation nachlässt und die globalen Wachstumsprognosen durch die Wiedereröffnung Chinas Auftrieb erhalten, haben wir das Aktienengagement von einer Untergewichtung auf neutral erhöht. Wir bevorzugen Aktien Chinas und der Schwellenländer gegenüber US-amerikanischen Dividendenpapieren, die stärker von negativen Überraschungen bedroht sind und aus regionaler Sicht weiterhin zu den teuersten gehören. Bei den Festverzinslichen favorisieren wir Qualitätstitel, darunter US-Staatsanleihen und Investment-Grade-Unternehmenspapiere.

    „Letztlich werden wir unseren Verpflichtungen nachkommen und keine nennenswerten Störungen verursachen“, sagte der Ökonom und ehemalige US-Finanzminister Larry Summers gegenüber Bloomberg vergangene Woche am Weltwirtschaftsforum in Davos. „Es wäre katastrophal für die Vereinigten Staaten und unser Ansehen als ernst zu nehmendes Land, wenn wir zahlungsunfähig würden.“

    Das Thema Schuldenobergrenze dürfte sich lediglich als politische Ablenkung erweisen. Wir gehen davon aus, dass der Kongress wie in den vergangenen Jahren einen Kompromiss findet. Doch auch wenn die Wahrscheinlichkeit eines politischen Scheiterns gering ist: Das Risiko bleibt bis zum letzten Moment bestehen und könnte einen Schock an den globalen Märkten auslösen. Wir bleiben wachsam.

    Wichtige Hinweise.

    Die vorliegende Marketingmitteilung wurde von der Bank Lombard Odier & Co AG (nachstehend “Lombard Odier”) herausgegeben. Sie ist weder für die Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung in Rechtsordnungen bestimmt, in denen eine solche Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung rechtswidrig ist, noch richtet sie sich an Personen oder Rechtsstrukturen, an die eine entsprechende

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