Ferrari hat in Maranello sein erstes vollelektrisches Fahrzeug vorgestellt – das Modell Elettrica. Oder vielmehr die „Technologie“; denn man hat sich entschlossen, nur das Chassis zu präsentieren, um das in diesem Bereich intern entwickelte Know-how herauszustellen.
Doch der italienische Autobauer scheint im Herbst 2025 eine Ausnahme zu sein. Auf dem Markt für Luxus-Elektrofahrzeuge ist eine nachlassende Begeisterung zu spüren. Nachdem sie Anfang der 2020er-Jahre noch lautstark ihre Ambitionen verkündet hatten, haben die meisten Luxusmarken ihr Tempo gedrosselt: Sie haben die Markteinführung neuer Modelle verschoben, haben Projekte gestrichen und setzen wieder vermehrt auf Hybridtechnik. Als Grund ist vor allem das mangelnde Interesse der Kundinnen und Kunden zu sehen. Zwischen Unsicherheit bezüglich der tatsächlichen Nachfrage, Fragen zum Restwert und tief verwurzelter Verbundenheit mit dem Verbrennungsmotor macht die Branche bei der Energiewende nur allmählich Fortschritte.1 Wir ziehen Bilanz über die Projekte der wichtigsten Hersteller von Luxuswagen: von Porsche über Rolls-Royce und Ferrari bis hin zu Aston Martin.
Dynamik ganz unten
David Giboudeau, Analyst des Automobilsektors für die Bank Lombard Odier, betont: „Noch nie herrschte bei Luxus-Elektrofahrzeugen eine derart geringe Dynamik. Eine Ausnahme bildet lediglich Rolls-Royce.“ 2020 zeigten sich die meisten Autobauer sehr ambitioniert im Bereich der Elektrifizierung. Fünf Jahre später hat die Dynamik deutlich abgenommen. Eine Ankündigung folgt der anderen ‒ nur betreffen sie Verzögerungen oder sogar Stornierungen. Zugleich wenden sich die Hersteller vermehrt Elektro-SUVs zu, die der Nachfrage besser gerecht werden. Für elektrische Supersportwagen gibt es weiterhin praktisch keinen Markt.
Ferrari: mit Spannung erwartet
Ferrari hat sich Zeit gelassen, um den Einstieg in das Segment der Luxus-Elektrofahrzeuge sorgfältig vorzubereiten. Eindrücke zum Design sind noch nicht möglich: Das Unternehmen hat sich entschieden, statt der Karosserie seines neuen Elektroautos lediglich ein komplettes Chassis, einschliesslich Batteriesystem, Achsen und Fahrwerk, zu präsentieren. Form und Gestaltung des Fahrzeugs werden erst nächstes Jahr enthüllt. Bekannt ist jedoch schon heute, dass es sich um einen Viersitzer handeln wird.
Die technischen Eigenschaften des Elettrica wirken sehr überzeugend. Zudem wurde das Auto so konzipiert, dass das Fahrerlebnis möglichst identisch mit dem eines Verbrenners von Ferrari ist
„Die technischen Eigenschaften wirken laut David Giboudeau sehr überzeugend. Laut Ferrari bietet der Elettrica eine Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in 2,5 Sek., eine Spitzengeschwindigkeit von 310 km/h, eine Reichweite von über 530 km und ein Schnellladesystem von 350 kW.“ Neben den reinen Zahlen weiss die Marke mit einem einzigartigen Kundenerlebnis zu überzeugen. „Das Auto wurde so konzipiert, dass das Fahrerlebnis möglichst identisch mit dem eines Verbrenners von Ferrari ist. Zudem hat Ferrari eine Lösung zur Verstärkung des Klangs seines Elektromotors vorgestellt. Das System verhält sich angeblich wie eine Elektrogitarre im Vergleich zu einer Akustikgitarre.“
Der Autobauer hat jedoch die Lancierung seines zweiten Elektromodells auf frühestens 2028 verschoben. „Es gibt keine wirkliche Nachfrage nach einem Elektro-Supersportwagen“, so die Marke. Ferrari hat es zudem geschafft, bis heute ohne ein einziges Elektromodell im Sortiment kontinuierliches Wachstum zu verzeichnen. Die Bekanntheit der Marke und ihre Exklusivität sorgen für einen Wettbewerbsvorteil. Der Elettrica ist daher für Ferrari weniger eine Revolution als vielmehr ein strategisches Signal an potenzielle Neukundinnen und -kunden.
Porsche: ein Fehlstart?
Mit dem Taycan und später dem elektrischen Macan hat Porsche als erster Akteur im Segment der Luxus-Elektrofahrzeuge die Herausforderung gewagt. Tatsächlich war dieser Schritt aber schwieriger als erwartet. Der Autobauer musste sich der Marktrealität stellen: Der Absatz blieb deutlich hinter den Erwartungen zurück. In einigen Märkten wie etwa dem Vereinigten Königreich erwiesen sich beispielsweise die Leasing-Prognosen als zu optimistisch. Der sinkende Restwert der Elektromodelle – der Taycan verliert in einem Jahr bis zu 26% an Wert – beunruhigt auch die Kundinnen und Kunden, die ihr Fahrzeug häufig als potenzielle Investition betrachten. „Dieser Faktor ist gerade für Käufer von Luxuswagen entscheidend. Einige von ihnen sehen es als Investition zum Zeitpunkt des Weiterverkaufs, wobei Sammlermodelle einen höheren Wert haben als Neufahrzeuge“, erläutert David Giboudeau.

Der sinkende Restwert der Elektromodelle beunruhigt auch die Kundinnen und Kunden, die ihr Fahrzeug häufig als potenzielle Investition betrachten
Seit dem Börsengang 2022 hat sich die Marktkapitalisierung von Porsche halbiert – für einige ein Zeichen, dass die Elektrostrategie kaum überzeugt. Die Marke musste ihren Strategieplan daher umfassend überarbeiten und teure Investitionen tätigen.
Rolls-Royce: Ausnahmen bestätigen die Regel
Im Gegensatz zur allgemeinen Zurückhaltung setzt Rolls-Royce verstärkt auf vollelektrische Mobilität. 2024 brachte das britische Unternehmen den Spectre auf den Markt: ein Elektro-Coupé, das sofort überzeugte und sogar den Cullinan, den Star-SUV, überrundete. Rolls-Royce bleibt seiner Tradition treu und setzt auf den sanften, kontinuierlichen Antrieb, den Elektromotoren bieten: eine ideale Eigenschaft für elektrische Luxuslimousinen für Kundinnen und Kunden, denen absoluter Komfort wichtiger ist als Leistung auf der Strecke. Ein zweites Modell wurde bereits bestätigt. Die Marke hat mit 300 Mio. Pfund massiv investiert, um ihren Standort Goodwood an die Produktion von Elektrofahrzeugen anzupassen. Wo die Rivalen noch zögern, hat Rolls-Royce eine radikale Kehrtwende vollzogen: Das Unternehmen ist vom V12 direkt zum Elektromotor übergegangen, ohne den Umweg über den Hybridantrieb zu nehmen.

Wo die Rivalen noch zögern, hat Rolls-Royce eine radikale Kehrtwende vollzogen: Das Unternehmen ist vom V12 direkt zum Elektromotor übergegangen, ohne den Umweg über den Hybridantrieb zu nehmen
Lamborghini: bewusstes Zögern
Lamborghini hat wiederholt eine Elektrifizierung angekündigt – jedoch stets zurückhaltend. Nach der Lancierung von Plug-in-Hybriden wie dem Revuelto, dem Urus SE und dem Temerario zeigt sich die Marke angesichts der schwierigen Märkte für Luxus-Elektrofahrzeuge zurückhaltend. Ihr erstes vollelektrisches Modell, der Lanzador, wird nun erst 2029 auf den Markt kommen und könnte sogar noch durch ein Plug-in-Modell ersetzt werden. CEO Stephan Winkelmann räumte ein, dass die weltweite Nachfrage nach elektrischen Supersportwagen schwach bleibt und eine solche Wende zum jetzigen Zeitpunkt nicht rechtfertigt. „In der Zwischenzeit setzt Lamborghini auf Hybridfahrzeuge und prüft die Nutzung synthetischer Treibstoffe als Alternative zum vollelektrischen Antrieb“, erläutert David Giboudeau.
Aston Martin: grosse Unentschlossenheit
Bei Aston Martin ändert sich der Zeitplan für die Elektrifizierung mit jeder Ankündigung der Geschäftsleitung. Die Lancierung des ersten Elektromodells – ursprünglich für 2025 angekündigt – wurde auf 2027 verschoben. Der neue CEO, Adrian Hallmark, der von Bentley zu Aston Martin wechselte, bestätigt kein festes Datum. Aktuell konzentriert sich die Marke auf Plug-in-Hybride, die ihrer Auffassung nach stärker der Kundennachfrage entsprechen. „Es gibt bekanntlich nichts Schlimmeres, als ein Auto zum falschen Zeitpunkt auf den Markt zu bringen. Mehrere Autobauer verschieben daher aktuell die Markteinführung von Elektrofahrzeugen“, hatte Ivo Bochev, Head of Sales bei Aston Martin Europe, vor der Presse erklärt.
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Bugatti und Rimac: der Hybrid als Kompromiss
Bei Bugatti erfolgt die Antriebswende über den Hybrid. 2024 lancierte der Autobauer den Tourbillon, einen Supersportwagen mit 1’775 PS, der über einen V16-Motor und drei Elektromotoren verfügt. Der Erfolg stellte sich umgehend ein: Die Produktion ist bereits bis 2029 ausverkauft. Bei der Muttergesellschaft Rimac verläuft die Wende hingegen zögerlicher. Der Gründer Mate Rimac rechnete mit 150 verkauften Fahrzeugen seines elektrischen Nevara – tatsächlich waren es bisher nur etwa 50. Auch hier erweist sich die Marktrealität für elektrische Supersportwagen schwieriger als angenommen.
Maserati: zu schnelle Wende?
Mit der Version Folgore des GranTurismo und des Grecale glaubte Maserati, rasch das Elektrofahrzeugsegment erobern zu können. Doch der Absatz brach ein, und eine vollständige Überarbeitung der Strategie war die Folge. Die Marke hat ihr Projekt einer Elektroversion des MC20 gestrichen und plant nun, zum Hybrid zurückzukehren. Mit einem Einbruch der Verkaufszahlen von über 50% im Jahr 2024 erscheint Maserati als Sinnbild für die Gefahren einer zu schnellen und zu ehrgeizigen Wende in diesem Segment.
Maserati glaubte, rasch das Elektrofahrzeugsegment erobern zu können. Doch der Absatz brach ein, und eine vollständige Überarbeitung der Strategie war die Folge
Pagani und Koenigsegg: Widerstand
Einige Nischenmarken kehrten dem Elektroantrieb entschieden den Rücken. Pagani hat seinen Plan für einen Elektro-Supersportwagen – den Utopia – vollständig aufgegeben. Ein Beleg für die spezifischen Herausforderungen der Luxusproduzenten im Elektrofahrzeugsegment, in dem das Kundeninteresse überschaubar bleibt. Der Kleinserienhersteller bleibt seinen manuellen Schaltgetrieben und einem emotionalen Fahrerlebnis treu. Koenigsegg verfolgt eine ähnliche Haltung: Gründer Christian von Koenigsegg bezeichnet Elektrofahrzeuge als „Roboter“ ohne Seele und setzt stattdessen auf Verbrenner und Hybridversionen. Aufgrund ihrer Grösse profitieren die beiden Marken zudem von Ausnahmeregelungen in Europa. So können sie das ab 2035 geltende Verbot von Verbrennermotoren teilweise umgehen. Da beide Unternehmen nicht börsennotiert sind, ist der Einfluss von Aktionären und Regulierungsbehörde natürlich ganz anders.
Fazit: Kann Ferrari den Ton angeben?
Bis jetzt scheint keine Marke im Luxuswagensegment wirklich die Führung bei der Elektrowende übernommen zu haben. Mit einer Ausnahme: Rolls-Royce setzt ausdrücklich auf Komfort – ganz anders als die Luxus-Sportwagen. Pionier Porsche wurde in seiner Dynamik durch die Marktrealität ausgebremst: Die Kundennachfrage bleibt aus. Die anderen Autobauer verschieben daher ständig Markteinführungen oder setzen gleich auf den Hybrid.
Nur Ferrari scheint in der Lage, die Probleme zu meistern – durch seine Symbolkraft, seine strategische Disziplin und seine Fähigkeit, eine Geschichte rund um den Elektroantrieb zu erzählen. „Die Positionierung des Elettrica soll neue Kundinnen und Kunden anziehen, ohne die Ferrari-Standards Leistung, sportliches Fahren und Exklusivität hintanzustellen. Man erkennt, dass die Gruppe nicht von einem „Bestseller“ in den nächsten Jahren ausgeht, sondern ihre Interpretation eines elektrischen Luxus-Sportwagens vorstellt“, so David Giboudeau abschliessend.
Images courtesy of Ferrari S.p.A
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