investment insights

    Bankenstress erlaubt der Fed eine Pause – die Aufgabe der EZB ist noch nicht erledigt

    Bankenstress erlaubt der Fed eine Pause – die Aufgabe der EZB ist noch nicht erledigt
    Bill Papadakis - Macro Strategist

    Bill Papadakis

    Macro Strategist

    Kernpunkte

    • Nach einer weiteren Zinserhöhung um 25 Bp. im Mai gab die Fed zu verstehen, dass im Juni eine Pause möglich sein könnte. In unserem Basisszenario erwarten wir einen Höchststand von 5,25% in diesem Zinszyklus, ohne Zinssenkungen bis 2024.
    • Die akuten Spannungen im US-Bankensystem scheinen abgeklungen zu sein. Sollte sich die Situation klar verschlechtern, könnten rasche und deutliche Zinssenkungen nötig werden.
    • Die EZB ist ebenfalls mit einer sich verlangsamenden Nachfrage und einer hartnäckigen Inflation konfrontiert, doch der Konjunkturzyklus in Europa hinkt jenem in den USA einige Monate hinterher. Wir erwarten eine gewisse weitere geldpolitische Straffung, bei einem Zinshöchststand in der Eurozone von 3,50% Mitte Juni.

    Die US-Notenbank Fed hat an ihrer Sitzung im Mai erwartungsgemäss die Zinsen um 25 Basispunkte (Bp.) angehoben. Sie hat angedeutet, dass dies die letzte Zinserhöhung in diesem Zyklus sein könnte. Wir sind nun der Meinung, dass das aktuelle Zinsniveau von 5,25% den Höchststand darstellt. Zugleich halten wir die vom Markt für 2023 erwarteten Zinssenkungen weiterhin für unwahrscheinlich. Während die Debatte über die künftige Geldpolitik und Zinssenkungen weitergeht, hängt viel von der Entwicklung der Spannungen im Bankensystem sowie vom Inflations- und Wachstumsverlauf ab.

    Wir halten die vom Markt für 2023 erwarteten Zinssenkungen weiterhin für unwahrscheinlich

    In ihrer Erklärung und an der Pressekonferenz achtete die Fed auf sorgfältige Formulierungen, um Signale für eine endgültige Zinspause im Juni zu vermeiden. Der Hinweis „eine gewisse zusätzliche Straffung könnte angebracht sein“ wurde aus der Erklärung gestrichen. Zugleich betonte der Fed-Vorsitzende Jerome Powell, dass künftige Schritte von den neuesten Daten abhingen und an den einzelnen Sitzungen entschieden würden.

    Jerome Powell räumte indessen ein, dass die Spannungen im Bankensektor und die verschärften Kreditbedingungen die Geldpolitik unterstützten und diese möglicherweise bereits ausreichend restriktiv sei. Er betonte, dass eine Zinsstraffung um insgesamt 500 Bp., die anhaltende Schrumpfung der Fed-Bilanz und die geringere Verfügbarkeit von Krediten wesentliche Schritte seien. Des Weiteren sagte er, dass der volle Effekt der geldpolitischen Straffung nur mit Verzögerung spürbar sei. Unseres Erachtens hat sich die Beweislast für die Fed nun verlagert. Bislang hat sie zusätzliche Belege dafür gebraucht, dass die Inflation zurückgegangen ist, um eine Pause einzulegen; nun braucht sie zusätzliche Belege dafür, dass der Anpassungsprozess ins Stocken geraten ist, um die Zinsen anzuheben.

    Die Inflation scheint nun entscheidend zurückzugehen. Sie ist im März auf 5,0% gesunken, nachdem sie im Juni 2022 einen Höchststand von 9,1% erreicht hatte. Laut Jerome Powell ist die Situation auf dem Arbeitsmarkt nach wie vor ausserordentlich angespannt. Es gibt aber Hinweise darauf, dass der Arbeitsmarkt nicht mehr überhitzt ist, da die Anpassung an ein besseres Gleichgewicht fortdauert.

    Die Fed ist jedoch weit davon entfernt, die Inflation für besiegt zu erklären. Das Lohnwachstum scheint nach wie vor recht hoch, und die Dienstleistungsinflation erweist sich als hartnäckig. Ein von der Fed bevorzugte Mass für die Kerninflation – der Index der persönlichen Verbraucherausgaben (PCE) abzüglich der Lebensmittel- und Energiekosten – legt im Jahresvergleich immer noch um 4,6% zu. Insgesamt ist die zugrunde liegende Teuerung nach wie vor nicht mit dem Inflationsziel der Fed von 2% vereinbar, was für einen beharrliche geldpolitische Haltung spricht.

    Die Fed ist weit davon entfernt, die Inflation für besiegt zu erklären

    Das Wachstum hat sich mittlerweile auf ein unter dem Potenzial liegendes Tempo abgeschwächt. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der USA ist im ersten Quartal um nur 1,1% gewachsen. Wir erwarten, dass es sich weiter verlangsamt und zum Jahreswechsel sogar unter die Marke von null fällt. Zusammen mit den verschärften Kreditbedingungen im Bankensystem – einer Variable, der die Fed immer mehr Beachtung schenkt – tragen diese Entwicklungen dazu bei, dass sich der Fokus im Kalkül der Fed verschiebt.

    Die grossen Fragen sind immer noch, wie viel Schaden der Bankenstress der Wirtschaft zufügt und wann die Fed die Zinsen senkt. Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Berichts preisen die Märkte eine Wahrscheinlichkeit von etwa 40% für eine Zinssenkung im Juli ein sowie eine volle Zinssenkung bis September. Jerome Powell hat diesen Gedanken erneut zurückgewiesen. Der Zinsausschuss der Fed ist ihm zufolge der Meinung, dass es einige Zeit dauert, bis die Inflation zurückgeht, und dass Zinssenkungen in diesem Fall nicht angebracht wären. Wir halten Zinssenkungen aufgrund der robusten Nachfrage und der hartnäckigen Inflation ebenfalls für ein unwahrscheinliches Szenario.

    Laut Einschätzung der Fed ist das Bankensystem widerstandsfähig. Zugleich scheinen ihre Notfallmassnahmen zur Wiederherstellung der Liquidität zu greifen; die Inanspruchnahme der Fazilitäten durch die Banken ist in den letzten Wochen stetig zurückgegangen. Sollten sich die Turbulenzen im Bankensektor klar verstärken, würden die Zinsen wahrscheinlich rasch und deutlich gesenkt. Derzeit gehen wir in unserem Basisszenario weiterhin davon aus, dass Zinssenkungen erst 2024 erfolgen.

    EZB im Zinszyklus weniger weit fortgeschritten

    Die Entscheidungsträger der Europäischen Zentralbank (EZB) sehen sich mit einem ähnlichen Dilemma konfrontiert, was die Verlangsamung des Wachstums, die Kreditbedingungen und die anhaltend hohe Inflation betrifft. Allerdings besteht eine mehrmonatige Verzögerung im Vergleich zu den USA. Wie die Fed hob auch die EZB die Zinsen im Mai um 25 Bp. an, nach 50 Bp. im April. EZB-Präsidentin Christine Lagarde machte jedoch deutlich, dass die EZB noch nicht beabsichtigt, eine Pause einzulegen. Die Erklärung der EZB deutete an, dass eine gewisse weitere Straffung wahrscheinlich ist. Zudem wird sich der Bilanzabbau bald beschleunigen. So hat die EZB angekündigt, dass die Reinvestitionen im Rahmen ihres Programms zum Ankauf von Vermögenswerten im Juli auslaufen.

    EZB-Präsidentin Christine Lagarde machte deutlich, dass die EZB noch nicht beabsichtigt, eine Pause einzulegen

    Auch die europäischen Banken verschärfen ihre Kreditvergabestandards, wenn auch weniger als in den USA. Im Allgemeinen sind sie vor den jüngsten Turbulenzen im Bankensektor besser geschützt. Auch sind sie aufgrund der strengen Regulierung, die nach der Finanzkrise eingeführt wurde, generell grösser und besser kapitalisiert als ihre US-Pendants. Die finanziellen Bedingungen verschärfen sich jedoch weiter. Dies im Einklang mit den jüngsten Massnahmen der EZB – u.a. Zinserhöhungen, Kreditrückzahlungen der Geschäftsbanken und Verringerung der Anleihebestände – sowie der nachlassenden Kreditbereitschaft der Unternehmen. Die BIP-Daten für das erste Quartal haben zwar bestätigt, dass der Kontinent eine von vielen befürchtete Winterrezession vermeiden konnte. Doch die Wirtschaft der Eurozone ist im ersten Quartal nur um 0,1% gewachsen.

    Die Straffung der Geldpolitik und die geringere Kreditvergabe der Banken führen zu einem Rückgang der Inflation in der Eurozone, wobei der Abwärtstrend einige Monate hinter jenem in den USA zurückbleibt. Während die Gesamtinflation im April gegenüber dem Vormonat geringfügig anstieg und die Dienstleistungsinflation hoch blieb, ging die Kerninflation zurück. Dies spiegelt ein Nachlassen des zugrunde liegenden Preisdrucks wider. Sinkende Energie- und Lebensmittelpreise zeigen, dass die Schocks des Jahres 2022 absorbiert werden.

    Die Inflation bleibt hoch, die EZB sorgt sich über Zweitrundeneffekte, und an der Pressekonferenz wurde deutlich gemacht, dass die EZB keine Pause einlegt. All dies lässt uns von einer weiteren Zinserhöhung um 25 Bp. im Juni ausgehen. Wir halten eine Pause an der Sitzung vom 27. Juli bei einem Höchstsatz von 3,50% für wahrscheinlich. Denn bis dahin rechnen wir mit einer weiteren Verlangsamung der Nachfrage und einem anhaltenden Abwärtstrend der Inflation. Sofern es nicht zu unvorhergesehenen Spannungen im Bankensektor kommt, erwarten wir dann für den Rest des Jahres 2023 unveränderte Zinsen und ein Wachstum für das Gesamtjahr von nur 0,7%.

    Wichtige Hinweise.

    Die vorliegende Marketingmitteilung wurde von der Bank Lombard Odier & Co AG (nachstehend “Lombard Odier”) herausgegeben. Sie ist weder für die Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung in Rechtsordnungen bestimmt, in denen eine solche Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung rechtswidrig ist, noch richtet sie sich an Personen oder Rechtsstrukturen, an die eine entsprechende

    Entdecken Sie mehr.

    Sprechen wir.
    teilen.
    Newsletter.