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    Steigende Zinsen – ein Wendepunkt für Bankaktien?

    Steigende Zinsen – ein Wendepunkt für Bankaktien?
    Stéphane Monier - Chief Investment Officer<br/> Lombard Odier Private Bank

    Stéphane Monier

    Chief Investment Officer
    Lombard Odier Private Bank

    Kernpunkte

    • Banken gehören zu den wenigen Sektoren, die von höheren Zinsen profitieren, da diese einen direkten Anstieg der Gewinne bewirken
    • Die Ausgangslage für viele Banken ist mit Beginn dieses Abschwungs gut: Sie weisen gestärkte Bilanzen auf (abgesehen von Schwächen bei einzelnen Instituten), verfügen über erhebliche Rückstellungen und profitieren von der staatlichen Unterstützung für Haushalte und Unternehmen
    • Diese Faktoren gilt es gegen die Rezessionsrisiken, potenzielle Sondergewinnsteuern und Massnahmen der EZB in Bezug auf Bankreserven und Kredite abzuwägen
    • Zwar ist es unseres Erachtens noch zu früh, um für den Sektor volle Entwarnung zu geben. Doch wir stellen fest, dass Bankaktien nach wie vor deutlich unterbewertet sind, und sehen bei diesen Niveaus Argumente für einige starke und diversifizierte Banken.

    Die Zinsen steigen schneller und stärker als erwartet. Sollten sich die Banken darüber freuen? Banken gehören zu den wenigen Sektoren, die von steigenden Zinsen profitieren, sind aber ebenfalls mit Rezessionsrisiken konfrontiert. In Europa hat die Marktvolatilität zudem Schwachstellen bei einzelnen Instituten offenbart. Im Folgenden wägen wir die Argumente für eine nun positivere Einschätzung eines seit Langem ungeliebten Sektors ab.

     

    Banken ticken anders

    Für die meisten Unternehmen bedeuten steigende Zinsen unwillkommene höhere Kreditkosten. Banken hingegen verdienen ihr Geld in der Regel mit der Differenz zwischen dem, was sie von Kreditnehmern für Darlehen verlangen, und dem, was sie Sparern für Einlagen zahlen – d.h. ihrem Erfolg aus dem Zinsgeschäft. Da sie gewöhnlich von den Zinserhöhungen mehr auf die Kreditnehmer abwälzen, als sie an die Sparer weitergeben, führen höhere Zinsen zu einem direkten Anstieg ihrer Gewinne. Viele erhalten auch Zinsen auf Einlagen, die sie bei anderen Instituten, einschliesslich Zentralbanken, halten.

    Ein lange erwarteter Zinsanstieg

    Die europäischen Banken mussten sich jahrelang mit Negativzinsen herumschlagen. Das heisst, die Erträge sind seit fast einem Jahrzehnt nicht gestiegen, obwohl das Kreditvolumen jährlich um etwa 3% gewachsen ist. Dies hat sich nun zu ändern begonnen. Im zweiten Quartal verzeichneten die europäischen Banken ein Ertragswachstum von 8%, das auf einem Anstieg des Erfolgs aus dem Zinsgeschäft von 14% beruhte. In dem Masse, in dem sich die Gewinndynamik verbessert, steigen auch die Erwartungen der Analysten in Bezug auf künftige Gewinne.

    Die europäischen Banken mussten sich jahrelang mit Negativzinsen herumschlagen. Das heisst, die Erträge sind seit fast einem Jahrzehnt nicht gestiegen ... Dies hat sich nun zu ändern begonnen

    Für die US-Banken, die im Konjunkturzyklus weiter fortgeschritten sind, ergibt sich ebenfalls ein positives Bild, wenn auch ein differenzierteres. Die US-Zinsen wurden schon früher angehoben. Entsprechend ist der Grenznutzen weiterer Zinserhöhungen nun geringer, und die Gewinne der Banken befinden sich näher am „Hoch“. Der Druck auf die Einlagenzinsen auf der anderen Seite des Atlantiks ist zudem grösser, da die Kunden ihre Einlagen in höher rentierliche Anlagen umschichten. Des Weiteren ist die Kosteninflation stärker, und die US-Notenbank Fed hat die quantitative Lockerung früher beendet. Dennoch verzeichneten die US-Banken im zweiten Quartal ein Ertragswachstum von 4%, wenngleich geringere Gebühreneinnahmen den höheren Erfolg aus dem Zinsgeschäft dämpften.

    Natürlich kombinieren viele Banken das Einlagen- und Kreditgeschäft mit anderen Tätigkeiten, z.B. Dienstleistungen für vermögende Privatpersonen, Grossanleger und Unternehmen. Bei denjenigen, die über ein umfangreiches Investmentbanking verfügen, haben die Volatilität und die Unsicherheit an den Märkten die Gebühreneinnahmen aus der Emission von Schuldtiteln und Aktien, aus Börsengängen sowie aus Fusionen und Übernahmen stark beeinträchtigt. Dies auch wenn bei Letzteren die Zahl der in der Pipeline befindlichen Geschäfte hoch sein soll. Das schwierige Umfeld dürfte zu Stellenstreichungen führen. In Europa hat die Marktvolatilität Schwachstellen bei den Aktien einzelner Institute offenbart, bei denen die Wahrscheinlichkeit von Kapitalerhöhungen nun grösser ist.

    In Europa hat die Marktvolatilität Schwachstellen bei den Aktien einzelner Institute offenbart, bei denen die Wahrscheinlichkeit von Kapitalerhöhungen nun grösser ist

    Rezessionsrisiken steigen

    Das Risiko, dem alle Banken ausgesetzt sind, ist die drohende Rezession. Die Kehrseite steigender Zinsen besteht darin, dass sie in der Regel in einem Abschwung münden. Wir rechnen sowohl in den USA als auch in Europa für 2023 mit einer Rezession. Da immer mehr Privatpersonen und Unternehmen Schwierigkeiten bekunden, ihre Kredite zurückzuzahlen, sehen sich die Banken einem versiegenden Kreditwachstum ausgesetzt. Sie müssen zudem die Rückstellungen erhöhen, um mögliche Zahlungsausfälle zu decken. Auf beiden Seiten des Atlantiks ist die Qualität der Aktiva fast auf dem Höchststand, und es gibt kaum Anzeichen von Stress. Allerdings gehen wir für 2022 von steigenden Risikokosten aus, da die Banken ihre makroökonomischen Prognosen nach unten korrigieren.

    Dennoch sieht die Ausgangsposition für viele Banken zu Beginn dieser Rezession gut aus. Nach der globalen Finanzkrise von 2007/2008 wurden die Bilanzen bereinigt und notleidende Kredite verkauft. Heute können Risiken unseres Erachtens genauso gut ausserhalb des Bankensektors bestehen. Die Kapitalausstattung der meisten europäischen Banken scheint jetzt mehr als angemessen. Einige sind sogar darum bemüht, überschüssiges Kapital an die Aktionäre zurückzugeben. Im Gegensatz zu den Ereignissen, welche die globale Finanzkrise auslösten, sind Rezessionen, die auf steigende Zinsen folgen, zumindest ein bekanntes Risiko, auf das sich die Banken vorbereiten können.

    … sind Rezessionen, die auf steigende Zinsen folgen, zumindest ein bekanntes Risiko, auf das sich die Banken vorbereiten können

    Diese Vorbereitungen sind bereits in vollem Gange. Neue Rechnungslegungsvorschriften bedeuten, dass die europäischen Banken im Zuge der Überarbeitung ihrer wirtschaftlichen Szenarien Rückstellungen für Kreditausfälle vornehmen. Viele haben auch erhebliche Rückstellungen für Covid-19-Kredite gebildet, die nun neuen Zwecken dienen könnten und einen zusätzlichen Risikopuffer darstellen (in den USA sind diese Rückstellungen bereits weitgehend aufgelöst worden). Die meisten Banken sind der Meinung, dass die zusätzlichen Erträge, die sie durch höhere Zinsen erzielen, den Kostenanstieg aufgrund von Inflation und bedeutenderen Rückstellungen mehr als ausgleichen sollten.

    Die meisten Banken sind der Meinung, dass die zusätzlichen Erträge, die sie durch höhere Zinsen erzielen, den Kostenanstieg aufgrund von Inflation und bedeutenderen Rückstellungen mehr als ausgleichen sollten

    Alles in allem dürften sich bessere Bilanzen und steigende Zinsen als wichtige Unterstützung bei der Bewältigung des Abschwungs erweisen. Staatliche Hilfen zur Bekämpfung der Auswirkungen hoher Energiekosten sind zudem Grund für eine gewisse Zuversicht in Bezug auf die Fähigkeit der Haushalte und Unternehmen, ihren Kreditratenzahlungen nachzukommen. Einige Banken in Europa profitieren weiterhin von staatlich unterstützten Krediten, die in Pandemiezeiten gewährt wurden. Aus Gesprächen mit Managementteams – vor allem in Europa – berichten unsere Analysten von einer positiven Stimmung.

     

    Risiken – Rezession, einmalige Steuern und die EZB

    Natürlich könnten sich die Prognosen der Banken und Analysten über das Ausmass des Abschwungs als zu optimistisch erweisen. Ein schwerwiegender Abschwung könnte schneller als erwartet zu Zinssenkungen führen, wodurch die Rentabilitätssteigerung der Banken rasch zunichtegemacht würde. Extremrisiken verstärken sich in Abschwüngen, wenn die Märkte besonders unberechenbar und volatil sind. Ein Beispiel hierfür sind die jüngsten historischen Bewegungen bei britischen Staatsanleihen.

    Extremrisiken verstärken sich in Abschwüngen, wenn die Märkte besonders unberechenbar und volatil sind. Ein Beispiel hierfür sind die jüngsten historischen Bewegungen bei britischen Staatsanleihen

    Zugleich bleiben die geopolitischen Risiken bestehen, ebenso wie politische Bedenken, welche die nähere Umgebung betreffen. Die Banken werden in Zeiten, in denen der grösste Teil der Wirtschaft stark leidet, voraussichtlich solide Gewinne ausweisen. Die Regierungen könnten diese als „Übergewinne“ betrachten und versuchen, einen Teil davon durch Banksteuern und -abgaben einzunehmen. Dies dürfte schwieriger sein als bei den Energieunternehmen – wo bereits Steuern auf ausserordentliche Gewinne erhoben wurden. Allerdings wurde in Spanien und der Tschechischen Republik bereits über Abgaben für Banken diskutiert.

    Eine weitere Sorge betrifft mögliche Änderungen darin, wie die Europäische Zentralbank (EZB) mit den Reserven der Geschäftsbanken (die quantitative Lockerung führte zu einer grossen Menge dieser Einlagen) und den an Geschäftsbanken vergebenen Krediten umgeht. Anfang dieses Monats änderte die EZB ihre Bedingungen in Bezug auf Erstere, sodass Banken nun den Leitzins auf ihre Einlagen erhalten. Wenn die Zinsen steigen, könnten sich die Zinserträge als politisch problematisch erweisen und als öffentliche Subvention für die Banken gewertet werden. Die Schweizerische Nationalbank hat jüngst diesbezüglich eine härtere Gangart eingeschlagen und damit einen Präzedenzfall geschaffen, den die EZB möglicherweise übernehmen muss.

     

    Steht eine Aufwertung der Bankaktien an?

    Trotz dieser Risiken sind wir der Meinung, dass viele Banken auf einem soliden Fundament stehen. Steigende Zinsen dürften den Gewinnen dieses und nächstes Jahr erheblichen Auftrieb verleihen. Die Anlegerinnen und Anleger müssen im Gegensatz zu den Analysten aber noch von den Vorzügen der Banken überzeugt werden. Nach Jahren der Skepsis in Bezug auf die Anlagerenditen scheinen die Bewertungen derzeit sehr attraktiv. Sie liegen weit unter den historischen Durchschnittswerten, und zwar sowohl in Bezug auf das Kurs-Buchwert-Verhältnis als auch auf das Kurs-Gewinn-Verhältnis.

    Es trifft sicherlich zu, dass Investitionen in Banken – insbesondere in europäische Banken – oft nicht lohnend waren. Eine Outperformance gegenüber dem breiteren Euro STOXX 50 Index war im letzten Jahrzehnt selten (2021 war eine bemerkenswerte Ausnahme). Die absolute Performance von US-Banken war zwar besser, aber im Vergleich zum S&P 500 ebenfalls wenig inspirierend. Dies war vor allem auf die überdurchschnittlichen Renditen der Tech-Aktien in den letzten Jahren zurückzuführen.

    … dass Investitionen in Banken – insbesondere in europäische Banken – oft nicht lohnend waren … Im bisherigen Jahresverlauf haben bedeutende Gewinnrevisionen bei europäischen Banken keinen Anstieg der Aktienkurse bewirkt

    Im bisherigen Jahresverlauf haben bedeutende Gewinnrevisionen bei europäischen Banken keinen Anstieg der Aktienkurse bewirkt. Wenn überhaupt, war das Gegenteil der Fall: eine Entkoppelung zwischen Gewinnkorrekturen und Aktienkursen und eine Abwertung, die wir als potenzielle Chance sehen. Auch wenn wir aufgrund der Rezessionsrisiken und möglicher Sondergewinnsteuern eine neutrale Haltung gegenüber dem Sektor beibehalten, sehen wir bei diesen Niveaus Argumente für einige starke und diversifizierte Banken. Wir bevorzugen nach wie vor Banken mit soliden Bilanzen, einer robusten Kapitalausstattung und dem Potenzial für Kapitalrückführungen – Letztere sind in Europa eher gegeben als in den USA.

    Wichtige Hinweise.

    Die vorliegende Marketingmitteilung wurde von der Bank Lombard Odier & Co AG (nachstehend “Lombard Odier”) herausgegeben. Sie ist weder für die Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung in Rechtsordnungen bestimmt, in denen eine solche Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung rechtswidrig ist, noch richtet sie sich an Personen oder Rechtsstrukturen, an die eine entsprechende

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