investment insights

    2008 gegenüber 2022: Droht eine erneute globale Finanzkrise?

    2008 gegenüber 2022: Droht eine erneute globale Finanzkrise?
    Stéphane Monier - Chief Investment Officer<br/> Lombard Odier Private Bank

    Stéphane Monier

    Chief Investment Officer
    Lombard Odier Private Bank

    Angesichts der fortgesetzten Zinsanhebungen durch die US-Notenbank Fed warnen bekannte Finanzexperten wie „Doctor Doom“ Nouriel Roubini vor der Gefahr einer erneuten Finanzkrise. Im Folgenden vergleichen wir anhand von acht makroökonomischen Kennzahlen das heutige Umfeld mit jenem vor der globalen Finanzkrise von 2007/2008. In Kürze: Die Inflation, der verringerte fiskalpolitische Handlungsspielraum und die erhöhten geopolitischen Risiken sind besorgniserregend. Doch legen die relative Stärke des Banken- und Unternehmenssektors, ein robuster Arbeitsmarkt sowie eine anhaltende Wohnungsknappheit eine grössere Widerstandsfähigkeit nahe.

     

    1. Inflationäres Umfeld

    Anlass zur Sorge gibt pessimistischen Anlegern die im Vergleich zu den Zeiten vor der globalen Finanzkrise nun wesentlich höhere Inflation in den meisten Industrieländern (siehe Grafik). In der Tat zwingt der hartnäckige Inflationsdruck die Notenbanken aktuell dazu, die Zinsen ungeachtet einer drohenden Rezession anzuheben. Bemerkenswert ist indessen, dass China im Gegensatz zu den meisten westlichen Ländern nach wie vor über einen grossen geldpolitischen Handlungsspielraum verfügt und momentan Lockerungsmassnahmen ergreift. Die Inflation liegt in China wesentlich unter den Werten von 2008.

     

    Konsumentenpreisindex – ausgewählte Länder

    Chart 10 (1200x627px).svg

     

    2. Ausgeschöpftes fiskalpolitisches Arsenal 

    Der Überhang an Staatsschulden scheint heute ebenfalls bedenklicher als 2008. Die Verschuldung im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) hat sich in den USA, verglichen zum Umfeld vor 15 Jahren, in etwa verdoppelt (siehe Grafik). Die Regierung verfügt somit im Falle eines Abschwungs über weniger fiskalpolitischen Handlungsspielraum, um Konjunkturanreize zu setzen. In Teilen Europas ist das Problem noch akuter: So ist Italiens Staatsschuldenquote mittlerweile auf 150% des BIP geklettert, während sie vor der globalen Finanzkrise bei rund 100% lag. Ferner besteht das Ziel der Notenbanken momentan darin, ihre während der Finanzkrise und erneut im Verlauf der Pandemie aggressiv ausgeweiteten Bilanzen zu schrumpfen.

    Der Überhang an Staatsschulden scheint heute bedenklicher als 2008

    US-Schuldenquote

    Chart 3 (1200x627px).svg

     

    3. Akute geopolitische Risiken 

    Verglichen mit 2008, als in erster Linie eine finanzielle Katastrophe drohte, steht die Welt derzeit vor wesentlich grösseren geopolitischen Risiken. 2018 führten Dario Caldara und Matteo Iacoviello, Mitglieder des Federal Reserve Board, einen neuen Index ein, der erfasst, wie häufig geopolitische Spannungen Gegenstand der Medienberichterstattung sind. Laut diesem Index entsprechen die gegenwärtigen Risiken einem Niveau, das zuletzt während des Irakkriegs, der Golfkriege oder beim Angriff auf das World Trade Center am 11. September 2001 verzeichnet wurde.

     

    Chart 4 (1200x627px).svg

     

    4. US-Sparquoten sinken drastisch

    Zwei Drittel des BIP der weltweit grössten Volkswirtschaft beruhen auf dem Verbrauch. Somit ist die Finanzkraft des US-Verbrauchers für den Wirtschaftsausblick zentral. Die private Sparquote hat während der Pandemie ungewöhnlich hohe 33,8% erreicht, ist seither jedoch – bis zum dritten Quartal 2022 – auf 3,1% gesunken. Dies ist das niedrigste Quartalsniveau seit 2008 und das achtniedrigste seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1947. Da die höheren Lebenshaltungskosten die verfügbaren Einkommen schmälern, steigen ausserdem die Kreditkartenkredite deutlich an. Dies deutet darauf hin, dass die Fähigkeit der Haushalte, finanziellen Widrigkeiten zu trotzen, abnimmt. Ungeachtet dessen sitzen die Verbraucher weiterhin auf im Verlauf der Pandemie angehäuften Ersparnissen in einer Grössenordnung von USD 1,7 Bio. 

    Die Fähigkeit der Haushalte, finanziellen Widrigkeiten zu trotzen, nimmt ab

    Private Sparquote in den USA, in %

    Chart 5 (1200x627px).svg

     

    5. Arbeitsmärkte weltweit scheinen recht robust  

    Auch wenn die Ersparnisse der Haushalte gesunken sind, geben die Arbeitsmärkte in den USA, im Vereinigten Königreich, in Europa und in Japan heute ein solideres Bild ab als 2008 (siehe Grafik). In den USA verharrt die Arbeitslosenquote nahe an historischen Tiefs, und die Zahl der offenen Stellen ist fast auf einem historischen Höchststand (beinahe zwei Stellen pro arbeitsloser Person). Damit präsentiert sich der Arbeitsmarkt wesentlich robuster als vor der globalen Finanzkrise.

     

    Arbeitslosenquote, in %

    Chart 11 (1200x627px).svg

     

    6. Widerstandsfähigere Banken und Unternehmen 

    Die aktuell höhere Widerstandsfähigkeit des Bankensektors im Vergleich zu 2008 ist eines der überzeugendsten Argumente gegen einen weiteren Finanzmarktcrash. Eine der Hauptquellen finanzieller Schwäche im Vorfeld der globalen Finanzkrise war die aggressive Kreditvergabe an Schuldner, die nicht in der Lage waren, ihre Verbindlichkeiten zu bedienen. Nach der Umsetzung verschiedener neuer Vorschriften, mit denen eine weitere Subprime-Krise verhindert werden soll, haben die Banken die Risiken in ihren Bilanzen abgebaut. Darüber hinaus wurden die Rahmenbedingungen für Konsumkreditprodukte wie Hypotheken und Autokredite erheblich verschärft. Entsprechend sind die Zahlungsausfälle in den USA heute wesentlich geringer als vor der globalen Finanzkrise (siehe Grafik).

    Die aktuell höhere Widerstandsfähigkeit des Bankensektors im Vergleich zu 2008 ist eines der überzeugendsten Argumente gegen einen weiteren Finanzmarktcrash

    Kreditausfallquote US-amerikanischer Geschäftsbanken

    Chart 7 (1200x627px).svg

    7. Solidere Unternehmensbilanzen 

    Auch die Unternehmensbilanzen scheinen wesentlich solider als 2007/2008. So belaufen sich die Zahlungsmittel und Zahlungsmitteläquivalente pro Aktie unter den S&P-Unternehmen in etwa auf das Dreifache der vor der globalen Finanzkrise verzeichneten Niveaus (siehe Grafik).

     

    Zahlungsmittel und Zahlungsmitteläquivalente pro Aktie im S&P

    Chart 9 (1200x627px).svg

     

    8. Ein robusterer Immobilienmarkt

    Stark gestiegene Hypothekenzinsen und weniger Transaktionen – angesichts eines Rückgangs der Verkäufe neuer Eigenheime um 11% im September– führten zu Befürchtungen über eine schmerzhafte Korrektur am US-Immobilienmarkt. Allerdings gehen wir nicht von einer Krise wie 2008 aus. Der Baustopp während der globalen Finanzkrise hat zur Folge, dass mittlerweile ein Bestandsdefizit von rund einer Million Wohnungen vorherrscht. Das Pro-Kopf-Wohnungsangebot ist 2008 zurückgegangen und hat nie wieder das vor der Finanzkrise verzeichnete Niveau erreicht. Zugleich könnten die Millennials, die nun in das Haupterwerbsalter für Wohneigentum kommen, den Immobilienmarkt stützen. Aufgrund des starken Preisanstiegs seit der Pandemie wären die Preise selbst bei einer Korrektur von 15% immer noch höher als vor zwei Jahren. Die meisten Hausbesitzer verfügen also über einen gewissen Puffer, bevor sie in die Negative-Equity-Falle (niedrigere Eigenheimwerte als Hypothekenschuld) rutschen. 

    Das Pro-Kopf-Wohnungsangebot ist 2008 zurückgegangen und hat nie wieder das vor der globalen Finanzkrise verzeichnete Niveau erreicht

    Baubeginne als Prozentsatz der US-Bevölkerung

    Chart 8 (1200x627px).svg

     

    Fazit

    Wir gehen davon aus, dass die abrupte Verschärfung des Finanzumfelds aufgrund der galoppierenden Inflation unweigerlich zu einer Rezession führen wird. Allerdings scheint die Weltwirtschaft derzeit von weniger Ungleichgewichten geplagt zu sein als vor der globalen Finanzkrise. Robuste Arbeitsmärkte, stabilere Unternehmens- und Bankbilanzen und eine gewisse strukturelle Unterstützung für den Immobilienmarkt dürften zur Minderung des Konjunkturschocks beitragen. Allerdings geben die anhaltenden Spannungen zwischen den USA und China sowie das Risiko einer weiteren militärischen Eskalation im Krieg zwischen Russland und der Ukraine weiterhin Anlass zur Sorge.

    Wichtige Hinweise.

    Die vorliegende Marketingmitteilung wurde von der Bank Lombard Odier & Co AG (nachstehend “Lombard Odier”) herausgegeben. Sie ist weder für die Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung in Rechtsordnungen bestimmt, in denen eine solche Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung rechtswidrig ist, noch richtet sie sich an Personen oder Rechtsstrukturen, an die eine entsprechende

    Entdecken Sie mehr.

    Sprechen wir.
    teilen.
    Newsletter.