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    Inflation nach der Wiedereröffnung: ein anhaltendes Risiko?

    Inflation nach der Wiedereröffnung: ein anhaltendes Risiko?
    Samy Chaar - Chefökonom und CIO Schweiz

    Samy Chaar

    Chefökonom und CIO Schweiz

    Wie schnell sich doch die Lage in der Wirtschaft und an den Märkten verändert hat. Anfang dieses Jahres herrschte Unsicherheit hinsichtlich der Auswirkungen von Covid. Man fürchtete vor allem Jobverluste und Firmenkonkurse. Heute gilt die Erholung als gesichert. Denn zumindest in der westlichen Welt sind wirksame Impfstoffe verfügbar (sogar gegen die bekannten Varianten), die privaten Haushalte halten Überschussersparnisse und sowohl die Geld- als auch die Fiskalpolitik sorgen nach wie vor für erhebliche Unterstützung.

    Heute gilt die Erholung als gesichert. Denn zumindest in der westlichen Welt sind wirksame Impfstoffe verfügbar, die privaten Haushalte halten Überschussersparnisse und sowohl die Geld- als auch die Fiskalpolitik sorgen nach wie vor für erhebliche Unterstützung

    Tatsächlich hat die Stärke der Erholung eine intensive Diskussion über das Risiko einer „Überhitzung“ in Gang gebracht. Sowohl die erwartete als auch die tatsächliche Inflation ziehen kräftig an. Das wirft die wichtige Frage auf: Ist der Preisdruck nur vorübergehend, oder werden die Zentralbanken reagieren müssen?

    Wir sorgen uns nicht übermässig vor einer anhaltenden Inflation – und zwar aus drei Gründen. Erstens war nach einem so starken und plötzlichen pandemiebedingten Abwärtstrend eine Preisnormalisierug vorprogrammiert.Zweitens ist der Inflationsanstieg weder breit abgestützt noch global. In China oder Israel ist die Inflation trotz einer weiter fortgeschrittenen Konjunkturerholung nach wie vor moderat, und in Japan, Europa und der Schweiz liegt sie noch immer unter ihrem Zielwert. In den USA kommt die Inflation grösstenteils aus Komponenten wie Flug-, Hotel- und Gebrauchtwagenpreisen – Sektoren, die sehr sensitiv auf die Wiedereröffnung der Wirtschaft reagieren oder unter Angebotsengpässen leiden. Aufgrund ihres Wesens dürften derartige Preisanstiege kaum von Dauer sein. Wenn sich die Nachfragemuster normalisieren und die Angebotsengpässe beseitigt werden, dürften sich die Preise stabilisieren – und sich einige der jüngsten Preissprünge umkehren.

    Zweitens ist der Inflationsanstieg weder breit abgestützt noch global

    Was die Engpässe betrifft, tut sich das Angebot in der westlichen Welt jetzt, wo die Erholung von den USA auf die Eurozone übergreift, natürlich schwer, der Nachfrage gerecht zu werden. Das liegt zum Teil daran, dass die Unternehmen während des Covid-Schocks ausgiebig auf Lagerbestände zurückgegriffen haben. Der notwendige Wiederaufbau der Lager wird Zeit brauchen und in den kommenden Quartalen zu einer erhöhten Aktivität führen. Doch diese inländischen Knappheiten dürften im weiteren Jahresverlauf abnehmen. Ausserdem sind in anderen Teilen der Welt, vor allem in Asien, Kapazitäten verfügbar, mit denen sich die Lücke schliessen lässt. Die chinesischen Behörden haben die Einkommen der privaten Haushalte nur geringfügig gestützt. Deshalb ist der inländische Konsum anhaltend schwach, was freie Kapazitäten für die Befriedigung der Auslandsnachfrage schafft. Tatsächlich braucht China Auslandsnachfrage, um seine bewusst zurückhaltende Wirtschaftspolitik auszugleichen. Auch die chinesischen Fertigungsunternehmen sind mit Restriktionen sowie Kostendruck konfrontiert (insbesondere bei Rohstoffen wie Kupfer, Stahl, Kobalt und Lithium). Umfragen zu Lieferzeiten zufolge sind diese Restriktionen und Kostenanstiege aber viel weniger akut als im Westen.

    Schliesslich dürfte sich der Arbeitsmarkt trotz der positiven Wiedereröffnungseffekte nicht in einem Zug erholen. Das spricht für die Haltung des Federal Reserve (Fed), geduldig zu bleiben und an der akkommodierenden Geldpolitik festzuhalten, bis substanzielle Fortschritte in der Realwirtschaft sichtbar werden. Das Arbeitskräfteüberangebot in den USA nimmt zwar unter Umständen rapide ab, ist aber immer noch erheblich. Die Differenz zwischen den Arbeitslosenquoten schwarzer und weisser Menschen belegt ebenfalls, dass die Wirtschaft noch nicht da ist, wo das Fed sie gern hätte. Bis dieses Arbeitskräfteüberangebot abgebaut ist, wird das organische Lohnwachstum (d.h. ohne die Einmaleffekte der staatlichen Unterstützungsschecks) verhalten bleiben. Und ohne erhebliches und nachhaltiges Einkommenswachstum ist eine anhaltende Inflation schwer vorstellbar.

    …ohne erhebliches und nachhaltiges Einkommenswachstum ist eine anhaltende Inflation schwer vorstellbar

    Angesichts der Neuausrichtung des Fed auf ein Ziel für die Durchschnittsinflation, wonach Inflation eine Zeit lang toleriert wird, bevor die Zügel angezogen werden, erwarten wir die folgende Abfolge geldpolitischer Schritte: Zwischen August 2021 (Jackson Hole Economic Symposium) und dem Jahresende dürfte eine Reduzierung der Anleihenkäufe angekündigt und im Laufe des Jahres 2022 in Schritten von monatlich USD 10 Mrd. vollzogen werden (es geht darum, ein Kaufprogramm von monatlich USD 120 Mrd. zurückzufahren, was zwangsläufig Zeit erfordert), bevor ab Mitte 2023 der Leitzins angehoben wird. Die aktuelle Markterwartung einer Zinserhöhung bereits im Jahr 2022 ist unseres Erachtens ausserordentlich konservativ.

    Obwohl wir dies für ein sehr wahrscheinliches Basisszenario halten, muss man immer auch bedenken, wie sich die Lage anders entwickeln könnte – hin zu einer nachhaltig hohen Inflation. Basispreiseffekte und Lieferstörungen sind zwar per Definition vorübergehend. Doch eine allgemeine Arbeitskräfteknappheit im Zuge eines raschen Abbaus des Arbeitskräfteüberangebots könnte in Verbindung mit einer durch kräftige geld- und fiskalpolitische Impulse unterstützten Übernachfrage eine ganz andere Wirkung haben. Wenn die Unternehmen, ermutigt durch das kräftige Wirtschaftswachstum, ihre höheren Lohnkosten auf die Verbraucher überwälzen, könnte eine Lohn-Preis-Spirale in Gang kommen. Das wiederum könnte zu steigenden Inflationserwartungen in der gesamten Wirtschaft führen – möglicherweise angeheizt durch die Politik des Fed, die Inflation eine Zeit lang „überschiessen“ zu lassen. Und auch wenn die Zentralbanken in der Vergangenheit die Inflation mit einer strafferen Geldpolitik unter Kontrolle gebracht haben, geht das nicht immer ohne Schmerzen – die noch heftiger ausfallen dürften, wenn die Inflationserwartungen aus dem Ruder laufen.

    Vorerst bestätigt der anhaltende Fortschritt bei den Impfungen und bei der Wiedereröffnung der Volkswirtschaften jedoch unseren Ausblick für 2021–2022, wonach die meisten grossen Volkswirtschaften kräftig wachsen werden, bei sich normalisierender, aber nicht dauerhaft höherer Inflation. Die beharrliche geld- und fiskalpolitische Unterstützung stellt die Erholung sicher und dürfte einen grösseren Rückschlag verhindern – sofern, natürlich, kein unerwarteter externer Schock eintritt. 

    Wichtige Hinweise.

    Die vorliegende Marketingmitteilung wurde von der Bank Lombard Odier & Co AG (nachstehend “Lombard Odier”) herausgegeben. Sie ist weder für die Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung in Rechtsordnungen bestimmt, in denen eine solche Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung rechtswidrig ist, noch richtet sie sich an Personen oder Rechtsstrukturen, an die eine entsprechende

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