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    Türkei wirft Schlaglicht auf Divergenz der Schwellenländer

    Türkei wirft Schlaglicht auf Divergenz der Schwellenländer
    Stéphane Monier - Chief Investment Officer<br/> Lombard Odier Private Bank

    Stéphane Monier

    Chief Investment Officer
    Lombard Odier Private Bank

    Vor fünf Jahren kündigte die Fed den schrittweisen Abbau ihrer Anleihenkäufe an und löste damit eine Schockwelle an den globalen Finanzmärkten aus: das sogenannte Taper Tantrum, das die Anleger verunsicherte, und für die Schwellenländer den Beginn eines steinigen Weges bedeutete. Der progressive Abbau der quantitativen Lockerung durch die US-Notenbank und die Wiederaufnahme der Zinserhöhungen belasteten alle Anlageklassen der aufstrebenden Volkswirtschaften. Als die Fed zwischen Januar 2013 und Ende 2015 ihre Leitzinsen zum ersten Mal nach der Finanzkrise schrittweise heraufsetzte, büßte der Aktienindex MSCI Emerging Markets fast ein Drittel seines Wertes ein. Heute, im Jahr 2018, ist die Situation ähnlich: Die US-Notenbank strafft ihre Geldpolitik, der US-Dollar ist stark, die Zinsen in den USA steigen, und die Schwellenländer geraten wieder unter Druck.


    Türkische Lira leidet

    In Verbindung mit den anhaltenden globalen Handelsspannungen wirkt dieses Umfeld wie ein Verstärker für Erschütterungen. In einer solchen Lage zeigt sich, wie sehr es in dieser Anlageklasse auf die richtige Auswahl ankommt. Schwellenländer sind in dieser Phase der Straffung der amerikanischen Geldpolitik verwundbar. Hinzu kommt, dass die Anleger derzeit dazu neigen, die Stärksten zu belohnen und die Schwächsten zu bestrafen, wie an der Türkei-Krise in diesem Sommer deutlich zu erkennen war.  

    Wir warnen seit einiger Zeit vor den schwierigen Bedingungen in der Türkei. Der jüngste Auslöser für Verluste bei Anlagen in der Türkei war der diplomatische Streit mit den USA. Die eigentliche Ursache liegt jedoch in den großen makroökonomischen Ungleichgewichten, auf die wir seit Herbst 2017 hinweisen: eine schwache Außenhandelsbilanz und die unorthodoxe Reaktion der türkischen Zentralbank auf die steigende Inflation unter dem Einfluss des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, der sich gegen Zinserhöhungen gewehrt hatte.

    Die Auswirkungen waren dramatisch. Die Lira (TRY) verlor gegenüber dem USD mehr als 40%, bevor sie sich erholte. Gleichzeitig stiegen die CDS-Spreads, an denen sich das Vertrauen der Anleger in die Bonität von Staatsanleihen ablesen lässt, auf den höchsten Stand seit November 2008. Investoren befürchten zu Recht ein mögliches Übergreifen dieser Probleme auf andere Schwellenländer, da die Straffung der amerikanischen Geldpolitik eine Art Stresstest für die Ungleichgewichte in diesen aufstrebenden Volkswirtschaften darstellt. Wir rechnen damit, dass die Fed die Leitzinsen in diesem Jahr zweimal und im Jahr 2019 mindestens dreimal erhöht, so dass dieser Druck noch eine Weile zunehmen wird.

    Dabei sollte man nicht vergessen, dass einige wichtige Schwellenländer über bessere Fundamentaldaten verfügen, als es die jüngsten Entwicklungen an den Aktienmärkten vermuten lassen bzw. als die Anleger vermuten. Sobald die Handelsspannungen nachlassen und der USD sich stabilisiert oder sogar leicht fällt, rechnen wir mit einer soliden Erholung in den wirtschaftlich robustesten Ländern. Bis dahin stehen die Märkte jedoch unter Druck. Im bisherigen Jahresverlauf fiel der MSCI EM-Aktienindex um rund 10%, während der MSCI World-Index der Industrieländer um knapp 1,5% anstieg. Der MSCI EM-Währungsindex verlor seit dem 1. Januar ca. 5%. Der JPM Emerging Markets Bond Index (EMBI) Global gab seit Jahresbeginn um 3,28% nach.

    Fundamentaldaten

    Bei einer genauen Analyse zeigt sich, dass Russland, China, Thailand, Indien, Malaysia und Korea, wenn man makroökonomische Fundamentaldaten wie Inflation, Auslandsverschuldung und Industrieproduktion zugrunde legt, am besten abschneiden. Bei unserer Bewertung berücksichtigen wir auch qualitative Faktoren wie die Unabhängigkeit von Bodenschätzen, die demografische Entwicklung und politische Stabilität.

    Und welche Länder stehen ganz unten auf unserer Liste? Das Schlusslicht bildet, wie zu erwarten, Venezuela. Die Türkei befindet sich bereits seit geraumer Zeit in der Gefahrenzone. Wenn man Fundamentaldaten zugrunde legt, wirken Argentinien und Südafrika gefährdet und könnten daher von den Anlegern gemieden werden, die durch die Ereignisse in Istanbul verunsichert wurden. Der argentinische Peso (ARS) und der südafrikanische Rand (ZAR) mussten gegenüber dem USD im bisherigen Jahresverlauf Wertverluste von knapp 40% bzw. rund 16% hinnehmen.

    In Lateinamerika sollte man Kolumbien im Auge behalten, vor allem aufgrund einer möglichen Belastung sozialer Einrichtungen durch den Zustrom venezolanischer Flüchtlinge. Obwohl Mexiko über relativ solide Fundamentaldaten verfügt, könnte die Unsicherheit in Bezug auf das nordamerikanische Freihandelsabkommen NAFTA weiterhin für Volatilität sorgen. Brasilien wird vor dem Hintergrund der bevorstehenden Präsidentschaftswahlen im Oktober und deren Auswirkungen auf die Entwicklung der öffentlichen Finanzen des Landes von den Anlegern genau beobachtet werden.

    Auch wenn die meisten asiatischen Länder auf unserem Radar starke Fundamentaldaten aufweisen, müssen wir damit rechnen, dass ein möglicher Handelskrieg zwischen China und den USA dort indirekte Auswirkungen hat. Wenn der Renminbi (RMB) in diesem Umfeld zu stark nachgibt, könnte dies einigen der Nachbarn der Volksrepublik Schwierigkeiten bereiten. Auf den Philippinen sind erste Anzeichen für eine Konjunkturüberhitzung zu erkennen. Indonesien ist für den Kauf seiner Staatsanleihen von ausländischen Investoren abhängig, was dazu führen könnte, dass die indonesische Zentralbank ihre Geldpolitik strafft, um ihre Währung zu stützen.


    Auswahl ist entscheidend

    Trotz der Volatilität, des Drucks durch einen stärkeren USD und steigender Zinsen bieten Schwellenländer nach wie vor Chancen für Anleger, die sich für Fundamentaldaten interessieren und bereit sind, Schwankungen der Marktstimmung in Kauf zu nehmen. Jetzt, wo alle Schwellenländer unter Verkaufsdruck stehen, bieten sich interessante Anlagechancen für diejenigen, die Zeit und Mühe investieren, um die Fundamentaldaten einzelner Länder, Branchen und Unternehmen zu verstehen und über eine kurzfristige Volatilität hinwegzusehen.

    Die Schwellenländer haben größtenteils die Lehren aus früheren Krisen gezogen und ihre Abhängigkeit von ausländischen Portfoliozuflüssen ist deutlich geringer als früher - trotz der Entwicklung in der Türkei, Südafrika und Argentinien. Im Gegensatz zu den Unternehmen aus den reifen Märkten, die den entgegengesetzten Weg eingeschlagen haben, konzentrieren sich die Kreditnehmer aus den Schwellenländern seit einigen Jahren auf den Abbau ihrer Verschuldung. Daher sind die Bilanzen relativ stark und die Unternehmen gut gerüstet, um die Herausforderungen am Ende des Zyklus zu bewältigen. Die Kapitalmärkte bleiben offen für Unternehmen und Länder mit soliden Finanzen, während die Aktienkurse von Rentabilität und Wachstum abhängen. Anleger sollten daher das Risiko-Ertrags-Verhältnis für jedes Land und jede Anlageklasse sorgfältig bewerten. Unsere im Anhang (Seite 3) dargestellte Analyse zeigt, dass zu diesem Zeitpunkt des Marktzyklus Aktien weiterhin die interessanteste Anlageklasse sind, gefolgt von Schwellenländeranleihen in Lokalwährung und Schwellenländeranleihen in Hartwährung.

    Schwellenländer bieten eine langfristige Rentabilität und ein strukturell höheres Wachstum als andere Teile der Welt. Gleichzeitig bleiben sie anfällig für vorübergehende Marktverstimmungen, geopolitische Ereignisse (Handelsspannungen) und steigende Kapitalkosten. Daher ist die Auswahl der richtigen Länder und Anlageklassen für den Erfolg entscheidend. Die schwierigen Monate in der Türkei sind eine nützliche Erinnerung daran, dass diese Anlageklasse mit spezifischen Risiken behaftet ist. Vor dem Hintergrund steigender Realzinsen in den USA werden die schwächsten Schwellenländer in den kommenden Wochen und Monaten zweifellos mit Schwierigkeiten zu kämpfen haben, so dass wir im Rahmen der Risikoreduzierung des Gesamtportfolios, unsere Positionen in bestimmten Schwellenländerwerten vermutlich weiter abbauen werden.  

    Wichtige Hinweise.

    Die vorliegende Marketingmitteilung wurde von der Bank Lombard Odier & Co AG oder einer Geschäftseinheit der Gruppe (nachstehend “Lombard Odier”) herausgegeben. Sie ist weder für die Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung in Rechtsordnungen bestimmt, in denen eine solche Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung rechtswidrig wäre, noch richtet sie sich an Personen oder Rechtsstrukturen, an die eine entsprechende Abgabe rechtswidrig wäre.

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