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    Die Schliessung der Produktionslücken führt zu einem Zielkonflikt zwischen Wachstum und Inflation

    Die Schliessung der Produktionslücken führt zu einem Zielkonflikt zwischen Wachstum und Inflation
    Samy Chaar - Chefökonom und CIO Schweiz

    Samy Chaar

    Chefökonom und CIO Schweiz

    Der Aufschwung der Wirtschaft und an den Märkten wird irgendwann zu Ende gehen. Die Wahrscheinlichkeit ist gross, dass dieses Ende vor dem Hintergrund finanzieller und fiskalischer Ungleichgewichte durch eine Konjunkturüberhitzung in den USA herbeigeführt wird und weniger durch eine Eskalation des Handelsprotektionismus.

    Wir halten an unserem Szenario eines weiterhin passablen Wachstums in sämtlichen grossen Wirtschaftsblöcken fest. Es gibt keine Anzeichen einer Rezession oder einer deutlichen Abschwächung in den USA, China oder der Eurozone. Zwar sind alle Regionen derzeit im Expansionsbereich, sie befinden sich jedoch in unterschiedlichen Phasen des Konjunkturzyklus. In den USA werden erste Anzeichen einer Überhitzung sichtbar, Europa bleibt in einem komfortablen „Goldilocks“-Umfeld, und in den meisten Schwellenländern ist die Wirtschaftsaktivität nach wie vor stark.

    Um zu messen, wie weit ein Konjunkturzyklus fortgeschritten ist, ziehen Ökonomen häufig die „Produktionslücke“ heran. Diese wird als die Differenz zwischen dem realen BIP (Bruttoinlandsprodukt) und dem potenziellen (oder optimalen) BIP berechnet, den eine Wirtschaft erzielen könnte, wenn sie ihre Ressourcen voll ausschöpft. Das potenzielle BIP ist auf den ersten Blick das bestmögliche BIP. Es ist jedoch technisch möglich, dass das Wirtschaftswachstum das Potenzial übertrifft (d.h. es besteht eine positive Produktionslücke). In diesem Fall müssen die Ressourcen aufgestockt werden. Das löst eine Inflation aus, da höhere Löhne/Preise als Anreiz für eine Aufstockung erforderlich sind. Einfach ausgedrückt: Es entsteht ein Zielkonflikt zwischen Wachstum und Inflation, wenn sich die Wirtschaft ihrer vollen Auslastung nähert.

    Grafik I (Seite 4) zeigt die Produktionslücken mehrerer Industrieländer. Die Berechnungsmethoden weichen erheblich voneinander ab, denn Schätzungen, die auf dem potenziellen BIP basieren, können ungenau sein oder sich verändern. Die meisten Zahlen deuten jedoch darauf hin, dass sich die Produktionslücken in den Industrieländern allmählich schliessen (in den USA und Japan ist das bereits der Fall). Die Geschichte lehrt, dass deshalb die Inflation nach oben tendieren wird.

    Das Arbeitskräftepotenzial in den USA ist fast ausgeschöpft, was einen Lohnanstieg auslöst, und auch die Inflation zieht infolge der knapperen Ressourcen an. Es bräuchte jedoch eine weitere Straffung der Geldpolitik, um eine bevorstehende Abschwächung oder Rezession anzuzeigen. In der Eurozone liegt eine Überhitzung noch in weiter Ferne. Die erheblichen Arbeitsmarktreserven signalisieren, dass der Zyklus immer noch intakt ist. In den Schwellenländern, insbesondere in China, hat sich die Erholung vom Rohstoffschock der Jahre 2014 und 2015 fest etabliert. Der positive Kreislauf aus sich stabilisierenden Währungen und tieferer Inflation hat Spielraum für eine Lockerung der Geldpolitik eröffnet. Dieser zyklische Rückenwind scheint jetzt etwas nachzulassen. Von einem Gegenwind sind wir aber noch weit entfernt.

    Könnte das Potenzialwachstum verbessert werden und entsprechend der Produktionslücke (insbesondere in den USA) etwas Spielraum verschafft werden? Aufgrund der relativ starren demografischen Entwicklung wäre die Steigerung der Produktivität der beste Weg, die Kapazität in der Wirtschaft auszuweiten. Die anhaltende Expansion ist gekennzeichnet durch eine schwache Produktivität, die unseres Erachtens auf mehrere Faktoren zurückzuführen ist, unter anderem Messfehler, niedrige Investitionsausgaben und anhaltende Arbeitsmarktreserven. Die Stagnation der Produktivität hat den realen Lebensstandard der Privathaushalte verschlechtert. Es gibt jedoch Anzeichen, dass die Produktivitätsbeschränkungen nachlassen. Nach einem auf die Grosse Finanzkrise folgenden Jahrzehnt, das durch Sparsamkeit gekennzeichnet war, investieren die Unternehmen endlich wieder. Und natürlich sind die Arbeitsmarktreserven weitgehend abgebaut, was die USA betrifft (siehe Grafik II, Seite 4).

    Eine Erholung der Produktivität in den kommenden Jahren könnte die Wirtschaftskapazität deutlich steigern und damit das Zyklusende hinauszögern. Doch das ist ein Szenario, von dem wir immer noch nicht voll überzeugt sind (d.h. wir haben diese Annahme in unseren Berechnungen des potenziellen BIP-Wachstums nicht berücksichtigt).

    Die Kernfrage für die Zentralbanken und Anleger ist einstweilen: Wie hoch können die Zinsen in den USA steigen, bevor sie der Wirtschaft schaden – bevor die zugrundeliegenden Schwächen (d.h. die exzessive Verschuldung) des wirtschaftlichen und finanziellen Umfelds zutage treten.

    Der typische Verlauf der Ereignisse in einer Wirtschaft mit Kapazitätsengpässen sieht so aus: Die Währungshüter heben die Zinsen an, um die Inflation unter Kontrolle zu halten. Das führt in der Regel zu einer invertierten Renditekurve, die es für die Banken unprofitabel oder riskant macht, Kredite zu vergeben.

    Ein anderer Weg (neben der Analyse des Verlaufs der Renditekurve oder des Niveaus der realen Zinsen) zu ermitteln, ob die Geldpolitik zu restriktiv ist, besteht darin, das nominale BIP-Wachstum mit der bestehenden Fed Funds Rate oder sogar mit den langfristigen Marktzinsen zu vergleichen (siehe Grafik III, Seite 4). Fällt das nominale Wachstum unter das Zinsniveau, wird die Fähigkeit beeinträchtigt die Schulden zu bedienen. Das war der Fall vor den Rezessionen von 1990 und 2000 und der Depression von 2007. Heute ist die Lage jedoch eine andere: Das nominale Wachstum in den USA stützt bei den aktuellen Zinsen vollumfänglich die Fähigkeit Schulden zu bedienen. Gleiches gilt für China und überhaupt weite Teile der Welt.

    Hinweis: Sofern nicht anders angegeben, basieren alle in dieser Publikation aufgeführten Daten auf folgenden Quellen: Datastream, Bloomberg, Berechnung von Lombard Odier.

    Wichtige Hinweise.

    Die vorliegende Marketingmitteilung wurde von Lombard Odier (Europe) S.A., einem in Luxemburg durch die Commission de Surveillance du Secteur Financier (CSSF) zugelassenen und von dieser regulierten Kreditinstitut, herausgegeben. Diese Mitteilung wurde von jeder ihrer Zweigniederlassungen, die in den am Ende dieser Seite angegebenen Gebieten tätig sind (nachstehend "Lombard Odier"), zur Veröffentlichung genehmigt.

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