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    Bietet die Inflation der Schweiz die Chance, die Negativzinsen hinter sich zu lassen?

    Bietet die Inflation der Schweiz die Chance, die Negativzinsen hinter sich zu lassen?
    Stéphane Monier - Chief Investment Officer<br/> Lombard Odier Private Bank

    Stéphane Monier

    Chief Investment Officer
    Lombard Odier Private Bank

    Kernpunkte

    • Laut unseren Prognosen wird das Wirtschaftswachstum der Schweiz im Jahr 2022 bei 2,2% und im Jahr 2023 bei 1,2% liegen
    • Die Schweizerische Nationalbank dürfte die Währungsinterventionen zurücknehmen, mit denen der Frankenstärke entgegengewirkt wird. Wir erwarten bis Ende 2022 eine Abschwächung des Euro/Franken-Kurses unter Parität
    • Infolge der globalen Inflation und einer strafferen Geldpolitik der Europäischen Zentralbank dürften die Schweizer Zinsen 2023 leicht ins Plus drehen. Wir erwarten, dass die Renditen zehnjähriger Schweizer Staatsanleihen in einem Jahr bei 1% notieren
    • Börsennotierte Schweizer Unternehmen weisen auf künftige Liefer- und Logistikprobleme hin
    • Das Schweizer Immobilienangebot könnte sich aufgrund von höheren Bau- und Finanzierungskosten weiter verknappen.

    Der Inflationsdruck könnte für die Schweiz eine Chance bedeuten. Im April sind die Schweizer Verbraucherpreise auf annualisiert 2,5% und damit auf den höchsten Stand seit 2008 gestiegen. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) könnte somit eine siebenjährige Phase mit negativen Leitzinsen hinter sich lassen, die zu den niedrigsten der Welt zählen.

    Die weltweite Inflation zwingt die Zentralbanken zu einer strafferen Geldpolitik. Angetrieben wird die Inflation durch Engpässe in den Lieferketten, Chinas Covid-Strategie und die Unterbrechungen der Energie- und Rohstoffversorgung infolge des Ukraine-Kriegs. Die Preise in den USA sind im März und April um mehr als 8% gestiegen. Die US-Notenbank hat begonnen, auf diese Entwicklung mit den schnellsten Zinserhöhungen seit mindestens zwei Jahrzehnten zu reagieren. Es wird erwartet, dass die Europäische Zentralbank (EZB) bereits im Juli 2022 an der Zinsschraube drehen wird, um im September erstmals wieder ein positives Zinsniveau zu erreichen.

    Höhere Zinsen in der umliegenden Eurozone werden die Differenz zum Leitzins in der Schweiz vergrössern. Dadurch verringert sich die Notwendigkeit, die Schweizer Zinsen niedrig zu halten, um den Besitz von Franken für Anleger weniger attraktiv zu machen. Seit der globalen Finanzkrise vor 14 Jahren, als die Anleger den Franken als sicheren Hafen nutzten, interveniert die SNB an den Devisenmärkten, um eine Aufwertung des Frankens zu verhindern. Im Jahr 2011 legte die Nationalbank einen Mindestkurs von 1.20 gegenüber dem Euro fest, den sie im Januar 2015 aufgab. Seither legte der Franken gegenüber der europäischen Gemeinschaftswährung zu, und der Krieg in der Ukraine liess die Schweizer Währung in den ersten Monaten des Jahres 2022 zusätzlich erstarken. Historisch betrachtet ist die Entwicklung des Schweizer Frankens eng an die Renditedifferenz zum Euroraum gekoppelt. Nun gehen wir aber aus verschiedenen Gründen davon aus, dass der Euro/Franken-Kurs im Schlussquartal 2022 unter Parität sinken wird. Da die SNB bereits über eine umfangreiche Bilanz verfügt, die Schweizer Exporte nach wie vor solide sind und die Inflation – für Schweizer Standards – ausgeprägt ist, dürfte die Nationalbank ihre Interventionen an den Devisenmärkten zurücknehmen.

    Nun gehen wir davon aus, dass der Euro/Franken-Kurs im Schlussquartal 2022 unter Parität sinken wird

    Aufgrund der Nachfrage nach der US-Währung und steigender Renditen von US-Staatsanleihen verlor der Schweizer Franken im April und in der ersten Maihälfte gegenüber dem Dollar an Boden. Wir gehen nicht davon aus, dass dieser Trend von Dauer ist. Die Schweizer Handelsbilanz beläuft sich auf 12% des Bruttoinlandsprodukts – den höchsten Wert seit Beginn der Erhebung dieser Messgrösse im Jahr 1950.

    Solange die EZB die Zinsen nicht anhebt, kann die SNB keine höheren Kreditkosten in der Schweiz befürworten, da dies den Druck auf die Schweizer Währung erhöhen würde. Die Geldpolitik der SNB bleibt daher vorerst auf Negativzinsen und eine Begrenzung der Frankenstärke angewiesen, wie SNB-Präsident Thomas Jordan letzte Woche ausgeführt hat. Die SNB sei „keine Geisel“ der Geldpolitik anderer Zentralbanken, sagte er. Man habe eine „autonome Politik mit Fokus auf die Preisstabilität“.

    Die SNB verzeichnete in der Vergangenheit aufgrund von Marktschwankungen unrealisierte Gewinne und Verluste aus ihren Währungspositionen. Im Jahr 2021 etwa erzielte sie einen Bilanzgewinn von CHF 108 Mrd. und schüttete CHF 6 Mrd. an Bund und Kantone aus. Die Eindämmung des Frankenanstiegs hat allerdings ihren Preis. Die Nationalbank wies in den ersten drei Monaten des Jahres 2022 einen unrealisierten Verlust von CHF 33 Mrd. aus. Die Wiederholung eines so hohen Verlusts wird möglicherweise nicht nachhaltig sein.

    Sobald die SNB damit beginnt, die Zinsen anzuheben, wird sie dies unserer Meinung nach schrittweise tun

    Sobald die SNB damit beginnt, die Zinsen anzuheben, wird sie dies unserer Meinung nach schrittweise tun. Erst im Jahr 2023 dürfte der Leitzins erstmals seit 2015 wieder im positiven Bereich liegen. Konkret erwarten wir, dass die SNB die Kreditkosten von derzeit -0,75% über zwölf Monate um 1% auf 0,25% im Jahr 2023 anheben wird. Sie könnte bereits im September 2022 mit den Zinserhöhungen beginnen.

    Steigende Preise und festverzinsliche Anlagen

    Wir gehen davon aus, dass das Wirtschaftswachstum der Schweiz nach widerstandsfähigen Wachstumsraten während der Pandemie im Jahr 2022 bei 2,2% und im Jahr 2023 bei 1,2% liegen wird. Der Schweizer Wirtschaft ist es in den letzten Jahrzehnten gelungen, globalen Abschwüngen zu trotzen, unter anderem dank der soliden Schaffung von Arbeitsplätzen und der resultierenden Nettozuwanderung.

    Die SNB prognostiziert für 2022 in der Schweiz eine Inflation von 2,1%. Warum ist der Anstieg der Lebenshaltungskosten in der Schweiz so viel geringer als in den Nachbarländern? Die Stärke des Schweizer Frankens wirkt teilweise als Schutzmechanismus für die Wirtschaft des Landes, da die Importe dadurch günstiger bleiben. Zudem ist die Schweiz weniger abhängig von Energieimporten als ihre Nachbarn, weil mehr als die Hälfte ihrer gesamten Stromerzeugungskapazität auf Wasserkraft beruht. Lediglich 15% des Gesamtenergieverbrauchs entfallen auf Erdgas, wovon etwa die Hälfte aus Russland kommt. Die Schweiz ist somit weniger anfällig für die geopolitischen Verwerfungen im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine.

    Die Schweiz ist weniger abhängig von Energieimporten als ihre Nachbarn

    Energie ist in der Schweiz ausserdem ein kleinerer Teil des Warenkorbs, der zur Berechnung des Preisanstiegs herangezogen wird, als in der Eurozone und den USA. Aufgrund einer niedrigeren Berechnungsgrundlage und niedriger Erwartungen bezüglich der Verbraucherpreisinflation ist auch das Lohnwachstum begrenzter.

    Wenn die Zinsen steigen, werden die Renditen der Schweizer Staatsanleihen folgen. Wir gehen davon aus, dass zehnjährige Staatsanleihen in einem Jahr eine Rendite von 1% bieten werden, verglichen mit derzeit 0,65%. Zudem dürfte sich die Differenz bzw. der Spread zwischen der zweijährigen und der zehnjährigen Bundesanleihe von derzeit 80 Basispunkten (Bp.) auf rund 40 Bp. bzw. 0,4% verringern.

     

    Steigende Unternehmenskosten

    Der Swiss Market Index (SMI), der die 20 Unternehmen mit den liquidesten Aktien des Landes umfasst, hat seit Anfang 2022 um 12% nachgegeben. Seine Wertentwicklung entsprach somit weitgehend derjenigen des Stoxx Europe 600 (-11%) und lag über jener des S&P 500 (-18%). Der Schweizer Mid- und Small-Cap-Index (SPI Extra) ist im Jahr 2022 um 19% gefallen, angeführt von zyklischen Sektoren wie Industrie sowie Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen.

    In ihren Ergebnisberichten für das erste Quartal zeigten sich die Schweizer Unternehmen besorgt über eine Verschärfung der Lieferketten- und Logistikprobleme. Der Druck auf die Gewinnspannen wird zunehmen, da die Unternehmen ihre höheren Kosten zwar an die Kunden weitergeben, die Preisanstiege jedoch zwangsläufig den Kosten hinterherhinken. Der Effekt auf die Nachfrage ist unklar, die Rohstoffversorgung und die Logistik könnten jedoch am meisten betroffen sein. Im Gesundheitswesen und bei Basiskonsumgütern dürften die Auswirkungen weniger stark zu spüren sein, da diese Unternehmen ihre Kosten besser weitergeben können, ohne die Nachfrage wesentlich zu schmälern. Wir gehen davon aus, dass die Unternehmen angesichts dieser Faktoren beginnen werden, ihre Prognosen zu revidieren.

    Wir erwarten für den MSCI Switzerland Index ein Wachstum des Gewinns pro Aktie (EPS) von jeweils 7% für 2022 und 2023. Dieser Wert liegt unter den Konsensprognosen. Wir sehen ein gewisses Risiko, dass die Unternehmen die Umsatzerwartungen der Anleger enttäuschen werden. Grund hierfür ist, dass die Erholung der globalen Lieferketten unweigerlich Zeit brauchen wird.

     

    Immobilien

    Auf dem Immobilienmarkt könnte es zu einer weiteren Angebotsverknappung kommen, wenn die höheren Kosten für den Bau von Häusern mit dem erwarteten Anstieg der Finanzierungskosten zusammentreffen. Falls sich dies nicht in den Marktpreisen für die Immobilien widerspiegelt, könnte die Attraktivität von Immobilienanlagen leiden, denn die Renditen anderer Anlageklassen werden dann attraktiver. Unter diesen Umständen wird die Nachfrage nach Mietobjekten hoch bleiben.

    Auf dem Markt für Wohnimmobilien werden die hohen Immobilienpreise unseres Erachtens die Nachfrage belasten. Es besteht das Risiko, dass höhere Zinsen zu einer geringeren Eigentumsquote insbesondere bei Erstkäufern führen, da die Fremdkapitalkosten steigen. In den Regionen Genfersee, Zürich und Zug ist das Angebot an Wohnimmobilien am stärksten begrenzt. Demnach sollten die Preise dort auch bei sinkender Nachfrage stabil bleiben. In anderen Regionen wurde ein Überangebot verzeichnet. Dieses liess die Nachfrage steigen, da sich Käufer die niedrigeren Preise zunutze machten.

    Auf dem Gewerbemarkt erholen sich die Leerstandsquoten nach der Pandemie, während der Einzelhandelsmietmarkt ausser an Hauptgeschäftsstrassen und in einigen bedeutenden Einkaufszentren weiterhin schwach tendiert.

    Unserer Meinung nach würden Anleger in Schweizer Franken von einer stärkeren internationalen Diversifizierung ihrer Portfolios über die Anlageklassen hinweg profitieren. Obwohl der Markt für börsennotierte Schweizer Immobilienfonds nach der jüngsten Korrektur jetzt attraktiver scheint, halten wir an einer Untergewichtung fest. Wir sehen bessere Chancen bei hochwertigen europäischen Immobilien, die ein stärkeres Mietwachstum in den Bereichen Logistik und Wohnen bieten.

    Bei den Aktien halten wir es für sinnvoll, Engagements in defensiveren Schweizer Basiskonsumgütern und Titeln aus dem Gesundheitssektor durch Allokationen an den britischen und US-amerikanischen Aktienmärkten sowie in globalen Qualitätsaktien der Sektoren Energie sowie Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe zu ergänzen. Schliesslich sind wir der Meinung, dass Anleger ihre Allokation in Schweizer Unternehmensanleihen durch Positionen in US-Staatsanleihen und Staatsanleihen anderer Industrieländer diversifizieren sollten.

    Wichtige Hinweise.

    Die vorliegende Marketingmitteilung wurde von der Bank Lombard Odier & Co AG (nachstehend “Lombard Odier”) herausgegeben. Sie ist weder für die Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung in Rechtsordnungen bestimmt, in denen eine solche Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung rechtswidrig ist, noch richtet sie sich an Personen oder Rechtsstrukturen, an die eine entsprechende

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