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    Wie geht es nach einem Höchststand der britischen Zinsen weiter?

    Wie geht es nach einem Höchststand der britischen Zinsen weiter?
    Bill Papadakis - Macro Strategist

    Bill Papadakis

    Macro Strategist

    Kernpunkte

    • Der geldpolitische Zyklus der BoE dürfte angesichts der langsameren Inflation im Vereinigten Königreich den Höhepunkt erreicht haben. Wir erwarten eine erste Zinssenkung frühestens im Juni 2024.
    • Das Vereinigte Königreich dürfte dieses Jahr einer Rezession entgehen, aber ein weniger flexibler Arbeitsmarkt macht die Wirtschaft schockanfälliger.
    • Der am 22. November anstehende Haushaltsplan könnte Spielraum für neue öffentliche Ausgaben zur Ankurbelung des Wachstums bieten. Ein Sieg der Labour-Partei bei den nächsten Parlamentswahlen würde kaum grössere Änderungen der makroökonomischen Politik bedeuten. Er könnte aber höhere Steuern zur Finanzierung von Investitionen in den öffentlichen Dienst nach sich ziehen.
    • Der FTSE 100 ist auf defensive Aktien ausgerichtet. Wir bleiben gegenüber britischen Aktien neutral eingestellt. Das Pfund Sterling dürfte gegenüber dem Euro und dem US-Dollar 2023 weiter schwach tendieren.

    Das britische Wirtschaftswachstum ist schwach, aber der Inflationsausblick hat sich endlich zu bessern begonnen. Diese Kombination deutet darauf hin, dass die Zinsen den Höchststand erreicht haben. Wir erwarten, dass die Bank of England (BoE) an der nächsten Sitzung am 2. November die Zinsen zum zweiten Mal in Folge unverändert lassen wird.

    Am Ende eines ungewöhnlichen Zinserhöhungszyklus mit einem maximalen Leitzins von 5,25% ist die Geldpolitik immer noch sehr restriktiv. Es handelt sich um das höchste Zinsniveau seit der globalen Finanzkrise von 2008. Dennoch ist die Entwicklung günstiger, als sie noch vor ein paar Monaten zu erwarten war. Damals rechneten die Geldmärkte aufgrund einer Reihe hoher Inflationswerte mit einem Höchststand der Leitzinsen von 6,50% (siehe Grafik 1). Dies war sogar noch höher als der erwartete Wert während des starken Ausverkaufs an den Märkten, der auf das „Mini-Budget“ der kurzlebigen Regierung von Liz Truss im September 2022 folgte.

    Zwar war die Inflation im Vereinigten Königreich im September 2023 mit 6,7% höher als in den meisten anderen fortgeschrittenen Volkswirtschaften, doch vor einem Jahr hatte sie noch über 11% betragen. Sie dürfte im Oktober sogar noch weiter sinken. Gründe dafür sind der Basiseffekt sowie die Senkung der Obergrenze für die Energierechnungen der Haushalte.

    Unseres Erachtens könnte eine erste Zinssenkung der BoE nächsten Juni erfolgen, was weitgehend mit den Erwartungen der Geldmärkte übereinstimmt

    Zwar dürfte die britische Wirtschaft 2023 einer Rezession knapp entgehen, doch wir erwarten für das Gesamtjahr nur ein reales Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 0,2%. Die hohen Zinsen werden das Wachstum im Laufe der Zeit bremsen, auch wenn die Verzögerungen dieses Mal länger sein dürften – dies aufgrund der deutlichen Zunahme an Festzinshypotheken seit der Finanzkrise. Vor dem Hintergrund eines schwachen Wachstums und einer sinkenden Inflation in den kommenden Monaten erwarten wir, dass die BoE bis Mitte 2024 von einer Straffung zu einer Lockerung der Geldpolitik übergehen wird. Unseres Erachtens könnte die erste Zinssenkung nächsten Juni erfolgen, was weitgehend mit den Erwartungen der Geldmärkte übereinstimmt.

     

    Arbeitsmarkt unter Druck

    Infolge des nach dem Brexit eingeschränkten Zugangs zu europäischen Arbeitskräften ist die britische Wirtschaft weniger flexibel und schockanfälliger, was die Erholung nach Covid erschwert hat. Probleme auf dem Arbeitsmarkt sind sowohl Ursache als auch Folge der hohen Inflation, da die Arbeitnehmenden dafür kämpfen, durch Lohnerhöhungen etwas Kaufkraft zurückzugewinnen. Zudem haben Engpässe auf dem Arbeitsmarkt das Wachstum gebremst: Eine Rekordzahl von 2,6 Millionen Menschen ist nun wegen langfristiger Gesundheitsprobleme nicht im Arbeitsprozess. Dies könnte mit Covid-Komplikationen und langen Wartelisten für Behandlungen zusammenhängen.

    Die Befürchtungen, dass steigende Löhne zu einer Preisspirale führen könnten, haben jedoch nachgelassen. Die Arbeitslosenquote im Vereinigten Königreich ist von einem Tiefstand von 3,5% im Jahr 2022 auf derzeit 4,3% geklettert. Die Zahl der offenen Stellen ist in den letzten 15 Monaten stetig zurückgegangen. Die Überhitzung des Arbeitsmarkts vom letzten Jahr scheint hinter uns zu liegen. Eine anhaltende Anpassung ist wahrscheinlich, da sich die Nachfrage in der Wirtschaft weiter abkühlt. Das Lohnwachstum im Vereinigten Königreich war bisher zwar kräftig, doch deuten zukunftsgerichtete Indikatoren wie die REC-Umfrage auf eine klare Abschwächung in den kommenden Monaten hin.

    Steigende Steuereinnahmen könnten der Regierung Spielraum für zusätzliche fiskalische Anreize verschaffen

    Budget: zusätzliche Einnahmen erwartet

    Die Regierung von Premierminister Rishi Sunak dürfte am 22. November einen Haushaltsplan vorlegen. Steigende Steuereinnahmen könnten der Regierung angesichts eines schwachen Wachstums Spielraum für zusätzliche fiskalische Anreize im nächsten Jahr verschaffen. Den Prognosen zufolge sollen die Steuereinnahmen bis 2027/20208 einen Rekordwert von 37,7% des BIP erreichen, was vor allem auf die hohe Inflation zurückzuführen ist. Zusätzlicher Ausgabenspielraum ergibt sich aus der Ankündigung von Anfang Oktober, einen Teil des Ausbaus der Hochgeschwindigkeitsbahn (HS2) zu streichen. Dadurch werden schätzungsweise GBP 36 Mrd. (USD 44 Mrd.) eingespart. Es ist allerdings nicht zu erwarten, dass Konjunkturmassnahmen in einer Zeit mit anhaltend hoher Inflation das Wachstum ankurbeln, da die BoE wohl mit erneuten Zinserhöhungen reagieren würde. Eine straffere Geldpolitik würde dann die wachstumsfördernde Wirkung einer lockeren Fiskalpolitik neutralisieren.

    Die nächsten Parlamentswahlen im Vereinigten Königreich finden spätestens Ende Januar 2025 statt, wobei ein Urnengang im letzten Quartal 2024 wahrscheinlich ist. Im Oktober 2022 wurde nach nur 49 Tagen das Ende der konservativen Regierung von Liz Truss besiegelt. Nun deuten Umfragen und Verluste bei Regionalwahlen darauf hin, dass bei einer nationalen Wahl die oppositionelle Labour-Partei gewinnen könnte.

    Diese Aussicht scheint die Märkte nicht zu beunruhigen. Labour-Chef Keir Starmer hat zugesagt, auf eine Verbesserung der Handelsbeziehungen mit der Europäischen Union zu setzen. Er will zudem auf eine Erhöhung von Einkommenssteuern, Sozialabgaben oder der Mehrwertsteuer verzichten, was auf Haushaltsdisziplin hindeutet. Auch wenn wir der Meinung sind, dass eine Labour-Regierung wohl nicht radikal von der makroökonomischen Orthodoxie abweichen würde, halten wir einige Steuererhöhungen während der Amtszeit für wahrscheinlich. Aktuelle Meinungsumfragen signalisieren, dass der Zustand des öffentlichen Diensts im Vereinigten Königreich Anlass zu grosser Besorgnis gibt und die Zustimmung zu Steuererhöhungen zwecks Verbesserung des öffentlichen Diensts steigt (siehe Grafik 2). Nachdem das „Mini-Budget“ der Regierung Truss zu einem sprunghaften Anstieg der Renditen britischer Staatsanleihen (Gilts) und zu Stress im britischen Rentensystem geführt hat, scheint eine ungedeckte Erhöhung der Staatsausgaben unwahrscheinlich. Höhere Staatseinnahmen sind somit die einzige Alternative.

    Wir erwarten, dass das Pfund Sterling gegenüber dem Euro und dem Dollar dieses Jahr weiterhin schwach notiert

    Gilts, Pfund Sterling und Aktien

    Eine Folge der für längere Zeit hohen Inflation und der restriktiven Geldpolitik ist, dass Staatsanleihen Grossbritanniens jetzt eine höhere Rendite bieten als Staatspapiere der meisten seiner Nachbarn. Zehnjährige Gilts rentieren nun mit 4,50% und damit auf dem höchsten Stand seit mehr als 15 Jahren, verglichen mit 2,78% bzw. 3,39% für entsprechende deutsche und französische Staatsanleihen.

    Zwar weisen FTSE-100-Aktien niedrigere Gewinnkennzahlen auf als die Märkte anderer Industrieländer, doch wir sehen wenig Anzeichen dafür, dass sich dieser Unterschied verringert. Der britische Index ist jedoch auf Aktien ausgerichtet, deren Gewinne sich während einer globalen Wachstumsverlangsamung als widerstandsfähiger erweisen könnten – darunter Energie, Bergbau, Banken und Pharmaunternehmen. Unsere Haltung gegenüber britischen Aktien bleibt neutral.

    Seit Anfang September hat das Pfund Sterling gegenüber dem Euro, dem Schweizer Franken und dem US-Dollar an Wert verloren. Hauptgrund war, dass die Märkte neu beurteilten, wie hoch die britischen Zinsen steigen werden. Auch die hartnäckige Inflation und das geringe Wachstum belasten die Währung. Wir erwarten, dass das Pfund Sterling gegenüber dem Euro und dem Dollar dieses Jahr weiterhin schwach notiert.

    Wichtige Hinweise.

    Die vorliegende Marketingmitteilung wurde von der Bank Lombard Odier & Co AG (nachstehend “Lombard Odier”) herausgegeben. Sie ist weder für die Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung in Rechtsordnungen bestimmt, in denen eine solche Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung rechtswidrig ist, noch richtet sie sich an Personen oder Rechtsstrukturen, an die eine entsprechende

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