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    Patrick Odier in der FT: „Die Schweiz kann sich nicht hinter ihrer Neutralität verstecken“

    Patrick Odier in der FT: „Die Schweiz kann sich nicht hinter ihrer Neutralität verstecken“

    Von Sam Jones, Leben & Kunst, Lunch with the FT, FT.COM, 17. Februar 2023. Verwendet unter Lizenz der Financial Times. Alle Rechte vorbehalten.

    Patrick Odier, Nachkomme einer der berühmtesten Bankiersdynastien der Schweiz, hat mir einen Schokoladentopf als Geschenk mitgebracht.

    Im Laufe der nun 40-jährigen Tätigkeit von Patrick Odier in seinem Familienunternehmen hat der eidgenössische Bankensektor einige Veränderungen erlebt. So wurde in den vergangenen zehn Jahren unter Turbulenzen seine wohl berühmteste Eigenschaft teilweise abgeschafft: das Bankgeheimnis. Das Geschenk von Patrick Odier erweist sich jedoch nicht als Sinnbild der Integrität des Schweizer Finanzwesens.

    Es ist ein winterlicher Freitag in Genf mit heftigen Schneefällen. Am Wochenende feiert die Stadt die Fête de l'Escalade zum Gedenken an den Sieg über das katholische Herzogtum Savoyen im Jahr 1602. Die Heldin dieses historischen Ereignisses ist eine alte Dame, die der Legende nach ihren Suppentopf aus dem Fenster warf. Dadurch warnte sie die Wachen der Stadt vor dem hinterhältigen Unterfangen der Truppen von Karl Emanuel I., nachts die Stadtmauern zu stürmen. Zur Erinnerung daran verschenken die Genfer nun an jedem zweiten Adventssonntag einen kleinen Schokoladentopf (Marmite de l’Escalade).

    Im Laufe der nun 40-jährigen Tätigkeit von Patrick Odier in seinem Familienunternehmen hat der eidgenössische Bankensektor einige Veränderungen erlebt. So wurde in den vergangenen zehn Jahren unter Turbulenzen seine wohl berühmteste Eigenschaft teilweise abgeschafft: das Bankgeheimnis

    „All das geschah ganz in der Nähe von hier“, meint Odier kurz nach Beginn unseres Treffens. Er bietet mir eine kleine Exkursion in die Geschichte seiner Heimatstadt – eine Meisterleistung in Sachen charmantes Kennenlernen. Dabei zeigt er auf eine mit Schneematsch bedeckte Strasse in Richtung Universität.

    Wir treffen uns zum Mittagessen im „Le Philanthrope“, einem modernen französischen Restaurant, das er, wie ich Odier gegenüber scherzhaft argumentiere, wohl seines Namens wegen als eher unverhohlene PR-Massnahme ausgewählt habe. Er protestiert und meint, dass eine seiner Töchter als Anwältin in einer Kanzlei gegenüber arbeite und sie sich hier regelmässig zum Mittagessen träfen. Ausserdem sei die Klientel très agréable: Es gebe – darauf weist er selber hin – nur sehr wenige Bankertypen darunter. Modisch an Schnüren baumelnde Glühbirnen und eine tapezierte Wand geben dem Ganzen ein leicht übertriebenes Design-Flair, aber der Laden ist voll.

    Odier ist mit seinen 67 Jahren schlank und rüstig. Er trägt einen dunkelgrauen Anzug, ein weisses Hemd und eine hellblaue Weste. „Ich musste immer darauf achten, dass meine Worte meinen Pflichten Rechnung tragen . . . wenn ich mich jetzt ein wenig offener ausdrücken kann, scheu ich jedoch nicht mehr davor zurück“, meint er mit einem Lächeln, wobei er geschickt mit diesem Vorbehalt jongliert.

    In der Schweiz gibt es keine Aristokratie. Wenn es eine gäbe, wäre Odier Mitglied des Hochadels. Das Bankwesen ist eine nationale Institution, und Lombard Odier verkörpert wahrscheinlich beinahe das Ideal davon: Gegründet im Jahre 1796, sehr vorsichtig und äusserst diskret, befindet sich diese Bank bis heute im Besitz und unter der Kontrolle von nur sechs Teilhabenden.

    Als das Schweizer Bankgeheimnis schliesslich weltweit infrage gestellt wurde, drängte Odier eigenen Angaben zufolge als Chef der mächtigen Bankenlobby des Landes seine Kollegen, die anstehenden Änderungen zu akzeptieren

    Odier ist aber auch so etwas wie ein Radikaler in seiner Branche. Als das Schweizer Bankgeheimnis schliesslich weltweit infrage gestellt wurde, drängte Odier eigenen Angaben zufolge als Chef der mächtigen Bankenlobby des Landes seine Kollegen, die anstehenden Änderungen zu akzeptieren. Seit Jüngstem engagiert er sich als einer der profiliertesten Vertreter des Sektors in Sachen Klimawandel und Finanzen. Er ist ein bedeutender Förderer der Künste und der medizinischen Philanthropie. Auf Anregung seiner Frau, der griechisch-ägyptischen, ehemaligen Balletttänzerin Cynthia Odier, plant er, seinen Ruhestand mit der Arbeit an kulturellen Projekten in Athen zu verbringen. Zudem hat er ein grosses Interesse an Politik und internationaler Diplomatie.

    All das kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass Odier im Laufe seiner Karriere zuallererst als diskreter und loyaler Berater einer äusserst reichen internationalen Klientel tätig war.

    Fundament des unglaublichen Bankenreichtums der Schweiz – und ihres für manche eher fragwürdigen internationalen Rufs – ist das Private Banking. Ein Viertel des Geldes, das die Reichen der Welt ausserhalb ihrer Heimatländer deponiert haben, befindet sich in diesem Land der Berge, das knapp neun Millionen Einwohner zählt. Lombard Odier verwaltet Vermögenswerte im Wert von rund USD 335 Mrd. – sowie Mandate einer Handvoll grosser institutioneller Kunden.

    Die Reichen bringen ihr Geld aus vielen Gründen hierher, und zumeist sind diese durchaus legitim. Doch die Schweizer Banken vollziehen einen Drahtseilakt. So hält Lombard Odier rund USD 800 Mio. an eingefrorenen Vermögenswerten in ihren Tresorräumen, die mit der korrupten usbekischen Oligarchin, und ehemaligen Angehörigen der Schweizer Hautevolee, Gulnara Karimova in Verbindung gebracht werden. Diese sitzt mittlerweile nach einer politischen Wende Usbekistans in einem Gefängnis in Taschkent.

    Die Fragen darüber, wem das Geld gehört, werden nie abreissen, weshalb dem Finanzwesen wohl auch niemals wundervolle, romantische Qualitäten nachgesagt werden dürften

    Wer diejenigen betreut, denen die Reichtümer der Welt gehören, steht in Sachen Geopolitik automatisch an vorderster Front. Das war auch dem Mitbegründer von Lombard Odier, Henri Hentsch, bewusst, der als Bankier von Napoleon Bonaparte diente. Dieser nutzte die Büros der Bank, als er auf dem Weg zur Plünderung Italiens in Genf Station machte.

    An vorderster Front zu stehen, kann gewinnträchtig sein. „Jede globale Krise, sei es eine makroökonomische Krise, eine Bankenkrise, eine militärische Auseinandersetzung oder eine Gesundheitskrise, bescherte [den Schweizer Banken] letztlich immer Marktanteilsgewinne“, meint Odier.

    In der Tat waren die Reichen der Welt nie reicher. Aufgrund der Politik der quantitativen Lockerung und des damit einhergehenden weltweiten Anstiegs der Vermögenspreise besitzt das reichste 1 Prozent dem jüngsten globalen Vermögensbericht der Credit Suisse zufolge mittlerweile rund 50 Prozent des weltweiten Vermögens. Dagegen besitzen die ärmsten 50 Prozent rund 1 Prozent, was wie ein geschickter Symmetrietrick anmutet.

    Ein Kellner bringt eine kleine Gaumenfreude: ein zartes, leicht erwärmtes Blumenkohl-Panna-Cotta in einem kleinen Tonbecher, mit aromatischem Senfschaum und ein paar Körnern Puffreis für den gewissen Texturkontrast.

    Unterdessen scheinen wir bei der Frage nach der zweifelhaften Moral von Schweizer Banken angekommen zu sein. Ich nehme einen Schluck des spritzigen Aligoté, des von Odier ausgewählten Weissweins, und frage ihn so nonchalant wie nur möglich, wie er sich den bei vielen in der westlichen Welt nach wie vor so zweifelhaften Ruf seines Metiers und seines Landes erkläre.

    Das umfassende Bankgeheimnis in der Schweiz endete mit einer Reihe von Massnahmen nach der Finanzkrise 2008, die schliesslich in der Unterzeichnung des US Foreign Account Tax Compliance Act durch die Schweizer Regierung im Jahr 2013 gipfelten

    Das Bankwesen sei kein einfaches Geschäft, über das es sich moralisch urteilen lasse, konstatiert Odier, vor allem wenn es darum gehe, das Vermögen der Reichen zu verwalten. „Die Fragen danach, wem das Geld nun gehört oder nicht, wer es rechtmässig besitzt oder nicht usw. werden nie verstummen . . . die Rolle des Finanzwesens ist also kaum mit wundervollen oder romantischen Qualitäten behaftet.“

    Aber der schlechte Ruf der Schweiz als Zentrum des schmutzigen Geldes ist seines Erachtens überholt und er hofft, dass sich dieses Thema künftig erledigen wird. „In den vergangenen 10 bis 15 Jahren hat das System recht radikale Veränderungen erfahren“, stellt Odier fest.

    Das umfassende Bankgeheimnis in der Schweiz endete mit einer Reihe von Massnahmen nach der Finanzkrise 2008, die schliesslich in der Unterzeichnung des US Foreign Account Tax Compliance Act durch die Schweizer Regierung im Jahr 2013 gipfelten. Schweizer Banken sind nun gesetzlich verpflichtet, ausländischen Aufsichtsbehörden in begrenztem Umfang Informationen über die Konten ihrer jeweiligen Bürger zu übermitteln.

    „Ich bin nicht naiv. Es gibt natürlich noch vieles, was am eidgenössischen Finanzplatz verbessert werden könnte. Meiner Meinung nach haben wir den Übergang jedoch recht gut bewerkstelligt“, kommentiert Odier, der damals an der Spitze der mächtigen Schweizerischen Bankiervereinigung stand.

    „Es brauchte eine gewisse Entschlossenheit und Mut, um sich einzugestehen, dass das Ganze zu einem Problem geworden und mittlerweile überholt war. Zuerst verbrachten wir einige Zeit damit, unser Geschäftsmodell zu verteidigen . . . aber dann gingen wir den Wandel sehr zügig an. Bis 2018 war die Umstellung dann abgeschlossen.“ Lombard Odier zahlte 2015 USD 100 Mio., um alle noch offenen Fragen mit den US-Behörden in Bezug auf die Steuerangelegenheiten ihrer Kundinnen und Kunden endgültig beizulegen.

    Für Odier beweist der Erfolg der Schweiz in den Jahren seit Abschaffung der „Pflicht zur absoluten Verschwiegenheit“ – wie es das Gesetz einst definierte – eines: Das Bankgeheimnis, zumindest zur Vermeidung von Steuern, war nie der einzige Erfolgsfaktor seines Landes

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    Für Odier beweist der Erfolg der Schweiz in den Jahren seit Abschaffung der „Pflicht zur absoluten Verschwiegenheit“ – wie es das Gesetz einst definierte – eines: Das Bankgeheimnis, zumindest zur Vermeidung von Steuern, war nie der einzige Erfolgsfaktor seines Landes. „Wir verfügen über eine jahrhundertelange Erfahrung als Bankiers in diesem Land“, so Odier, was die Kundenbasis zu schätzen wisse. „Mit dem Ende des Bankgeheimnisses ging keine einzige Bank pleite oder verschwand von der Bildfläche.“

    Unsere Vorspeisen werden serviert. Odier hat sich für einen Mesclun-Salat mit zarten, rosafarbenen Streifen von geräucherter Forelle aus dem See entschieden, während meine Wahl auf sautierte Gänseleber auf einem gegrillten Stück Brioche fiel.

    An dieser Stelle erinnere ich mich, einmal gelesen zu haben, dass Odier sich als Junge dem Fechtsport widmete. Ich auch, aber eher schlecht. Und während ich ein appetitliches Stück Leber aufspiesse, denke ich an die allmählich aufkommende Frustration zurück, die sich einstellte, wenn ich es mit einem geschickten Gegner zu tun hatte. Zeit also, um das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken.

    Der Erfolg der Schweiz sei mit einem Paradox behaftet, sage ich zu Odier: All das, was die Schweiz für die Wohlhabenden der Welt so attraktiv mache – politische Stabilität, Unabhängigkeit, Rechtsstaatlichkeit und Diskretion – ziehe vor allem diejenigen an, deren eigene Länder diesbezüglich Defizite aufwiesen. Und recht häufig handelt es sich dabei um Kriminelle, Autokraten oder gar beides.

    „Schauen Sie, keine Bank ist daran interessiert, mehr Kredite zu vergeben, nur weil sie es kann, und keine Bank will ein Reputationsrisiko eingehen, nur weil sie es kann“, sagt Odier. „Letztendlich lautet die Lektion, niemals etwas von jemandem anzunehmen, wenn man nicht völlig davon überzeugt ist, dass die Frage nach der Herkunft der Mittel auch korrekt beantwortet wird.“ 

    Bei seinem eigenen Institut sei das nicht immer der Fall gewesen, so mein Einwand. Angesichts der beiden ihn sichtlich betroffen stimmenden Beispiele, die ich nenne – die bereits erwähnten Konten von Gulnara Karimova und die von Jassir Arafat im Jahr 2005 veruntreuten zehn Millionen US-Dollar –, seufzt er müde. Der Palästinenserführer hatte damals sogar unverhohlen mit seinem bei der Bank versteckten Reichtum geprahlt.

    „Man sieht es nie gerne, wenn der eigene Name mit etwas Unangenehmem in Verbindung gebracht wird. Meiner Meinung nach wird die Geschichte aber in beiden Fällen letztlich offenbaren, was wirklich geschehen ist“, raunt Odier, ohne auf Einzelheiten einzugehen. „Ich wurde sogar persönlich in einem Presseartikel als Bankier [von Arafat] tituliert. Alles vollkommen unwahr! Ich war einfach nur der Chef der Firma“, fügt er etwas pikiert hinzu.

    Nach unserer Vorspeise wähle ich einen leichten Pinot Noir aus der Region zu meiner Hauptspeise, während Odier für einen etwas reichhaltigeren Wein optiert: eine Mischung im Stil eines Claret vom „Linken Ufer“, verfeinert mit der Schweizer Rebsorte Gamaret.

    „Aufgrund eines internen Entscheidungsprozesses, den wir auf Punkt und Komma eingehalten hatten, der aber letztendlich unzureichend war, fühlten wir uns damals in Sachen Reputationsrisiko umfassend geschützt“, erklärt er.

    Die daraus gelernte Lektion sei gewesen, dass reine Regelkonformität nicht ausreicht. „Man kann sich von den falschen Leuten mit falschen Beweisen überzeugen lassen, oder man kann einfach nach dem zehnten Mal die stets gleiche zweifelhafte Antwort akzeptieren, weil man keine Lust mehr darauf hat, sie ein elftes Mal zu hören.“

    Während ich meinen Wein im Glas schwenke, frage ich, ob er oder seine Bankerinnen und Banker sich in ihrem Urteil jemals von moralischen Beweggründen leiten liessen. „Eine moralische Dimension würde alles stark verkomplizieren“, sagt er. „Denn hier geht es um rechtliche und juristische Kriterien.“

    Dafür hege ich eventuell sogar ein gewisses Verständnis: Keine Bank sollte Kundinnen oder Kunden, ob nun vermögend oder nicht, einfach ablehnen, weil sie, ihre Politik oder ihre Branche subjektiv anstössig sind. Andererseits haben sich rechtliche und juristische Kriterien bisher als fadenscheiniges Bollwerk erwiesen. Und genau das scheint der springende Punkt zu sein.

    Für Odier ist es ein Fehler, von den Banken zu erwarten, dass sie als soziale und politische Schiedsrichter agieren. „Ich musste vehement gegen unsere Regierung in der Schweiz angehen, um einige Massnahmen zu verhindern, bei denen die Banken als starker Arm des Gesetzes hätten agieren müssen, um die Aufrichtigkeit der Kundinnen und Kunden unter Beweis zu stellen. Ein solcher Ansatz ist einfach naiv“, so Odier.

    Bisweilen muss man sich seinen Risiken stellen . . . wichtig ist zu erkennen, ob man sie bereitwillig eingegangen ist

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    Die Hauptspeisen sind mittlerweile bei uns: gegrillter Kabeljau mit zerdrückten Kartoffeln und mit Trüffel glasiertem Gemüse für Odier und ein baskisches Schweinefilet für mich, mit einer reichhaltigen, glänzenden Sauce und kleinen Wirbeln von Pommes Mousseline.

    Da der Wein allmählich meine Zunge löst, frage ich etwas verschmitzt, ob wir im Falle von Lombard Odier über keine schlechten Schlagzeilen mehr zu reden hätten, wenn wir uns in zehn Jahren wieder zum Lunch träfen.

    Mit einem Schulterzucken antwortet Odier lächelnd: „Zu den allgemeinen Risiken dieses Metiers gehört es, dass man sich bisweilen den Risiken stellen muss . . . wichtig ist zu erkennen, ob man sie bereitwillig eingegangen ist.“

    Den moralischen Isolationismus der Schweiz befürwortet Odier jedoch nicht. Als unser Tisch abgeräumt wird, frage ich ihn, was er von der Entscheidung der „neutralen“ Schweiz hält, mit den Sanktionen der EU gegen Russland gleichzuziehen.

    „Ich bin froh, dass wir uns so entschieden haben . . . Wir haben es mit einer dramatischen Entwicklung der geopolitischen Situation und einem Verstoss gegen internationales Recht und internationale Konventionen zu tun . . . Die Schweiz kann sich nicht einfach hinter einem abstrakten Konzept der Neutralität verstecken, das sich der Realität verweigert.“ 

    Allerdings sorge diese Haltung für Probleme in seiner Branche: Grosse Kundinnen und Kunden weltweit würden sich mittlerweile Sorgen machen, wie zugänglich ihr Geld in der „neutralen“ Schweiz unter Umständen wirklich sei, sollten ihre Regierungen ebenfalls mit der westlichen Weltordnung in Konflikt geraten.

    In den letzten Jahren wurde die Karriere von Odier keineswegs von Fragen zum Bankgeheimnis oder zu schmutzigen Geldern beherrscht, vielmehr stand für ihn der Klimawandel im Mittelpunkt.

    Dieser Tage ist die Frage nach „nachhaltigem Investieren“ schon fast überflüssig. Unterdessen lässt sich bei vielen Finanziers nur schwer auseinanderhalten, was aufrecht und was Davos-Jargon ist. Odier ist da offener und nuancierter in der Diskussion.

    Er äussert sich gewandt und ausführlich zu seiner Arbeit über dieses Thema und zu seinen Plänen für den Ruhestand. Er will sich auf internationale Lobbyarbeit konzentrieren und Finanziers und politische Entscheidungsträger im Bereich des Klimawandels besser vernetzen. Dazu soll vor allem seine Arbeit als Präsident der von den Vereinten Nationen unterstützten Initiative Building Bridges dienen.

    Wir müssen uns dringend darüber unterhalten, wie sich die Auswirkungen all dessen auf die schwachen wirtschaftlichen und sozialen Gruppen in unseren eigenen Gesellschaften begrenzen lassen

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    Sehr besorgt zeigt er sich jedoch über die sich abzeichnenden sozialen Krisen im Zuge der Dekarbonisierung. „Sie können den Menschen in einer kanadischen Provinz nicht einfach sagen, dass sie kein Erdöl mehr fördern sollen, denn man kann nicht ganze Gemeinden an das andere Ende des Landes umsiedeln, wo es Arbeitsplätze gibt“, so Odier.

    „Wir müssen uns dringend darüber unterhalten, wie sich die Auswirkungen all dessen auf die schwachen wirtschaftlichen und sozialen Gruppen in unseren eigenen Gesellschaften begrenzen lassen, so wie wir das bereits mit dem globalen Süden tun. Denn davon hängt unser sozialer Zusammenhalt ab. Genau das ist die in den kommenden Jahren anstehende grosse Herausforderung.“

    Das Problem sei umso schlimmer, fährt Odier fort, als die Jahre seit 2008 von einem beispiellosen „asymmetrischen Kapitalismus“ geprägt worden seien. Dabei seien die Massnahmen zur Vermeidung einer finanziellen Katastrophe und Aufrechterhaltung der Volkswirtschaften fast nur den Reichen zugutegekommen.

    Hinzu kämen rapide sinkende Lebensstandards, denn „in einer Welt mit Nullzinsen wird letztlich alles teuer“. Seiner Meinung nach werden die kommenden Jahre uns vor unglaublich schwierige Aufgaben stellen.

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    Der Espresso wird serviert. Unser Gespräch wendet sich Griechenland zu und wir entdecken unsere gemeinsame Vorliebe für die Mani, dem wilden, kargen Landstrich im Süden der griechischen Halbinsel Peloponnes. Wir tauschen Erinnerungen aus und ich freue mich, ihm die Schriften eines meiner persönlichen Helden, Patrick Leigh Fermor, empfehlen zu können, von dem Odier noch nichts gehört hat. Er notiert sich dessen Namen auf der Rückseite einer Visitenkarte.

    Gemeinsam mit seiner Frau, so erzählt er mir, finanziere er derzeit die Errichtung eines kulturellen Zentrums in Athen, das künftig die Schweizer Schule für Archäologie, die Schweizer Botschaft und ein Kunstzentrum beherbergen solle. Er erinnert sich auch lebhaft und mit Nostalgie an ein paar Tage, die er einst in einer fast kahlen Zelle auf dem Berg Athos verbrachte – eine der heiligsten Stätten in der griechischen Orthodoxie.

    „Ich nehme an, für einen Banker mag das etwas seltsam anmuten“, meint er. „Und was“, frage ich, als wir unsere Mäntel abholen, „wären Sie ansonsten beruflich geworden, wenn nicht Banker?“ Er lacht. „Tierarzt!“

    Die Banque Lombard Odier & Cie SA ist allein für die Bereitstellung dieser übersetzten Inhalte verantwortlich. The Financial Times Limited übernimmt keine Haftung für die Korrektheit oder Qualität der Übersetzung.

    Wichtige Hinweise.

    Die vorliegende Marketingmitteilung wurde von der Bank Lombard Odier & Co AG oder einer Geschäftseinheit der Gruppe (nachstehend “Lombard Odier”) herausgegeben. Sie ist weder für die Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung in Rechtsordnungen bestimmt, in denen eine solche Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung rechtswidrig wäre, noch richtet sie sich an Personen oder Rechtsstrukturen, an die eine entsprechende Abgabe rechtswidrig wäre.

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